Unabhängige Untersuchung US-Armee geht Folter-Vorwurf in Guantánamo nach

Miami (rpo). Die US-Armee reagiert auf wiederholte Vorwürfe von Menschen- und Bürgerrechtlern und will nun mögliche Misshandlungen von Gefangenen im US-Hochsicherheitslager Guantánamo Bay auf Kuba untersuchen lassen. Dennoch kommen die Vereinigten Staaten nicht aus der Kritik heraus. Sie müssen sich bereits mit neuen Folter-Vorwürfen auseinandersetzen.

2008: Gefangenenlager Guantanamo
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Foto: AP

Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU veröffentlichte zu Anfang dieser Woche eine Sammlung von Dokumenten, die diese Vorwürfe stützen sollen. Zu ihnen gehört ein Memo der US-Bundespolizei FBI, in dem die Verhörmethoden dargestellt werden. Demnach wurden etwa Häftlinge mit gefesselten Händen und Füßen gezwungen, bis zu 24 Stunden lang in embryonaler Position auszuharren. Zitiert wurde auch eine Anweisung von US-Präsident George W. Bush, wonach Schlafentzug, der Einsatz von Hunden oder das Überstülpen von Kapuzen erlaubt worden sein sollen, um den Willen der Gefangenen zu brechen.

Die Untersuchung solle von einem "unabhängigen" Offizier geleitet werden, teilte ein Sprecher des Südkommandos der US-Armee am Mittwoch in Miami im US-Bundesstaat Florida mit. Sie solle noch in dieser Woche starten.

Am Freitag soll auch das erste Militärverfahren innerhalb der USA gegen einen Soldaten beginnen, dem Folterungen im Gefängnis Abu Ghraib bei Bagdad vorgeworfen werden. Das Verfahren gegen den Stabsgefreiten Charles Graner soll auf der Militärbasis in Fort Hood in Texas stattfinden. Wegen der Folter in Abu Ghraib waren bereits im vergangenen Jahr drei US-Soldaten von einem US-Militärgericht in Bagdad zu Haftstrafen zwischen acht Monaten und acht Jahren verurteilt worden.

Australischer Guantanamo-Häftling wirft USA Folter vor

Unterdessen hat ein Guantanamo-Häftling mit australischer Staatsbürgerschaft den USA Folter vorgeworfen. Nach seiner Festnahme nahe der afghanischen Grenze in Pakistan Ende 2001 sei er zunächst nach Ägypten gebracht worden, sagte der gebürtige Ägypter Mamdouh Habib laut einem Bericht des australischen Rundfunksenders ABC.

Dort hätten US-Soldaten ihn mit Elektroschocks und unter Einsatz von Hunden misshandelt. Auch sei er routinemäßig geschlagen und noch anderweitig gequält worden. Später sei er dann zum amerikanischen Stützpunkt Guantanamo auf Kuba gebracht worden. Ägypten hat bislang nicht bestätigt, dass sich der 48-jährige jemals auf seinem Territorium aufhielt.

Habib ist einer von 15 Guantanamo-Häftlingen, gegen die demnächst vor einer amerikanischen Militärkommission verhandelt werden soll. Der Sender ABC berief sich in seinem Bericht auf bislang unveröffentlichte Prozessunterlagen.

Syrer berichtet von Elektroschocks und Scheinexekutionen

Auch ein Begleiter der zwei französischen Ex-Geiseln im Irak hat der US-Armee Folter vorgeworfen. Der Syrer Mohamed el Dschundi, der als Fahrer gemeinsam mit den französischen Journalisten monatelang in Geiselhaft der Gruppe Islamische Armee im Irak geraten war, warf den US-Soldaten am Mittwochabend in Paris vor, sie hätten ihn nach der Einnahme der Rebellen-Hochburg Falludscha mit Elektroschocks und Scheinhinrichtungen malträtiert. Dschundi reichte gegen US-General John Sattler Klage wegen "Folter und barbarischen Akten" ein. Die Vorfälle sollen sich zwischen dem 11. und 17. November 2004 ereignet haben.

An den Misshandlungen sollen sich nach den Angaben des 47-jährigen Syrers mindestens fünf US-Militärs beteiligt haben. Dschundi lässt sich von Staranwalt Jacques Vergès vertreten, der in der Vergangenheit unter anderem den als "Schlächter von Lyon" berüchtigten Gestapo-Offizier Klaus Barbie, den Terroristen "Carlos" und den jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic verteidigte.

Vergès sagte, sein Mandant erhebe die Klage mit einem gewissen Zeitverzug, weil er zunächst den glücklichen Ausgang der Geiselnahme der Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot abwarten wollte. Die Reporter, die wie Dschundi am 20. August entführt worden waren, kehrten kurz vor Weihnachten unversehrt nach Frankreich zurück.

(afp)
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