Putin droht dem Westen „Wir haben in der Ukraine noch nicht einmal richtig angefangen“

Moskau/Kiew · Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Westen zeitgleich zum Außenministertreffen der G20 mit Blick auf den Ukraine-Krieg vor einer direkten militärischen Konfrontation gewarnt.

Wladimir Putin im Kreml.

Wladimir Putin im Kreml.

Foto: AP/Alexei Nikolsky

„Heute hören wir, dass sie uns auf dem Schlachtfeld schlagen wollen. Was soll man dazu sagen? Sollen sie es nur versuchen“, sagte er im Kreml in Moskau bei einem Treffen mit den Chefs der Parlamentsfraktionen. „Jeder sollte wissen, dass wir im Großen und Ganzen noch nichts Ernsthaftes begonnen haben. Zugleich lehnen wir auch Friedensverhandlungen nicht ab.“

Unterdessen rief der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Westen mit Nachdruck zu weiteren Waffenlieferungen auf. Der Freitag ist für die Ukraine der 135. Kriegstag seit Beginn der russischen Invasion.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte, die Ukraine so lange wie nötig zu unterstützen. „Wir werden so lange solidarisch sein - das ist jedenfalls mein Wunsch - wie das notwendig ist, damit die Ukraine sich verteidigen kann gegen den furchtbaren und brutalen russischen Angriff“, sagte er am Donnerstagabend im ZDF. Die Forderung von CDU und CSU, der Ukraine 200 Transportpanzer vom Typ Fuchs zu liefern, fand in der Nacht zum Freitag indes keine Mehrheit im Bundestag.

Kremlchef Putin warf dem Westen erneut vor, „bis zum letzten Ukrainer“ kämpfen zu wollen. „Das ist eine Tragödie für das ukrainische Volk.“ Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak wies dies scharf zurück. Putins Mantra vom „Krieg bis zum letzten Ukrainer“ sei ein weiterer Beweis für den von Russland geplanten „Völkermord“ an den Ukrainern, schrieb Podoljak bei Twitter. Putin greife zu „primitiver Propaganda“.

Der ukrainische Präsident Selenskyj verlangte vom Westen weitere Waffenlieferungen im Krieg gegen Russland. „Je größer die Verteidigungshilfe für die Ukraine jetzt ist, desto eher wird der Krieg mit unserem Sieg enden und desto geringer werden die Verluste aller Länder der Welt sein“, sagte er in einer Videobotschaft. Die Partner hätten genaue Informationen über den Bedarf der Ukraine. „Das gilt sowohl für Luftverteidigung, als auch für moderne Artillerie.“

Die Forderung von CDU und CSU, der Ukraine kurzfristig 200 Transportpanzer vom Typ Fuchs zu liefern, fand derweil keine Mehrheit im Bundestag. Das Parlament stimmte in der Nacht zum Freitag gegen einen entsprechenden Entschließungsantrag der Unionsfraktion. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung vor einem „Ausplündern“ der Bundeswehr gewarnt. „Wir unterstützen die Ukraine mit allem, was möglich und verantwortbar ist. Aber wir müssen die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands gewährleisten“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Zuvor hatte der Bundestag Maßnahmen zur beschleunigten Beschaffung beschlossen, um die Ausrüstung der Bundeswehr rasch zu verbessern. Das am Donnerstagabend verabschiedete Gesetz ermöglicht es für zunächst dreieinhalb Jahre, Aufträge schneller zu vergeben. So können verschiedene Aufträge gemeinsam erteilt und Gemeinschaftsprojekte mit anderen EU-Staaten einfacher realisiert werden.

Bei Beschuss von Orten im Kriegsgebiet Ostukraine wurden erneut Menschen verletzt oder getötet. In der Region Charkiw sprachen die Behörden am Donnerstag von drei Toten und fünf Verwundeten durch russische Angriffe. In den Orten Kramatorsk und Awdijiwka in der Region Donezk starben den Behörden zufolge zwei Menschen, acht wurden verletzt. Russische Angriffe hätten nur zivile Ziele getroffen, erklärte der Gouverneur des Gebiets, Pawlo Kyrylenko. Die prorussischen Separatisten in der Region Donezk sprachen von einem Toten und elf Verletzten durch ukrainischen Beschuss. Berichte aus den Kampfgebieten können nicht unabhängig geprüft werden.

Seit Russland die weitgehende Kontrolle über die ostukrainische Region Luhansk übernommen hat, hat sich der Schwerpunkt der Kämpfe ins benachbarte Donezk verlagert. Im Visier der russischen Armee sind demnach besonders die Städte Kramatorsk und Slowjansk. Putin sagte bei dem Treffen mit den Duma-Fraktionschefs, dass alle Ziele der „Militäroperation“ erreicht würden - „ohne Zweifel“.

Nach seinem angekündigten Rückzug als britischer Premierminister sicherte Boris Johnson Präsident Selenskyj die ungebrochene Unterstützung des Vereinigten Königreichs zu. Wie eine Regierungssprecherin sagte, habe Johnson im Telefonat versichert, dass Großbritannien so lange wie nötig wichtige „Defensivhilfe“ leisten werde. Selenskyj dankte Johnson für dessen „kompromisslose Unterstützung“ seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar.

Die indonesische Außenministerin Retno Marsudi rief zum Auftakt der Beratungen der G20-Außenminister auf der Insel Bali zum Ende des russischen Angriffskrieges in der Ukraine auf. „Unsere Verantwortung ist es, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Und Brücken zu bauen und nicht Mauern“, sagte die Politikerin. Kurz zuvor hatte sie den russischen Außenminister Sergej Lawrow bei seiner Ankunft im Luxushotel Mulia im Badeort Nusa Dua zurückhaltend begrüßt.

Der Krieg in der Ukraine dürfte zu den wichtigsten Themen beim Treffen der G20-Außenminister auf Bali gehören. Erstmals seit Kriegsbeginn ist Russlands Außenminister Lawrow bei einer solchen Konferenz dabei. Der Ukraine-Krieg und auch die Energiekrise werden ebenfalls den Bundesrat beschäftigen. So will die Länderkammer angesichts der Drosselung russischer Gaslieferungen über den verstärkten Einsatz von Kohlekraftwerken für die Stromproduktion beraten. Der Bundestag entscheidet zudem an diesem Freitag über die deutsche Zustimmung zum Nato-Betritt von Schweden und Finnland. Der Schritt Schwedens und Finnlands ist eine unmittelbare Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

(felt/dpa)
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