Land übernimmt EU-Ratspräsidentschaft Ungarn zwischen Zensur und Populismus

Budapest/Brüssel (RPO). Ein Aufschrei geht durch Europa, seit Ungarn sein neues Mediengesetz verabschiedet hat. Zumal das Land am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Dass Ungarn nicht der Ideal-Kandidat für diese Rolle ist, wurde aber schon viel früher deutlich - vor allem seit dem Wechsel der Regierung.

Was im "Vertrag von Lissabon" steht
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Foto: AP

Viktor Orban und seine rechtskonservative Partei Fidesz jubelten, als sie im April dieses Jahres haushoch die Wahlen gewannen. Auch dank der Wirtschaftskrise, denn viele Ungarn machten die bis dahin regierenden Sozialisten für die Misere des Landes verantwortlich.

Und so konnte der Mann, der mit radikaler Rhetorik von sich reden machte, einen wahren Triumph für sich verbuchen. Denn seine Partei errang im Parlament sogar die Zweidrittelmehrheit. Und genau das verschafft Fidesz die Möglichkeit, grundlegende Gesetze allein zu beschließen.

So auch das Mediengesetz, dass es dem kürzlich geschaffenen Medienrat erlaubt, gegen private Publikationen und Internetseiten Geldbußen zu verhängen, falls die Berichte etwa als unausgewogen erachtet werden. Genau das lässt viele befürchten, dass die Pressefreiheit massiv beschnitten wird. Inzwischen hat die Regierung erklärt, sie sei zu Änderungen bereit, sollte sich die Anwendung des Gesetzes als problematisch erweisen.

Rentenversicherungen verstaatlicht

Doch es ist nicht die erste Maßnahme, mit der Orban demonstrierte, wie er es versteht zu regieren. Bereits ein halbes Dutzend Mal hat er so Verfassungsänderungen durchgesetzt. Erst kürzlich wurden in Ungarn die privaten Rentenversicherungen, die es seit 1998 gibt, verstaatlicht. Damit wurden den Bürgern faktisch ihre Ersparnisse genommen, denn mit dem Geld will die Regierung Orban Staatsschulden zurückzahlen und das Defizit in der Rentenkasse verringern.

Dass auch Ungarn sparen muss angesicht seiner schwierigen wirtschaftlichen Lage, ist verständlich. Zumal der Internationale Währungsfonds noch im Juli stärkere Sparmaßnahmen gefordert hat und eine Ratingagentur das Land derart in seiner Kreditwürdigkeit herabgestuft hat, dass es kurz vor dem Ramsch-Status steht. Doch die Verstaatlichung der privaten Renten zeigt ebenso wie das Mediengesetz den schleichenden Weg Ungarns zu einem autoritären Regime.

Was das für die Zukunft des Landes bedeutet, ist abzusehen, wenn man auf Orbans Vergangenheit als Ministerpräsident zurückschaut. Das war er nämlich schon einmal - von 1998 bis 2002. Schon damals machte er mit aggressiven Polemiken gegen Ausländer, Linke und Intellektuelle von sich reden und griff massiv in die demokratischen Institutionen wie das Parlament ein.

Eine kleinere Rolle

Und so verwundert es, dass der Aufschrei der EU erst jetzt kommt. Denn was da auf die Ratspräsidentschaft zukommt, hätte man schon im April ahnen können. Und es ist kaum zu erwarten, dass die Regierung Orban ihren Kurs ändert, bloß weil es Kritik aus der EU gibt.

Beruhigend ist es in diesem Fall zumindest, dass die EU-Ratspräsidentschaft nicht mehr den Rang hat, den sie noch vor Kurzem hatte. Denn seit dem Vertrag von Lissabon gibt es den EU-Ratspräsidenten, und die Macht hat sich auf diesen Posten verschoben.

Das hat sich zuletzt etwa auch bei der Ratspräsidentschaft Belgiens gezeigt. Schon damals gab es Befürchtungen, dass das Land dieser Rolle nicht gewachsen sei angesichts einer zutiefst politisch gespaltenen Regierung. Doch eine wirkliche Rolle hat das Land während seiner Ratspräsidentschaft nicht gespielt, als es um die neuen Maßnahmen gegen die Krise ging.

Auch Ungarn hat sich für seine Ratspräsidentschaft den Kampf gegen die Krise auf die Fahne geschrieben. Wirklich bewirken wird das Land aber nichts. Zu sehr wird der EU-Ratspräsident, werden die großen Mächte Deutschland und Frankreich die Geschicke lenken.

Dennoch: Der politische Weg, den Ungarn gerade einschlägt, wird dem Ansehen der EU nicht gerade zuträglich sein. Und so sollten die Institutionen in Brüssel der Regierung mehr als genau auf die Finger schauen - und das nicht nur während der Ratspräsidentschaft.

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