Fast 100 Menschen getötet UN-Beobachter bestätigen Blutbad in Syrien

Damaskus/Beirut · Das Assad-Regime geht immer blutiger gegen seine Bürger vor. Granaten und Raketen haben nach UN-Angaben bei Homs fast 100 Menschen zerrissen, unter ihnen mehr als 30 Kinder. Die internationale Gemeinschaft fordert die Bestrafung der Verantwortlichen.

Assads Blutvergießen nimmt kein Ende
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Assads Blutvergießen nimmt kein Ende

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Schreckliches Blutbad in Syrien: Truppen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad haben mit Kanonen und Raketenwerfern die Siedlung Taldo bei Al-Hula beschossen. UN-Beobachter, die sich am Samstag am Schauplatz in der Provinz Homs umsahen, bestätigten den Tod von 92 Menschen, darunter 32 Kinder. Außenminister Guido Westerwelle kritisierte das Regime in Damaskus wegen des Blutbads scharf. Die Verantwortlichen für das Verbrechen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, verlangte Westerwelle in Berlin.

Es handelte sich um eine der schlimmsten Gräueltaten des Assad-Regimes seit Ausbruch der Proteste vor 15 Monaten. Robert Mood, der Chef der UN-Beobachtermission in Syrien, sprach am Samstag vor der Presse in Damaskus von einer "brutalen Tragödie". Nabil al-Arabi, der Generalsekretär der Arabischen Liga, bezeichnete das Geschehene als "grauenhaftes Verbrechen". Das staatliche syrische Fernsehen zeigte Aktivisten-Videos von den Opfern und behauptete, die Dorfbewohner seien von "terroristischen Banden" massakriert worden.

Die Informationen über den massenhaften Tod der Zivilisten in Al-Hula drangen am Samstag zunächst bruchstückhaft an die Öffentlichkeit. Wie der Exil-Aktivist Ahmed Kassem der Deutschen Presse-Agentur dpa in Beirut darlegte, hätten seine eigenen Eltern, mit denen er am Samstag telefonieren konnte, das Artilleriefeuer auf Taldo nur mit viel Glück überlebt.

Seinem Bericht zufolge schlugen die ersten Granaten mitten in die wöchentliche Protestkundgebung unbewaffneter Bürger nach dem Freitagsgebet ein. Bereits dies habe ein große Zahl an Opfern gefordert. Danach hätten die Truppen die Wohnhäuser Taldos unter Feuer genommen. Hunderte Granaten und Raketen sollen niedergegangen sein. Auch das Haus von Kassems Eltern sei getroffen worden. Diese hätten überlebt, weil sie rechtzeitig Schutz im Freien gesucht hätten.

Kassem widersprach auch ersten Darstellungen aus Exil-Kreisen, wonach viele Zivilisten von regimetreuen Freischärlern mit Schusswaffen und Messern niedergemetzelt worden wären. Unter Berufung auf Angaben seines Vaters erklärte er entschieden: "Ja, es ist ein neues Massaker, aber alle Opfer, alle unschuldigen Kinder wurden von den Granaten des Assad-Regimes getötet."

Die Wirkung war nach Oppositionsangaben auch so verheerend genug. Von Aktivisten ins Internet gestellte Videos zeigten zerfetzte und blutige Leichen von Familien mit Kindern in verschiedenen Wohnräumen. Aus Angst vor weiteren Angriffen setzte eine Massenflucht aus Taldo ein. Die Menschen zögen ins Landesinnere, wie die in London ansässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte.

Der Syrische Nationalrat forderte die Einberufung des UN-Sicherheitsrates, um die Verantwortlichen für das mutmaßliche Massaker festzustellen. Die Freie Syrische Armee (FSA) forderte die UN dazu auf, sich auf ihre Verantwortung zu besinnen und die Gewalt in Syrien zu stoppen. Täten sie dies nicht, fühle sich die FSA nicht mehr weiter an die geltende Waffenruhe gebunden, hieß es in einer Erklärung der Rebellen-Streitkraft.

Auch Außenminister Westerwelle forderte Konsequenzen. Das Assad-Regime müsse die Gewalt sofort einstellen, den Friedensplan des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan in vollem Umfang umsetzen und vorbehaltlos mit den UN-Beobachtern zusammenarbeiten. "Es ist schockierend und empörend, dass das syrische Regime seine brutale Gewalt gegen das eigene Volk nicht einstellt."

Doch ungeachtet der empörten Reaktionen der internationalen Gemeinschaft ging das Sterben in Syrien auch am Samstag weiter. Nach Angaben von Aktivisten kamen bei Angriffen der Regierungstruppen 47 Menschen ums Leben. Darunter seien auch 18 fahnenflüchtige Soldaten, meldeten die Regimegegner. Sieben dieser Soldaten seien in Aleppo erschossen worden, als sie versuchten, sich von der Truppe zu entfernen. In der Provinz Idlib seien die Leichen von zehn weiteren Deserteuren gefunden worden. Die Soldaten seien alle durch Kopfschüsse getötet worden. In Idlib und im Großraum Damaskus habe es insgesamt die meisten Opfer gegeben.

In Syrien unterdrückt das Assad-Regime seit fast 15 Monaten mit brutaler Gewalt eine anfangs friedliche Protestbewegung, die inzwischen stellenweise in einen bewaffneten Aufstand umgeschlagen ist. Die etwas mehr als 250 UN-Beobachter sind seit Mitte April unbewaffnet im Land. Sie überwachen eine kurz vor ihrem Eintreffen vermittelte Waffenruhe, die aber nur auf dem Papier existiert. Waffenruhe und UN-Einsatz sind Teil des Friedensplans des UN-Vermittlers Annan. Der ehemalige UN-Generalsekretär (1997-2006) wird am Montag zu Gesprächen in Damaskus erwartet.

(dpa)
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