Nach Aufruf eines Oligarchen Zehntausende protestieren gegen Separatisten in Ostukraine

Doenzk/Moskau · Lange haben die Oligarchen in der Ostukraine dem Treiben der Separatisten zugesehen. Jetzt ruft der reichste Mann des Landes zur Gegenwehr – und Zehntausende folgen. Wladimir Putin sucht in Shanghai den Schulterschluss mit China.

 Mit Fahnen demonstrieren sie gegen die Separatisten, die Ostukrainer - hier in einem Stadion.

Mit Fahnen demonstrieren sie gegen die Separatisten, die Ostukrainer - hier in einem Stadion.

Foto: afp, ss/RT

Lange haben die Oligarchen in der Ostukraine dem Treiben der Separatisten zugesehen. Jetzt ruft der reichste Mann des Landes zur Gegenwehr — und Zehntausende folgen. Wladimir Putin sucht in Shanghai den Schulterschluss mit China.

Der Druck auf die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine wächst. Mit Warnstreiks und Hupkonzerten forderten am Dienstag Zehntausende Bürger ein Ende der Gewalt in der Region, die seit Wochen von Kämpfen erschüttert wird. Sie folgten damit einem Aufruf des Oligarchen Rinat Achmetow, der wenige Tage vor der Präsidentenwahl zum friedlichen Widerstand gegen die Separatisten aufrief und die militanten Kräfte als "Banditen und Marodeure" bezeichnete.

Russland baut unter dem Eindruck der Krise seine Partnerschaft mit China aus. Präsident Wladimir Putin traf am Dienstag zum Auftakt seines Staatsbesuches in Shanghai mit Staats- und Parteichef Xi Jinping zusammen. Die beiden Großmächte wollen nicht nur militärisch, sondern auch bei der Energieversorgung enger zusammenarbeiten. Ein Durchbruch in den Verhandlungen über ein neues Gasabkommen stand zunächst aber noch aus. Damit könnte sich das Russland unabhängiger von europäischen Gaskunden machen.

Moskau und Peking forderten alle politischen Gruppen in der Ukraine zu Gesprächen auf. In einer gemeinsamen Erklärung plädierten beide Seiten für eine Deeskalation. In einem landesweiten Dialog solle ein Konzept für die Entwicklung einer Verfassung erarbeitet werden, zitierte die Nachrichtenagentur Itar-Tass aus dem Dokument.

Am Sonntag wird ein neuer Präsident gewählt

In der Ukraine soll am Sonntag ein neuer Präsident gewählt werden. Im umkämpften Osten des Landes konnten die Vorbereitungen jedoch vielerorts noch nicht beginnen. An diesem Mittwoch soll ein dritter Runder Tisch zur Lösung der Krise stattfinden. Die Regierung in Kiew hat bereits eingeräumt, dass in weiten Teilen von Donezk und Lugansk keine Abstimmung möglich sein wird.

Separatistenführer hatten am Montag angekündigt, die Ergebnisse der Wahl nicht anzuerkennen. Zugleich beschworen sie die Bevölkerung, endlich zu den Waffen zu greifen. "Ich hätte nie gedacht, dass sich in der ganzen Region nicht einmal 1000 Männer finden, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren", sagte der "Verteidigungsminister" der selbst ernannten "Volksrepublik Donezk", Igor Strelkow, in einem Video.

Der reichste Mann der Ukraine, Rinat Achmetow, reagierte darauf mit einer eigenen, aufsehenerregenden Videobotschaft: "In den Städten herrschen Banditen und Marodeure. Die Menschen sind es leid, in Angst zu leben", sagte der Oligarch. "Mit Maschinenpistolen durch die Städte des Donbass zu laufen - sollen so die Rechte der Donezker vor der Zentralregierung gewahrt werden?" Das Vorgehen der Separatisten sei ein Kampf gegen die Bürger. "Das ist ein Völkermord am Donbass."

Zehntausende Bürger reagierten darauf am Dienstag mit kurzfristigen Arbeitsniederlegungen und ohrenbetäubendem Autohupen. Beobachter werteten die Reaktionen als wichtige Geste in dem Konflikt. Die moskautreuen Aktivisten kommentierten den Aufruf mit Schärfe. Achmetow habe sich "für den Terror" gegen das Volk entschieden, sagte Separatistenführer Denis Puschilin.

Erste EU-Hilfstranche für Ukraine

Die Führung in Kiew setzt ihre "Anti-Terror-Operation" im Osten des Landes unterdessen fort. Bei einem Schusswechsel nahe der Separatisten-Hochburg Slawjansk seien mindestens vier Soldaten leicht verletzt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit.

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Putin am Montagabend in einem Telefonat auf, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Präsidentenwahl in der Ukraine zu unterstützen und das Ergebnis anzuerkennen. Der Kreml hatte zuvor mitgeteilt, Putin habe den Abzug russischer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine angeordnet.

Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Dienstag, die Einheiten hätten ihre geplanten Manöver abgeschlossen, der Abzug erfolge in Etappen und per Zug. Die Nato hatte aber auch am Dienstag zunächst keine Hinweise auf einen Truppenrückzug. Es habe bisher auf Satellitenbildern "keinerlei Bewegung" gegeben, hieß es in Brüssel. Die Nato hat die Zahl russischer Soldaten im Grenzbereich bisher auf 35.000 bis 40.000 beziffert.

Die EU-Kommission überwies am Dienstag 100 Millionen Euro an die Ukraine. Das Geld ist nach Angaben der Kommission in Brüssel der erste Teil einer Budgethilfe in Höhe von insgesamt 1,6 Milliarden Euro. Eine zweite Tranche von 500 Millionen Euro werde "in den nächsten Wochen" überwiesen, sobald eine Absichtserklärung über die Verwendung des Geldes vom Parlament in Kiew beschlossen worden sei.

Klitschko will Ende der Mahnwachen

Der ukrainische Politiker und frühere Boxchampion Vitali Klitschko rief derweil die prowestliche Protestbewegung in Kiew zur Beendigung ihrer seit November andauernden Mahnwachen auf. Der Machtwechsel und die bevorstehende Präsidentenwahl hätten das Land auf einen europäischen Kurs gebracht, sagte er in der Hauptstadt.

"Der Maidan hat seine Mission erfüllt", betonte Klitschko, der an diesem Sonntag für das Bürgermeisteramt in Kiew kandidiert. Es sei nicht mehr nötig, dass zum Beispiel 70-Jährige vor dem Parlament oder auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) ausharren würden: "Zur öffentlichen Ordnung ist heute die Polizei da."

(dpa)
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