US-Regierung Abrechnung mit „America first“

Washington · Mit Verteidigungsminister James Mattis tritt der Letzte aus der US-Regierung ab, dem die Trumpsche Zähmung zugetraut wurde.

 Donald Trump und sein noch amtierender Verteidigungsminister James Mattis

Donald Trump und sein noch amtierender Verteidigungsminister James Mattis

Foto: dpa/Pool

Es gab Zeiten, da konnte Donald Trump gar nicht laut genug schwärmen von seinem Lieblingsgeneral. Der Präsident, der einst mit der Reality-Show „The Apprentice“ ein Millionenpublikum erreichte, wählt seine Minister bekanntlich auch danach aus, ob sie optisch zu der Rolle passen, die sie spielen sollen. James Mattis, ein Militär mit den Gesichtszügen eines Asketen, passte perfekt. „Wenn ich mal einen Film drehe, nehme ich Sie, General Mattis“, begeisterte sich Trump. Und dazu der Spitzname. „Mad Dog“, Verrückter Hund. Mad Dog, rief der Wahlsieger seinen Anhängern anfangs auf Kundgebungen zu, stehe für ein Amerika, mit dem sich bloß niemand anlegen sollte.

Manches entpuppte sich als Irrtum, und mit seinem Rücktritt machte Mattis klar, was für ein tiefer Graben ihn von Trump trennte. Statt beim Abschied artig zu danken und nichts zu sagen, schrieb er einen Brief voller Substanz. Der liest sich wie eine Generalabrechnung mit dem „America first“ eines oft erratisch agierenden Nationalisten, der am Sinn der Nato zweifelt, der Verbündete wie Angela Merkel oder Justin Trudeau offen brüskiert, während er Sympathien für starke Männer wie Wladimir Putin, Xi Jinping oder Kim Jong Un erkennen lässt.

Eine seiner Grundüberzeugungen, schrieb Mattis, sei immer gewesen, dass die Stärke der USA untrennbar verbunden sei mit ihrem „einzigartigen und umfassenden System von Allianzen und Partnerschaften“. Ohne enge Bündnisse, ohne Respekt für die Alliierten könne das Land seine Interessen nicht wahren. Zugleich dürfe es keine Zweideutigkeiten zulassen im Umgang mit China und Russland, die eine Welt nach autoritärem Modell schaffen wollten. Trump, so Mattis, habe das Recht auf einen Verteidigungsminister, dessen Ansichten besser zu seinen eigenen passten. „Daher glaube ich, dass es richtig ist, meinen Posten zu räumen.“

Immer häufiger hatte Mattis zuletzt auf verlorenem Posten gestanden. Erst vor wenigen Tagen ignorierte der Präsident einen Personalvorschlag seines Verteidigungsministers. Statt Mattis‘ Favoriten, Luftwaffenchef David Goldfein, zum neuen Stabschef der Streitkräfte zu ernennen, entschied er sich für einen Armeegeneral namens Mark Milley. Schließlich waren es die Debatten über Syrien und Afghanistan, über Bleiben oder Abziehen, die das Fass zum Überlaufen brachten. Von einem Rückzug aus dem Nordosten Syriens riet Mattis ebenso energisch ab wie von Trumps Plan, 7000 am Hindukusch stationierte US-Soldaten, die Hälfte des Kontingents, nach Hause zu beordern. In beiden Fällen zog er den Kürzeren, und am Donnerstagabend, als er seinen Abgang begründete, versuchte er gar nicht erst, inhaltliche Differenzen zu übertünchen.

Wenn man so will, ist es das Ende eines zweijährigen Missverständnisses. Angefangen beim Spitznamen. Das mit dem verrückten Hund hat Mattis nie gefallen, offenbar geht es zurück auf Aphorismen aus seiner vierzigjährigen Karriere. „Sei höflich, sei professionell, aber mach dich darauf gefasst, dass du jeden töten musst, dem du begegnest“, lautet einer seiner Sprüche. Nur war Mattis nie der Draufgänger, den Trump in ihm sah. Treffender ist ein zweiter Spitzname, „Warrior Monk“, der Kriegermönch. Ein Leben lang blieb er solo, verheiratet mit der Marine, in deren Reihen er es bis zum Viersternegeneral brachte. In seiner Privatbibliothek, heißt es, stehen an die 7000 Bücher.

Das konnte auf Dauer nicht gutgehen: Hier der Gelehrte der Strategie, dort ein Präsident, der keine Bücher liest, aber alles besser zu wissen glaubt, zumal er sich für ein Genie hält. Hier ein vorsichtiger Soldat, der weiß, was Kriege bedeuten, weil er selber in dreien gekämpft hatte, 1991 in Kuweit, später in Afghanistan und im Irak. Dort ein Sandkastenstratege, der sich eine Fußerkrankung attestieren ließ, um die Einberufung zu umgehen und nicht nach Vietnam zu müssen.

Um nicht Vabanque zu spielen, ignorierte Mattis bisweilen, was an Anweisungen aus dem Weißen Haus kam. Der Reporter Bob Woodward hat in seinem Enthüllungsbuch „Furcht“ geschildert, was sich hinter den Kulissen abspielte. Etwa im April 2017, als Mattis den Auftrag erhielt, ein Mordkomplott gegen den syrischen Diktator Baschar al Assad zu schmieden. „Lasst ihn uns verdammt noch mal töten“, verlangt Trump, nachdem Assads Regime wieder Chemiewaffen eingesetzt hatte. Mattis, dokumentiert Woodward, habe nicht widersprochen, einem Vertrauten jedoch zu verstehen gegeben, dass man nichts dergleichen tun werde. Und obwohl er selber ein scharfer Kritiker Teherans war, riet er dazu, am Atomabkommen mit Iran festzuhalten. In seinen Augen war es nicht die perfekte Lösung, aber ein funktionierendes Kapitel Rüstungskontrolle.

Wenn Mattis im Februar aus der Regierung ausscheidet, wird eine Illusion gestorben sein. Die Illusion, dass eine Riege erfahrener, nüchterner Generäle Trump schon beibringen würde, dass Wahlkampfparolen das eine sind und praktische Politik etwas anderes. Der eine war Mattis, der zweite Herbert Raymond McMaster, der dritte John Kelly. McMaster, gut ein Jahr lang Sicherheitsberater, wurde im April entlassen. Kelly, zuletzt Stabschef im Weißen Haus, zieht sich Weihnachten ins Privatleben zurück. Nun hat Mattis als Letzter das Handtuch geworfen. Die „Achse der Erwachsenen“, wie Kolumnisten das Trio nannten, ist nur noch eine ferne Erinnerung.

(FH)
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