Verteidigungsministerin von der Leyen besucht USA In der Defensive

Washington · Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen besucht die USA, Streitthemen gibt es zuhauf. Besonders beim Verteidigungsetat ist die deutsche Position schwach.

 Ursula von der Leyen mit ihrem US-Kollegen Patrick Shanahan vor dem Pentagon in Washington.

Ursula von der Leyen mit ihrem US-Kollegen Patrick Shanahan vor dem Pentagon in Washington.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Es sind immer die kleinen Gesten, die etwas über die großen Linien der Politik verraten. Eigentlich wollte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nach dem Gespräch mit ihrem US-Amtskollegen Patrick Shanahan vor dem Pentagon ein kurzes Statement abgeben. Das ist so üblich: Wenn man schon gemeinsam nichts zu sagen hat, dann kann der Gast zumindest in einem neutralen Raum oder draußen auf dem Gelände seine Sicht der Dinge über das vorangegangene Gespräch kundtun. Die Amerikaner gewährten von der Leyen dies nicht. So stand sie am Freitag am Airforce Memorial – mit Aussicht auf das Pentagon – und beschwor trotz aller „Irritationen und widersprüchlichen Äußerungen“ im deutsch-amerikanischen Verhältnis Vertrauen und Freundschaft, die in 70 Jahren Nato gewachsen seien.

„Für mich war es die Gelegenheit zu bestätigen, dass Deutschland zu seinen Zusagen steht“, sagte von der Leyen hinterher und verwies auf das Versprechen Deutschlands an die Nato, bis 2024 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Danach sollten die im Bündnis vereinbarten zwei Prozent angestrebt werden, um so einen „fairen Anteil der Lasten“ zu tragen. Von der Leyen, auf Englisch genauso eloquent wie auf Deutsch, wiederholte mehrfach, dass Deutschland seine feste Zusage einhalten werde und dass die gesamte Regierung dahinterstehe. Sie verwies während ihrer zweitägigen US-Reise auch gebetsmühlenartig auf einen sechs Jahre in Folge um insgesamt 30 Milliarden Euro steigenden Verteidigungsetat und darauf, dass Deutschland der zweitgrößte Truppensteller in der Nato sei.

Wirklich glaubwürdig sind diese Versicherungen aus US-Sicht nicht. Wie die Bundesregierung ihre Zusage einhalten will, ist nicht abzusehen. Die Nato taxierte die deutschen Ausgaben für Verteidigung im vergangenen Jahr auf 1,23 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nach der mittelfristigen Planung wird Deutschland bis 2023 auf 1,26 Prozent kommen. Wenn es bis dahin keine Rezession geben sollte, die den relativen Anteil in die Höhe schnellen ließe, müsste von 2023 auf 2024 zusätzlich ein zweistelliger Milliardenbetrag investiert werden, nur um auf 1,5 Prozent zu kommen. Damit ist die Ministerin gegenüber ihren US-Gesprächspartnern dauerhaft in der Defensive.

Der Besuch im Pentagon war ohnehin kein leichter. Die Liste der Streitthemen ist lang: Die Amerikaner werfen den Deutschen vor, sich mit dem Bau der Gaspipeline Nordstream 2 in die Abhängigkeit der Russen zu begeben. Ohnehin würde US-Präsident Donald Trump den Europäern lieber amerikanisches Gas verkaufen. Ein Unding ist aus US-Sicht zudem, dass die Deutschen es erwägen, den chinesischen Digitalriesen Huawei am Ausbau des schnellen 5G-Netzes zu beteiligen. Dass eine Beteiligung der Chinesen mit Blick auf die Sicherheit sensibler Daten keine gute Idee ist, davon muss Shanahan von der Leyen nicht überzeugen. Aber in dieser Frage gibt es bisher keine einheitliche Linie in der Bundesregierung. Auch die Frage der deutschen IS-Kämpfer in Syrien und im Irak, die Deutschland nach Auffassung der Amerikaner zurücknehmen sollte, gehört zu den strittigen Themen.

Umgekehrt war es für von der Leyen wichtig, von den Amerikanern zu hören, dass die ihr Engagement in Afghanistan und in Syrien aufrechterhalten. Nach dem Gespräch mit Shanahan konnte sie Optimismus verbreiten, dass es nicht zu den immer wieder von Trump angekündigten Rückzügen kommt.

Im Pentagon, dem Verteidigungsministerium mit dem wohl weltweit größten Etat, sitzt mit dem 56-jährigen Patrick Shanahan seit Januar ein neuer Mann. Ob er bleibt, ist völlig ungewiss. Er ist Maschinenbauingenieur, war Manager bei Boeing, gilt politisch und militärisch als wenig beschlagen und wurde von Trump vorerst auch nur als Übergangsminister installiert. Mehrfach hat er den Alliierten zugesagt, in die Fußstapfen seines anerkannten Vorgängers James Mattis zu treten. Für die Nato-Verbündeten war Mattis ein Leuchtturm der Vernunft innerhalb der US-Administration. Dem Vier-Sterne-General war es immer wieder gelungen, entgegen den irrlichternden Ansagen des Präsidenten das Vertrauen der Verbündeten in die USA zu erhalten und auch große Schwenks zu verhindern.

Mattis war einen Tag nach Trumps Ankündigung zurückgetreten, die US-Truppen aus Syrien zurückzuziehen. Er werde gehen, damit der Präsident einen Verteidigungsminister bekomme, mit dem er inhaltlich mehr übereinstimme, ließ Mattis in seinem Abschiedsschreiben wissen. Deutlicher kann man ein Zerwürfnis nicht darstellen.

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