Neue Details zum Luftschlag von Kundus US-Soldaten und Deutsche stritten vor Angriff

Berlin (RPO). Vor dem Luftangriff auf die Tanklaster in Kundus mit vielen zivilen Toten hat die US-Luftwaffe dem deutschen Fliegerleitoffizier angeblich mehrfach vergeblich Tiefflüge ohne Bombardement vorgeschlagen. Die Amerikanier hätten damit Zivilisten eine Chance zur Flucht gewähren wollen. Über die Anzahl der abzuwerfenden Bomben soll es sogar Streit gegeben haben.

Afghanistan: Das Protokoll des Luftangriffs
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Foto: AP

Das berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" am Samstag unter Berufung auf den Nato-Abschlussbericht zu dem Luftschlag vom 4. September, der bis zu 142 Todesopfer gefordert hat.

Auszüge aus dem Bericht zeigten, dass die Besatzung der amerikanischen F-15-Jagdbomber den Auftrag, die entführten Tanklaster bei Kundus zu bombardieren, stärker hinterfragt habe als bisher bekannt.

Ein Kommandeur habe bei seiner Vernehmung berichtet, dass es während des Einsatzes Meinungsunterschiede über die Frage gegeben habe, wie viele Bomben abgeworfen werden sollten.

Der Fliegerleitoffizier des deutschen Obersten Georg Klein, Codename "Red Baron", habe sechs Bomben gefordert. Die Besatzung der F-15 widersprach und erklärte, es seien nur zwei Bomben nötig.

Darüber hinaus zeigten Auszüge des Funkverkehrs zwischen dem US-Piloten "Dude" und dem Fliegerleitoffizier, dass die Besatzung nicht nur ein- oder zweimal warnende Tiefflüge vorgeschlagen habe, sondern gleich fünfmal. Doch "Red Baron" habe geantwortet: "Negativ. Das Ziel soll sofort angegriffen werden."

Kauder kündigt Befragung Steinmeiers an

Der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Volker Kauder (CDU), forderte den früheren Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf, an der Aufklärung des umstrittenen Bombenangriffs bei Kundus mitzuwirken. "Wir werden den früheren Außenminister im Untersuchungsausschuss befragen", kündigte Kauder in der "Passauer Neuen Presse" an.

Der jetzige Oppositionsführer Steinmeier selbst schloss nicht aus, dass auch das Auswärtige Amt nicht ausreichend über die näheren Umstände des Bombenangriffs informiert wurde.

Der SPD-Politiker sagte der "Welt am Sonntag", die Regierung habe früh mit möglichen Opfern des Bombardements gerechnet. Er fügte hinzu, er sei damals "weder gegenüber dem Parlament noch in der Öffentlichkeit mit der Gewissheit aufgetreten, dass Zivilisten nicht ums Leben gekommen sind".

Mit Verweis darauf, dass dem Auswärtigen Amt der Feldjägerbericht zum Hergang des Angriffs auf die Tanklastwagen erst am 27. November zugestellt wurde, stellte Steinmeier die Frage, "ob dem Auswärtigen Amt Informationen vorenthalten worden sind".

Kein überstürzter Abzug

Zur Frage einer Exit-Strategie beim Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sagte Kauder, auf Dauer müssten die Afghanen in der Lage sein, ihre Sicherheit selbst zu gewährleisten. Doch dürfe sich die deutsche Bundeswehr "nicht überstürzt aus Afghanistan zurückziehen, weil wir eine Verantwortung für die Menschen dort haben".

Es wäre "eine Katastrophe", so der Politiker, "wenn die Taliban wieder an die Macht kämen". Ganz entscheidend werde die Ausbildung der Polizei sein, sagte Kauder und forderte: "Hier müssen wir mehr tun. Der Bundesinnenminister muss die Frage klären, wie das Kontingent der Polizeiausbilder vergrößert werden kann."

(AP/csi)
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