Tausende bei Unruhen im Libanon Demonstranten stürmen mehrere Ministerien in Beirut

Beirut · Am Samstag haben wütende Demonstranten mehrere Ministerien in der libanesischen Hauptstadt Beirut gestürmt. Von ehemaligen Armeeoffizieren angeführte Protestierende drangen in das Gebäude des Außenministeriums ein und erklärten es zum "Hauptquartier der Revolution".

 Einsatzkräfte stehen mitten in Beirut in den durch einen Molotow-Cocktail entstandenen Flammen.

Einsatzkräfte stehen mitten in Beirut in den durch einen Molotow-Cocktail entstandenen Flammen.

Foto: AP/Hassan Ammar

Wütende Demonstranten haben nach dem Außen- auch das Energieministerium und das Handelsministerium in der libanesischen Hauptstadt Beirut gestürmt. Fernsehbilder zeigten am Samstagabend, wie wütende Menschen in die Gebäude eindrangen. Zuvor hatten hunderte von ehemaligen Militärs angeführte Demonstranten bereits das Außenministerium besetzt und zum "Hauptquartier der Revolution" ausgerufen. Am Abend hat die libanesische Armee die Besetzung des Außenministeriums nach drei Stunden beendet. Soldaten räumten das Gebäude, wie AFP-Reporter beobachteten.

Am Nachmittag waren tausende Menschen durch die Stadt marschiert, um nach der Explosionskatastrophe vom Dienstag gegen die Regierung zu protestieren.

Angesichts der regierungskritischen Proteste hat der libanesische Regierungschef Hassan Diab vorgezogene Neuwahlen angekündigt. Nur so könne die Krise in dem Land überwunden werden, sagte Diab am Samstagabend in einer Fernsehansprache. Er werde seinem Kabinett daher am Montag Neuwahlen vorschlagen.

Beirut ein Tag nach den erschütternden Explosionen
8 Bilder

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Foto: AP/Hussein Malla

Bei den Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sind mindestens 130 Menschen verletzt worden. 28 von ihnen seien in umliegende Krankenhäuser gebracht, 102 vor Ort behandelt worden, teilte das libanesische Rote Kreuz am Samstag über Twitter mit. Ein polizeibeamter soll getötet worden sein.

Die Beiruter gingen auf die zerstörten und mit Trümmern übersäten Straßen, um ihrer Wut auf die politische Elite Luft zu machen. "Rache, Rache bis zum Sturz des Regimes", skandierten sie. Viele Demonstranten hielten Flaggen oder Fotos von Unglücksopfern in die Höhe.

Vereinzelt schwenkten Protestierende auch Schlingen, auf dem Märtyrer-Platz im Zentrum von Beirut waren bereits am Freitag hölzerne Guillotinen errichtet worden. Protestaufrufe in Onlinenetzwerken wurden mit dem Hashtag #HangThem (#HängtSie) versehen. Sicherheitskräfte versuchten die Demonstranten auf dem Weg zum Parlamentsgebäude zurückzudrängen, die Polizei setzte Tränengas gegen Steinewerfer ein. Es sollen sogar Schüsse gefallen sein. Dies bestätigte die Polizei der Nachrichtenagentur Reuters.

Viele Libanesen, die der politischen Elite schon seit langem Korruption und Unfähigkeit vorwerfen, machen die Regierung für die verheerenden Explosionen am Dienstag mit mehr als 150 Todesopfern verantwortlich. Der Libanon steckt schon seit Jahren in einer schweren Wirtschafts- und Währungskrise, die durch die Corona-Pandemie noch verschärft wurde.

"Wir können es nicht mehr ertragen. Wir werden als Geiseln gehalten, wir können das Land nicht verlassen, wir können unser Geld nicht von den Banken abheben. Die Menschen hungern, es gibt mehr als zwei Millionen Arbeitslose", beklagte die Demonstrantin Médéa Azoury. "Und jetzt ist Beirut durch Fahrlässigkeit und Korruption vollständig zerstört worden."

Am Dienstag hatten zwei gewaltige Explosionen den Hafen von Beirut erschüttert. Nach Regierungsangaben waren 2750 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, die jahrelang ungesichert in einer Halle im Hafen lagerten. Die Ursache der Explosionen ist noch unklar. 21 mutmaßliche Verantwortliche wurden festgenommen.

Die Zahl der Todesopfer der Explosionen stieg am Samstag nach Angaben des Gesundheitsministeriums auf 158, die der Verletzten auf mehr als 6000. 21 Menschen werden demnach noch vermisst.

(felt/AFP/REU/dpa)
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