Reisewarnung für Türkei Geisterstrände an der türkischen Riviera

Istanbul  · Auf den kilometerlangen Stränden, die sonst um diese Jahreszeit dicht bevölkert sind, verlieren sich nur wenige Einheimische. Am meisten vermissen die Hoteliers die deutschen Gäste.

 Istanbuls Stadtteil Üsküdar an der Küste ist für gewöhnlich gut besucht. Nun fehlen Touristen.

Istanbuls Stadtteil Üsküdar an der Küste ist für gewöhnlich gut besucht. Nun fehlen Touristen.

Foto: AP/Emrah Gurel

Seit Anfang Juni ist der Kapali Carsi wieder geöffnet, der Große Basar in Istanbul. Mit seinen rund 4000 Läden ist das historische Einkaufszentrum eine der wichtigsten Touristenattraktionen der Bosporusmetropole. Aber jetzt heißt es hier: Teetrinken und abwarten. Die meisten Händler sitzen, das Teeglas in der Hand, vor ihren Geschäften. Sie warten vergeblich auf Kundschaft. Vor drei Wochen hob die Türkei die meisten Corona-Beschränkungen auf. Restaurants, Cafés und Geschäfte, Strände und Parks öffneten nach einer zweimonatigen Zwangspause. Die Anfang April eingeführten Ausgangssperren und Reisebeschränkungen wurden aufgehoben. Möglicherweise voreilig – denn die Zahl der Neuinfektionen steigt jetzt wieder.

Von einer Normalität ist das Land noch weit entfernt. Das zeigt sich auch 500 Kilometer Luftlinie südlich vom Bosporus, an der türkischen Riviera. In den Ferienanlagen herrscht Ruhe. Auf den kilometerlangen Stränden, die sonst um diese Jahreszeit dicht bevölkert sind, verlieren sich wenige Einheimische. Ob Antalya, Kemer, Belek oder Side: Die Touristenviertel der Urlaubsorte gleichen Geisterstädten.

Am meisten vermissen die Hoteliers die deutschen Gäste. Die Türkei ist nach Italien und Spanien das drittbeliebteste ausländische Urlaubsziel der Deutschen. Vergangenes Jahr kamen fünf Millionen Deutsche ins Land. Der Tourismus steuert zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Und weil Anleger in den vergangenen Jahren viel Geld aus der Türkei abgezogen haben, ist das Land jetzt mehr denn je auf die Deviseneinnahmen aus dem Tourismus angewiesen.

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Die Türkei hat deshalb ihre Ein- und Ausreisebeschränkungen Mitte Juni aufgehoben. Aber die Hoffnung, damit würden auch deutsche Urlauber wieder an die türkischen Strände strömen, hat sich bisher nicht erfüllt. Denn die Bundesregierung hat ihre Reisewarnung für die Türkei verlängert, vorerst bis zum 31. August. Sie stuft das Land als „Corona-Risikogebiet“ ein. Das bedeutet zwar kein Reiseverbot. Aber wer reist, tut es auf eigene Gefahr. Versicherungen könnten Leistungen verweigern. Und wer aus der Türkei nach Deutschland zurückkehrt, muss damit rechnen, für 14 Tage in Quarantäne zu müssen. Das werden nur wenige Reisende riskieren.

Die deutsche Reisewarnung sorgt für politische Verstimmung in Ankara. Außenminister Mevlüt Çavusoglu äußert „Enttäuschung“. Die Gründe seien „für uns nur schwer zu verstehen“, klagt er. Offen spricht es in Ankara niemand aus, aber man vermutet politische Beweggründe hinter der Reisewarnung.

Bundesaußenminister Heiko Maas gilt nicht als Freund der türkischen Regierung. Maas wolle die Türkei bestrafen, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Deutlicher als viele seiner Amtsvorgänger hat Maas immer wieder Demokratiedefizite unter dem autokratischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan kritisiert. Erdogan kanzelte Maas daraufhin ab: Er sei „ein Mann, der seine Grenzen nicht kennt“, so Erdogan.

Jetzt zerstört die Reisewarnung die Hoffnung der Hoteliers auf eine baldige Rückkehr der deutschen Urlauber. Aber auch türkische Experten machen sich Sorgen. Die gemeldeten Corona-Neuinfektionen, die noch Anfang Juni bei etwa 800 pro Tag lagen, haben sich inzwischen auf etwa 1500 Fälle täglich fast verdoppelt.

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