Beobachter erreichen Tremseh UN prüft mutmaßliches Massaker in Syrien

Damaskus · Gut zwei Tage mussten sie warten, nun sind UN-Beobachter in Tremseh. In dem syrischen Dorf haben Regierungstruppen nach Angaben von Aktivisten ein Massaker mit bis zu 250 Toten angerichtet. Kommt jetzt Licht ins Dunkel?

Die wichtigsten Gruppierungen der syrischen Opposition
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Foto: dapd, Mohammad Hannon

Zwei Tage nach dem verheerenden Blutbad im syrischen Tremseh haben UN-Beobachter Untersuchungen in dem Dorf gestartet. "Die UN-Fahrzeuge sind nun in Tremseh, und das Team macht Fotos", sagte ein Aktivist am Samstag der Nachrichtenagentur dpa am Telefon.

Das Massaker in Tremseh, bei dem nach Angaben von Aktivisten am Donnerstag bis zu 250 Menschen getötet worden waren, hatte weltweit Entsetzen ausgelöst und die Diskussion über ein Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft angeheizt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte, sollte die Staatengemeinschaft jetzt nicht handeln, käme dies einer "Lizenz für weitere Massaker" gleich.

Bei einer Explosion in dem vorwiegend christlichen Ort Mahradeh kamen nach Angaben des oppositionellen Syrischen Beobachtungszentrums für Menschenrechte am Samstag mindestens vier Menschen ums Leben.

Unter den Toten seien zwei Frauen und ein 13 Jahre alter Junge, das andere Opfer sei ein Mitglied der Sicherheitskräfte gewesen. Der Sprengsatz detonierte den Angaben zufolge vor einem Gebäude des Militärgeheimdienstes. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete, ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen habe die Explosion verursacht.

Mahradeh gehört zur gleichen Region wie das sunnitische Dorf Tremseh in der Unruheprovinz Hama. Wenn die Angaben der syrischen Regimegegner stimmen, ist das Massaker von Tremseh das schlimmste seit Beginn des Aufstandes gegen das Regime von Machthaber Baschar al-Assad im März 2011.

In der Rebellenhochburg Homs töteten Regierungstruppen am Samstag mindestens 19 Menschen, darunter eine schwangere Frau, wie Aktivisten berichteten. In der Unruheprovinz Daraa hätten Hunderte Soldaten, begleitet von Kampfhubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen, die Rebellenhochburg Khirbet Ghasaleh angegriffen. Auch aus Hama wurden Explosionen und Feuergefechte gemeldet. Mindestens zwölf Menschen starben, als eine Autobombe im Distrikt Al-Karameh detonierte.

Neue Berichte über Transporte von Chemiewaffen in Rebellenhochburgen alarmierten Beobachter. Der britische Sender Sky News meldete unter Berufung auf britische Geheimdienstmitarbeiter, syrische Streitkräfte hätten Chemiewaffen nach Homs transportiert, das zu weiten Teilen von Rebellen kontrolliert wird.

Nach früheren Angaben des "Wall Street Journal" ist das syrische Regime dabei, Chemiewaffen aus den Lagern zu holen. Unklar sei, ob die Waffen vor Aufständischen in Sicherheit gebracht oder einsatzbereit gemacht würden, womöglich auch nur als Drohgebärde, zitierte das Blatt US-Regierungsvertreter. Syrien besitze größere Mengen des Nervenkampfstoffes Sarin und Senfgas.

Nach UN-Angaben hatte sich ein Beobachterteam am Vorabend Tremseh bereits bis auf sechs Kilometer genähert. Auf Bildern und in Videos im Internet waren UN-Fahrzeuge nahe Tremseh zu sehen, die von Menschen umringt wurden. Diese zeigten den Beobachtern blutgetränkte Kleidung und Überreste von Granaten. "Das sind russische Waffen", rief ein wütender Mann. Russland ist der wichtigste Verbündete und Waffenlieferant des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad. Die Veto-Macht blockiert im UN-Sicherheitsrat alle Resolutionen, die ein schärferes Vorgehen gegen Damaskus ermöglichen würden.

UN-Generalsekretär Ban verurteilte "in schärfster Form den rücksichtslosen Einsatz schwerer Waffen und den Beschuss bewohnter Gebiete, darunter auch durch Kampfhubschrauber". Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sieht in dem Einsatz schwerer Waffen und Helikopter einen "eklatanten Verstoß" des Regimes gegen die Vereinbarungen des Friedensplans von Sondervermittler Kofi Annan.

US-Außenministerin Hillary Clinton warf dem Regime vor, absichtlich Zivilisten zu ermorden. Dafür gebe es "unbestreitbare Beweise", erklärte Clinton. Auch sie forderte die Weltgemeinschaft zum Handeln auf.

Syrische Aktivisten hatten berichtetet, dass die Armee Tremseh erst mit Artillerie beschossen und dann Truppen in den Ort geschickt habe. Die Soldaten hätten Kämpfer der Opposition erschossen und Zivilisten massakriert. Außerhalb des Dorfes seien Fliehende getötet worden. Auch Exekutionen habe es gegeben. Die meisten der 7000 Einwohner des nun zerstörten Dorfes hätten mit der Opposition sympathisiert. Seit Freitagabend herrsche dort "relative Ruhe".

Die Annahme eines von mehreren westlichen Staaten im Weltsicherheitsrat eingebrachten Resolutionsentwurfs zu Syrien scheitert bislang am Widerstand Russlands, da er Sanktionen für den Fall enthält, dass sich die Konfliktparteien nicht an die Beschlüsse der Weltgemeinschaft halten. Moskau lehnt eine Resolution nach Kapitel VII der UN-Charta strikt ab. Dieses sieht für den äußersten Fall auch eine militärische Durchsetzung vor.

(dpa)
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