Finanznot setzt Regierung unter Druck Ungarn deutet Einlenken an

Die Finanzkrise setzt Ungarn gehörig zu. Die auch international umstrittene Regierung hat sich bisher gegen Empfehlungen von außen verwahrt. Nun aber deutet das von der Pleite bedrohte Land die Bereitschaft zu politischen Zugeständnissen an. Ministerpräsident Orban braucht dringend Kredite.

Ungarn: Premier Orban feiert trotz massiver Proteste
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Das außenpolitisch isolierte und von einer Staatspleite bedrohte Land signalisierte nun doch, über das von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF)
kritisierte neue Notenbank-Gesetz zu verhandeln. "Für uns ist es keine Prestigefrage, ob wir an unserem früheren Standpunkt festhalten oder ihn ändern", sagte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban am Sonntag der amtlichen Nachrichtenagentur MTI.

Ähnlich äußerte sich am Tag zuvor sein Außenminister Janos Martonyi. "Wir sind zu Diskussionen bereit", sagte er der Pariser Tageszeitung "Le Figaro" (Samstag). "Auch (zu Diskussionen) über das am häufigsten erwähnte Problem: das Gesetz über die Zentralbank." Der Rechts-Konservative Orban schränkte allerdings am Sonntag ein:
"Bislang hörte ich dazu nur politische Ansichten, aber kein einziges wirkliches Argument dafür, weshalb das Parlament ein bereits beschlossenes Gesetz ändern sollte."

Wegen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten bemüht sich Ungarn seit November um einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU. Die beiden Institutionen wollen aber vorerst keine offiziellen Verhandlungen mit der Regierung Orban aufnehmen, so lange diese nicht ihre umstrittene Politik ändert. IWF und EU sehen die Unabhängigkeit der ungarischen Nationalbank gefährdet.

Der für die IWF-Verhandlungen zuständige ressortfreie Minister Tamas Fellegi will am kommenden Mittwoch zu informellen Gesprächen mit dem IWF nach Washington reisen. Dabei soll sondiert werden, inwieweit Budapest zu einem Kurswechsel bereit ist.

Die finanzielle Lage des EU-Landes hatte sich in den vergangenen Tagen und Wochen dramatisch verschärft. Am Freitag stufte als letzte der drei großen Ratingagenturen auch Fitch die Kreditwürdigkeit Ungarns auf Ramsch-Niveau herab. Das Land kämpft außerdem mit dem Verfall der nationalen Währung Forint und hohen Aufschlägen bei der Kreditbeschaffung auf den freien Märkten.

Die für Ungarn bedrohliche Entwicklung ist eine Folge der aggressiven Wirtschaftspolitik der Regierung Orban. Unter anderen hatte diese - gegen den ausdrücklichen Rat von IWF und EU - die Unabhängigkeit der Notenbank durch eine Gesetzesnovelle stark eingeschränkt.

Demnach kann nun Orban einen weiteren Vize-Gouverneur der Nationalbank und zwei weitere Mitglieder ihres Monetärrates einsetzen. EU und IWF befürchten, dass die Regierung auf diese Weise direkten Einfluss auf die Notenbank nimmt, was gegen EU-Recht verstoßen würde. Außerdem eröffnet das neue Gesetz die Möglichkeit, die Nationalbank mit der Finanzmarktaufsicht zu fusionieren, um damit den von Orban wenig gelittenen Notenbank-Gouverneur Andras Simor zu entmachten.

Brüssel hatte bereits angekündigt, möglicherweise ein Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge einzuleiten. Die EU-Kommission will sich am kommenden Mittwoch bei ihrer wöchentlichen Sitzung mit der umstrittenen Gesetzesreform in Ungarn befassen, wie ein Sprecher gesagt hatte. Ungarn drohen Sanktionen bis hin zum Entzug des Stimmrechts bei Treffen der EU-Regierungen.

Falls sich Ungarn mit IWF und EU nicht auf ein Kreditabkommen einigen kann, ist eine Pleite des Landes wahrscheinlich. Ungarn gehört zwar nicht zur Euro-Zone - allerdings hat die Krise dennoch Auswirkungen auf den Rest der EU. Vor allem im Euro-Land Österreich ist die Sorge groß, die in Ungarn stark engagierten Banken könnten in den Sog einer Ungarn-Pleite gerissen werden. Die Zinsen für österreichische Staatsanleihen sind zuletzt stark gestiegen.

(dpa)
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