Offenbar fünf Tote durch Nato-Angriff Unmut unter den Gaddafi-Gegnern wächst
Tripolis (RPO). Zwischen den libyschen Rebellen und der Natowachsen die Spannungen, nachdem offenbar Kampfflugzeuge der Allianzversehentlich einen Konvoi der Aufständischen angegriffen hatten. Eswar bereits der zweite derartige Vorfall innerhalb einer Woche.Unter den Bewohnern der Stadt Adschdabija brach Panik aus, weilGerüchte aufkamen, Truppen von Machthaber Muammar al Gaddafi hättenden Angriff zu einem Vorstoß genutzt.
Bei dem vermutlich von der Nato ausgeführten Angriff in der Näheder umkämpften Stadt Brega wurden mindestens fünf Kämpfer derAufständischen getötet. Die Nato kündigte eine Untersuchung an. DieWut unter den Aufständischen wächst aber. "Wir wollen die Nato nichtmehr", rief einer der Kämpfer, Basit bin Nasser. Ein anderer schrie:"Nieder mit der Nato."
Wie angespannt die Lage ist, zeigt sich darin, dass nach demBombardement tausende Zivilisten und Kämpfer aus Adschdabija flohen,weil es hieß, Gaddafis Truppen hätten das Chaos ausgenutzt.
Nach Einschätzung eines führenden US-Kommandeurs, General CarterHam, ist die militärische Lage so festgefahren, dass der Einsatz vonBodentruppen möglicherweise unumgänglich sein könnte, um denKonflikt zu beenden. Für die USA würde das bedeuten, dass sie nachIrak und Afghanistan in einem weiteren muslimischen Land militärischintervenieren würden. US-Präsident Barack Obama hat den Einsatz vonUS-Soldaten in Libyen wiederholt ausgeschlossen. Kleine Teams desUS-Geheimdienstes CIA sollen aber im Land sein.
Rebellenkommandeur Ajman Abdul Karim sagte, mehrere Panzer seien bei Bombardements der Allianz zerstört worden. Außerdem sei ein Konvoi der Gaddafi-Gegner beschossen worden, darunter auch ein Bus mit Kämpfern, die in die Ölstadt Brega gebracht werden sollten.
Ein Arzt im Krankenhaus von Adschdabija sprach von mindestens fünf Toten und 22 Verletzten, von denen einige schwere Verbrennungen erlitten hätten. Weitere Opfer seien von den flüchtenden Kämpfern zurückgelassen worden, sagte Mohammad Idris. Eine Sprecherin der Opposition in Bengasi sprach von bis zu 13 Todesopfern.
Rebellensprecher Abdul Karim erkärte, die Rebellenfahrzeuge seien auf Empfehlung der Nato mit gelber Farbe markiert gewesen, um sie aus der Luft zu identifizieren. Einige Panzer und andere Fahrzeuge habe man aber von den libyschen Streitkräften übernommen und nicht entsprechend markiert. Bereits am vergangenen Samstag waren bei einem Nato-Luftangriff 13 Rebellen getötet worden.
In den vergangenen Tagen hatten libysche Rebellenführer der Nato vorgeworfen, die Luftangriffe der Militärallianz nicht schnell genug auszuführen, um Truppen Gaddafis zu schaden.
Gaddafi-Truppen für Angriff auf Ölfeld verantwortlich gemacht
Die Streitkräfte des Machthabers werfen der Nato unterdessen vor, das größte Ölfeld Libyens angegriffen zu haben. Die Kommandozentrale in Neapel wies die Anschuldigungen vehement zurück und erklärte, vielmehr seien die Gaddafi-Truppen selbst für den Angriff verantwortlich gewesen.
Die libysche Regierung reagierte mit den Anschuldigungen auf Vorwürfe der Opposition, wonach Gaddafi-Truppen für Anschläge auf zwei wichtige Ölfelder im Osten Libyens verantwortlich seien, die zur Einstellung der dortigen Produktion führten. Der stellvertretende Außenminister Chaled Kaim sagte am Mittwoch, britische Luftangriffe hätten das Ölfeld Sarir beschädigt sowie drei Wachmänner und weitere Arbeiter getötet.
Die Rebellen hatten zuvor ihre erste Öllieferung seit Wochen verschifft, nachdem sie in der Vorwoche ein Abkommen mit Katar getroffen hatten. Ein unter liberischer Flagge fahrender Tanker hatte am späten Mittwochabend den östlichen Hafen von Tobruk in Richtung Singapur verlassen. Der Angriff auf zwei Ölfelder hatten die Aussicht der Rebellen auf weitere Ölgeschäfte schwer beeinträchtigt.
Türkei will zwischen verfeindeten Lagern vermitteln
Nach Gesprächen mit den verfeindeten Lagern in Libyen arbeitet die türkische Regierung an einem Friedensplan für das nordafrikanische Land. Damit werde Machthaber Muammar Gaddafi zum Rückzug seiner Truppen aus libyschen Städten aufgefordert, sagte Ministerpräsident Tayyip Erdogan am Donnerstag.
Ein Waffenstillstand, die Einrichtung humanitärer Korridore und Gesetzesänderungen zur Schaffung einer rechtsstaatlichen Demokratie würden ebenfalls angestrebt. Erdogan will seinen Friedensplan in der kommenden Woche der internationalen Kontaktgruppe vorlegen, die die politische Reaktion auf die Libyen-Krise koordiniert.
Ein Sprecher der libyschen Rebellen erteilte Gesprächen mit Gaddafi umgehend eine Absage. Gaddafi müsse erst zurücktreten oder Libyen verlassen, bevor es Verhandlungen geben könne. Erdogans Vorstoß entspreche weder den Vorstellungen des türkischen, noch des libyschen Volkes, sagte der Rebellensprecher im Fernsehsender Al-Arabija.
Die Türkei als muslimisches Nato-Land genießt wachsenden Einfluss im Nahen Osten und in Nordafrika. Erdogan hatte Gaddafi im März noch zu überzeugen versucht, einem gewählten Präsidenten oder einer gewählten Führung die Macht zu übertragen.
Erste Beratungen der Libyen-Kontaktgruppe am Mittwoch
Wie am Donnerstag bekannt wurde, wird die neu gegründete internationale Libyen-Kontaktgruppe erstmals am kommenden Mittwoch zusammenkommen, um das weitere Vorgehen im Konflikt mit Gaddafi abzustimmen. Das Treffen solle in Katar stattfinden, teilte das britische Außenministerium mit.
Teilnehmen sollen unter anderem die USA, Großbritannien und auch die Arabische Liga. Die genaue Zusammensetzung des Teilnehmerkreises werde zurzeit noch erörtert. Die Kontaktgruppe war kürzlich während eines Treffens in London gegründet worden, um den internationalen Militäreinsatz in Libyen politisch zwischen den beteiligten Nationen zu koordinieren.