Kritik aus eigenen Reihen US-Republikaner erschweren Zugang zur Wahl

New York · Die US-Republikaner treiben Verschärfungen beim US-Wahlrecht voran. Sie drohen vor allem ältere Menschen, die Landbevölkerung und Minderheiten zu benachteiligen. Für die Partei könnte dies zum Eigentor werden.

 In Florida stempelt eine Wahlhelferin einen Briefwahlumschlag ab, ehe er in den speziellen Wahlbriefkasten (Drop Box) geht. (Archivfoto vom 26. Oktober 2020).

In Florida stempelt eine Wahlhelferin einen Briefwahlumschlag ab, ehe er in den speziellen Wahlbriefkasten (Drop Box) geht. (Archivfoto vom 26. Oktober 2020).

Foto: AP/Lynne Sladky

Durch umfassende Wahlrechtsreformen in mehreren von Republikanern dominierten US-Bundesstaaten ist unter anderem die Stimmabgabe per Brief erschwert worden. Republikaner in Georgia, Iowa, Texas, Florida und Arizona unterstützten die Maßnahmen, obwohl die Briefwahl auch bei ihren eigenen Wählern beliebt ist. Vor allem ältere Menschen bevorzugen diese Wahlvariante. Kritik kommt daher auch aus der eigenen Partei.

Am Donnerstag unterzeichnete Floridas Gouverneur, der Republikaner Ron DeSantis, das weitreichende Gesetz in einer Live-Sendung des Fernsehsenders Fox News. Obwohl bei der vergangenen Wahl keine Sicherheitsprobleme auftraten, stellte DeSantis das Gesetz als Maßnahme zur Sicherung der Integrität der Wahlen dar. Für sogenannte „Drop Boxes“ – eigens für die Abgabe von Briefwahlunterlagen an öffentlichen Orten aufgestellte Briefkästen – wurden strengere Auflagen benötigt, wie er sagte.

Aufgrund des neuen Gesetzes müssen Wähler in Florida künftig alle zwei Jahre die Unterlagen zur Briefwahl anfordern, statt wie bisher alle vier Jahre. Kritiker befürchten, dass die Maßnahmen insbesondere in einem Jahr ohne Präsidentschafts- oder Zwischenwahl zu geringer Wahlbeteiligung führen könnten. Auch ist davon auszugehen, dass vor allem Senioren von den Auswirkungen des Gesetzes betroffen sind.

„Alles, was es den Menschen erschwert, ihre Stimme abzugeben, wird einen überdurchschnittlichen Einfluss auf Senioren haben“, sagte der Republikaner Jeff Brandes, der für den Wahlbezirk Pinellas County im Senat von Florida sitzt. Er stimmte gegen das Gesetz. Viele der älteren Menschen hätten dessen größere Bedeutung noch nicht verstanden, sagte er.

Auch Vertreter von Wahlrechtsgruppen kritisierten die Reformen. Die Republikaner setzten auf die Motivation und die Privilegien ihrer eigenen Wähler, Einschränkungen überwinden zu können, so dass die Hauptlast wirtschaftlich Benachteiligte und Minderheiten treffe, sagten sie.

Mac Stipanovich, ein langjähriger republikanischer Funktionär, der inzwischen die Partei verlassen hat, sagte, es bestehe außerdem die Gefahr, dass die neuen Wahlregeln in Florida unbeabsichtigte Folgen haben könnten. Es gebe die Möglichkeit, dass durch den Anschein, absichtlich zu versuchen, benachteiligte Gruppen von der Abstimmung abzuhalten, das exakte Gegenteil herbeigeführt werde.

Lyle Larson, ein republikanischer Abgeordneter für den Bundesstaat Texas, äußerte sich ebenfalls kritisch. Man müsse sich fragen, ob die Verfasser des Gesetzes versuchten, Republikanern das Wählen zu erschweren, schrieb er in einer Kolumne. Die im Gesetz enthaltenen „Unterdrückungstaktiken“ würden der eigenen Partei genauso sehr schaden wie der Opposition – oder sogar noch mehr. In Texas wird derzeit über zusätzliche Einschränkungen unter anderem bei der vorzeitigen Stimmabgabe und dem Versand von Antragsformularen zur Wahl diskutiert.

Die Änderungen im Wahlrecht erfolgten, obwohl Ex-Präsident Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr in Texas und Florida gewann und republikanische Vertreter der Bundesstaaten ihre Wahlen als fair und effizient anpriesen.

Die Auswirkungen der Reformen könnten Wähler beider Parteien betreffen. Bis zum vergangenen Jahr wählten noch mehr Republikaner per Brief als Demokraten. Doch nachdem Trump im Präsidentschaftswahlkampf wiederholt ohne jegliche Beweise behauptet hatte, dass die Stimmabgabe per Post unsicher und anfällig für Betrug sei, war ein Wandel im Wahlverhalten zu beobachten. Auch die Corona-Pandemie führte dazu, dass mehr Demokraten überfüllte Wahllokale vermieden und per Brief wählten. Ob sich dieser Trend mit der Eindämmung der Pandemie fortsetzt, bleibt abzuwarten.

Viele der von den Republikanern eingebrachten Änderungen gründeten im Endeffekt auf ihrer Ignoranz gegenüber den Wahlgewohnheiten ihrer eigenen Unterstützer, sagte Adrian Fontes, ein ehemaliger hochrangiger Wahlbeamter des Bundesstaats Arizona. Dort könnten die Reformen dazu führen, dass Tausende nicht regelmäßig wählende Republikaner künftig ihre Stimmzettel nicht mehr automatisch per Post erhalten. Wenn man die Zugangsmöglichkeiten für Wähler einschränke, seien die Stimmen aller Wähler betroffen, sagte Fontes.

Republikanische Befürworter der Maßnahmen halten dagegen. Sie sagen, die Änderungen hätten nur „minimale Auswirkungen“ auf die Wähler und zielten darauf ab, das öffentliche Vertrauen zu stärken. „Es wird wirklich einfach bleiben, zu wählen, nachdem diese Gesetzgebung in Kraft getreten ist“, sagte etwa Bobby Kauffman, ein republikanischer Abgeordneter des Bundesstaats Iowa. Der Gesetzesentwurf schütze das Wahlrecht der Menschen in Iowa.

Im November hatten in Iowa 76 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben. Es gab keine größeren Probleme oder Betrugsfälle bei der Wahl und Trump gewann den Bundesstaat. Dennoch stimmten Abgeordnete im März Änderungen im Wahlrecht zu, die eine neue Frist für Briefwahlstimmen beinhalteten. Diese könnte dazu führen, dass mehr Briefwahlstimmen wegen zu späten Eintreffens für ungültig erklärt werden. Bisher wurden Briefwahlstimmen in Iowa gezählt, solange sie am Tag vor der Wahl abgestempelt wurden und bis zum Mittag des Montags nach der Wahl eingegangen waren.

Wäre die neue Frist im November schon gültig gewesen, hätte dies nach Auswertungen von behördlichen Daten dazu geführt, dass 689 Stimmen von registrierten Republikanern, 649 demokratische Stimmen und 616 unabhängige Stimmen für ungültig erklärt worden wären.

In Kombination mit einer ebenfalls verkürzten Frist von 20 Tagen, in der die Wahlhelfer Stimmzettel verschicken können, bedeuten die Änderungen ein sehr knapp bemessenes Zeitfenster für die Briefwahl. 2016 hatten Briefwähler noch 40 Tage für die Stimmabgabe, 2020 waren es 29. Ländliche Regionen, in denen die Post langsamer ist, sind durch die verkürzten Fristen besonders stark betroffen.

Kleinere ländliche Bezirke gingen mit einen hohen Bevölkerungsanteil älterer Menschen einher, die typischerweise wegen des Wetters oder aus gesundheitlichen Gründen die Briefwahl bevorzugten, sagte Rebecca Bissell, eine Republikanerin und Wahlbeauftragte in Adams County in Iowa. „Warum machen wir es ihnen schwerer, zu wählen?“, fragte sie.

Trotz Kritik aus den eigenen Reihen, setzen sich Republikaner in weiteren Staaten, unter anderem in Ohio, für ähnliche Reformen ein.

(peng/dpa)
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