Vorstoß der Demokraten US-Repräsentantenhaus stimmt für radikale Polizeireform – Senat mauert

Washington · Die Tötung von George Floyd hat viele Menschen auch außerhalb den USA aufgewühlt. Doch der Kongress in Washington kommt im Ringen um eine Polizeireform nicht auf einen gemeinsamen Nenner.

 Nancy Pelosi (M, vorne), Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, spricht während einer Pressekonferenz zwischen Demokraten des Repräsentantenhauses.

Nancy Pelosi (M, vorne), Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, spricht während einer Pressekonferenz zwischen Demokraten des Repräsentantenhauses.

Foto: dpa/Carolyn Kaster

Das US-Repräsentantenhaus hat mit Blick auf den Fall George Floyd für eine umfangreiche Polizeireform votiert. Das Paket wurde am Donnerstag (Ortszeit) in der von den Demokraten dominierten Parlamentskammer mit 236 zu 181 Stimmen angenommen. Doch werden der Vorlage kaum Chancen eingeräumt, jemals Gesetzeskraft zu erlangen. Hintergrund ist der jüngste Widerstand der Demokraten gegen einen Entwurf für eine Polizeireform, den der von den Republikanern kontrollierte Senat zuvor eingebracht hatte. Dessen Mehrheitsführer Mitch McConnell stellte bereits klar, dass die Vorlage der Demokraten nicht durch den Senat kommen werde.

Und am Vorabend der Abstimmung kündigte die Regierung von Präsident Donald Trump zudem sein Veto an, falls der Entwurf doch auf seinem Schreibtisch landen sollte.

Am 25. Mai hatte der Afroamerikaner George Floyd nach einem brutalen Akt der Polizeigewalt in Minneapolis sein Leben verloren: Ein weißer Polizist hatte trotz lautstarken Protesten von Passanten minutenlang sein Knie auf Floyds Hals gepresst - auch dann, als der gefesselt am Boden liegende Mann immer wieder über Atemnot und Schmerzen klagte. In der Folge kam es im ganzen Land zu Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt und teils massiven Unruhen, auch in vielen Ländern der Welt gingen Menschen auf die Straße.

Der US-Kongress sah sich zum Handeln gezwungen. Das jüngste Votum wurde von viel Symbolkraft und Emotionen begleitet. Im Vorfeld versammelte die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Mitglieder des sogenannten Black Caucus - eine Gruppe schwarzer Kongressabgeordneter - auf den Stufen des Kapitols. Die politischen Gegner rief sie auf, nicht zuzulassen, dass der Tod von Floyd und anderen schwarzen Amerikanern umsonst gewesen sei. Auch der großen öffentlichen Unterstützung für Reformen sollten sie Rechnung tragen, mahnte Pelosi. „Genau vor einem Monat sprach George Floyd seine letzten Worte - „Ich kann nicht atmen“ - und änderte damit den Lauf der Geschichte.“

Vor der Abstimmung verlasen etliche demokratische Abgeordnte die Namen von in Polizeigewahrsam getöteten Schwarzen, teilten eigene Erfahrungen mit ethnisch motivierten Vorurteilen und zeigten sich solidarisch mit Aktivisten der Black-Lives-Matter-Bewegung. Dem hielt die republikanische Abgeordnete Debbie Lesko aus Arizona entgegen, dass „alle Leben zählten“. Ihr New Yorker Kollege Pete King betonte, es sei an der Zeit, sich hinter die Polizei zu stellen, den „Männern und Frauen in Blau.“ Der republikanische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, beschwerte sich über den „Mob“ von Demonstranten.

So drohen die Bemühungen um gesetzlich verankerte Änderungen von Polizeitaktiken und mehr Transparenz zu versanden. Dabei bergen die Entwürfe von Demokraten und Republikaner gemeinsame Elemente, die Grundlage für einen Kompromiss bilden könnten. Im Kern sehen beide die Schaffung einer nationalen Datenbank für Gewaltanwendungen im Dienst vor. Dies soll helfen, die bisherige Bilanz eines Polizisten zu durchleuchten, wenn er von einer Wache zur nächsten versetzt wird. Beide Vorlagen schreiben zudem Beschränkungen von Würgegriffen durch die Polizei und ein neues Ausbildungsprozedere vor, das unter anderem einen verstärkten Einsatz von Körperkameras beinhaltet.

Der Entwurf der Demokraten geht jedoch viel weiter, da er viele der Änderungen zur Pflicht macht. Er sieht zudem Anpassungen an den Bundesrichtlinien für polizeiliches Fehlverhalten vor. Danach sollen Beamte persönlich haftbar gemacht und auf Schadenersatz verklagt werden können. Die Demokraten wollen im Übrigen die Praxis stoppen, Militärausrüstung an lokale Polizeistellen zu schicken.

Senator Tim Scott aus South Carolina, einziger schwarzer Republikaner in der Kammer und Autor des Reformpakets seiner Partei, machte im Gespräch des Senders Fox News aus seinem Ärger keinen Hehl. Das Gesetz sei nun „näher am Mülleimer als jemals zuvor“, sagte er. „Ich bin frustriert.“ Zwar hatte sich Scott offen gezeigt, seine Vorlage um Änderungsvorschläge der Demokraten zu ergänzen. Doch bezweifelten diese, dass Senatsmehrheitsführer McConnell eine echte Debatte zulassen würde. Daher blockierten die Demokraten den republikanischen Entwurf lieber. Dabei legen Umfragen nahe, dass sich eine große Mehrheit der Amerikaner nach dem Tod von Floyd und anderen schwarzen Bürgern in Polizeigewahrsam weitreichende Reformen wünscht.

(anst/dpa)
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