Analyse zu Angriffen auf US-Stützpunkte Ein wohldosierter Angriff

Washington/Bagdad · Der Iran hat in der Nacht mit Raketenangriffen Vergeltung für den bei einem US-Angriff getöteten General Soleimani geübt. Doch offenbar fiel die Attacke so dosiert aus, dass eine Eskalation vermieden werden könnte.

 Ein großer Bildschirm in Tokio zeigt in der Nacht zum Mittwoch zu den Meldungen über die iranischen Raketenangriffe US-Präsident Donald Trump und Irans obersten Führer, Ajatollah Ali Chamenei.

Ein großer Bildschirm in Tokio zeigt in der Nacht zum Mittwoch zu den Meldungen über die iranischen Raketenangriffe US-Präsident Donald Trump und Irans obersten Führer, Ajatollah Ali Chamenei.

Foto: AP/Koji Sasahara

Ein erstes Signal der Zurückhaltung: Nach den iranischen Raketenangriffen auf US-Stützpunkte im Irak hat US-Präsident Donald Trump neue Wirtschaftssanktionen gegen Teheran angekündigt, jedoch keine militärische Vergeltung. Der Iran scheine sich in dem eskalierenden Konflikt zurückzunehmen. Wir beantworten dazu die wichtigsten Fragen.

Was genau ist passiert?

Nach übereinstimmenden Berichten aus Washington, Teheran und Bagdad wurden in der Nacht zum Mittwoch mehr als ein Dutzend Raketen abgeschossen. Nach einem Bericht des iranischen Staatsfernsehens wurden 15 Raketen eingesetzt. Das irakische Militär teilte mit, es seien insgesamt 22 Raketen auf irakisches Gebiet abgeschossen worden, 17 auf den Luftwaffenstützpunkt Ain al Assad bei Bagdad und fünf auf einen Stützpunkt bei Erbil in der Kurdenregion im Nordirak. Die iranischen Revolutionsgarden behaupteten später, bei der „Operation Märtyrer Soleimani“ sei allein Ain al Assad mit 35 Boden-Boden-Raketen angegriffen worden.

Das iranische Staatsfernsehen berichtete, bei dem Raketenbeschuss seien 80 Menschen ums Leben gekommen. Der Sender sprach von getöteten „amerikanischen Terroristen“. Außerdem seien Hubschrauber und weitere Ausrüstung des US-Militärs schwer beschädigt worden. Später meldete sich das geistliche und staatliche Oberhaupt des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, zu Wort. Die Nacht sei ein „Schlag ins Gesicht“ der USA gewesen, sagt er. Die US-Truppen müssten die Region verlassen. Trump reagierte am Mittwoch gelassen: Die Vereinigten Staaten seien bereit zum Frieden mit allen, die dies wollten. Trump betonte auch, die Attacke der Iraner in der Nacht zum Mittwoch habe keine Todesopfer gefordert.

Auch andere Länder, darunter Deutschland, Polen, Dänemark und Norwegen, meldeten, dass es unter den von ihnen im Rahmen des internationalen Einsatzes gegen den Islamischen Staat in den Irak entsandten Soldaten keine Opfer gebe. Irakische Truppen waren ebenfalls nicht zu Schaden gekommen.

Wie viel Schaden wollte der Iran wirklich anrichten?

Dass das iranische Militär, das seine Fähigkeiten zuletzt im September beim ultra-präzisen Beschuss saudischer Ölanlagen vorgeführt hat, bei einem so wichtigen Angriff derart versagen könnte, scheint unvorstellbar. Im US-Fernsehen spekulierten Experten darüber, die Raketen könnten von den Iranern absichtlich so programmiert worden sein, dass sie keine Amerikaner treffen. Zudem wurde die irakische Regierung aus Teheran vor dem Beschuss gewarnt, sodass sich die Soldaten rechtzeitig in Bunkern in Sicherheit bringen konnten.

Wie steht Donald Trump jetzt da?

Solange kein amerikanisches Blut vergossen wird, dürfte der US-Präsident sich nicht genötigt sehen, Angriffe auf den Iran anzuordnen, wie er es zuvor angedroht hatte. Sein Auftritt bei der Pressekonferenz am Mittwoch unterstrich das: keine Kriegserklärung, nur weitere Wirtschaftssanktionen. Man könnte in Washington die nächtliche Raketenattacke sogar als sorgfältig dosierte Reaktion auf Soleimanis Tod interpretiert haben, die aber als Signal zu verstehen ist, dass der Iran keine weitere militärische Eskalation wünscht. Trump hat kein Interesse an einem Krieg, der unter seinen Anhängern höchst unpopulär wäre. So blieb eine militärische Reaktion auf den Beschuss der saudischen Ölfelder ebenso aus wie auf den Abschuss einer US-Drohne durch die iranische Armee im Juni. Einen Gegenschlag auf iranische Militäreinrichtungen ließ der Präsident in letzter Minute abblasen. Trump dürfte sich nun sogar als Sieger im jüngsten Kräftemessen mit dem Iran präsentieren. Wenn es ihm gelingt, eine militärische Eskalation auch weiterhin zu vermeiden, muss er nicht mit der Belastung eines neuen Kriegs in den Präsidentschaftswahlkampf ziehen. Gleichzeitig kann er sich von seiner Basis dafür feiern lassen, anders als sein Vorgänger Barack Obama gegenüber dem Iran Stärke gezeigt zu haben.

Wie geht es jetzt weiter?

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Iran weitere Attacken folgen lässt. Während Irans Außenminister Dschawad Sarif sagte, mit den Raketenschlägen sei Irans Reaktion auf Soleimanis Tötung abgeschlossen, betonte ein Kommandeur der Revolutionsgarden, der Angriff sei nur ein erster Schritt gewesen.

Steht der Absturz eines Passagierjets in Teheran im Zusammenhang mit den Angriffen?

Bei dem Crash einer ukrainischen Boeing 737 kurz nach dem Start vom Teheraner Flughafen kamen alle 176 Insassen ums Leben. Die Meldung, dass sich darunter auch Deutsche befanden, bestätigte sich nicht. Die ukrainische Regierung erklärte zunächst, man gehe von einem Triebwerksschaden aus, und schloss einen Terrorakt aus. Später zog Kiew diese Einschätzung zurück. Nun soll eine Untersuchung unter Federführung der iranischen Behörden die Absturzursache klären.

Was weiß man über das Erdbeben?

Der Erdstoß mit einer Stärke von 4,5 erfolgte am frühen Mittwochmorgen. Sein Zentrum lag weniger als 50 Kilometer von Irans einzigem Atomkraftwerk Buschehr entfernt. Sieben Menschen wurden nach Behördenangaben verletzt. Ob es zu Schäden an dem Kraftwerk kam, blieb zunächst offen.

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