Kommentar zur Parlamentswahl Ukrainer haben gezeigt, dass sie für eine Politik des Ausgleichs sind

Meinung | Moskau/Kiew · Stellen wir uns vor, in Deutschland seien Bundestagswahlen. In ganz Deutschland – nur nicht in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Denn Schleswig-Holstein, meerumschlungen wie die Krim, ist nach einer Annexion nun dänisches Gebiet. Und Mecklenburg-Vorpommern wird von pro-dänischen Separatisten kontrolliert, die eine Bundestagswahl auf ihrem Terrain nicht zulassen.

Oktober 2014: Die Ukrainer wählen ein neues Parlament
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Stellen wir uns vor, in Deutschland seien Bundestagswahlen. In ganz Deutschland — nur nicht in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Denn Schleswig-Holstein, meerumschlungen wie die Krim, ist nach einer Annexion nun dänisches Gebiet. Und Mecklenburg-Vorpommern wird von pro-dänischen Separatisten kontrolliert, die eine Bundestagswahl auf ihrem Terrain nicht zulassen.

Sicher, man mag sich das nicht ausmalen. Aber es hilft, die Sache gedanklich durchzuspielen, um die gegenwärtige Situation in der Ukraine zu verstehen. Die neu gewählte Werchowna Rada wird nur noch einen Rumpfteil des Landes repräsentieren. 27 der 450 Abgeordnetensessel bleiben leer — die der Parlamentarier von der Krim und aus dem Osten des Landes. Das bedeutet zwangsläufig: Diese Teile der Ukraine werden sich in Zukunft anders entwickeln als der Rest. Denn die Entscheidungen des Parlaments in Kiew haben keinen Einfluss mehr auf sie. Auf der Krim gelten ohnehin schon russische Verordnungen und russisches Recht. Und in der Ostukraine sind die diversen Rebellenführer dabei, eigene Wahlen und eigene Institutionen vorzubereiten.

Damit hat Wladimir Putin Fakten geschaffen. Nur elf Monate, nachdem Präsident Viktor Janukowitsch unter dem Druck des Kremls das Assoziierungsabkommen mit der EU ablehnte und damit die Maidan-Proteste auslöste, ist die Ukraine als territorial einheitlicher Staat zerstört. Ihre einstigen Bestandteile werden zwangsläufig auseinanderdriften. Und im Osten ist ein "frozen conflict" entstanden, den Moskau jederzeit wieder aufleben lassen kann, um die Ukraine weiter zu destabilisieren.

Angesichts dieser schweren Probleme ist es ein kleines Wunder, dass sich bei dieser Wahl das gemäßigte Regierungslager durchsetzen konnte. Allen Unkenrufen zum Trotz ist es den nationalistischen Populisten nicht gelungen, größere Wählergruppen für sich zu gewinnen. Die nationalistische "Radikale Partei" von Oleh Ljaschko und die "Swoboda" von Oleg Tjagnibok werden zwar im Parlament vertreten sein — aber nur als kleine Oppositionsparteien. Damit haben die ukrainischen Wähler gezeigt, dass sie für eine Politik des Ausgleichs sind.

(RP)
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