Russische Angriffswelle Ukraine wirbt internationale Hilfe an - Die Nacht im Überblick

Kiew · Russische Luftangriffe haben die Strom- und Wasserversorgung der Ukraine schwer getroffen. Unterdessen erlebt Russland vor der UN eine Schlappe - und Belarus scheint eine Militärankündigung zurückzurudern. Ein Überblick zum Geschehen in der Nacht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj während seiner täglichen Videoansprache am Montag.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj während seiner täglichen Videoansprache am Montag.

Foto: dpa/-

Nach den schweren russischen Raketenangriffen auf viele Großstädte der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj den Widerstandswillen seines Landes betont. „Die Ukraine lässt sich nicht einschüchtern, sie lässt sich nur noch mehr vereinen“, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache am Montag in Kiew. Bei den Angriffen wurden nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums vom Abend landesweit 14 Menschen getötet und fast 100 verletzt. Für das angegriffene Land ist es nun der 230. Kriegstag.

Angesichts der von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordneten Eskalation des Angriffskrieges versuchte die Ukraine weitere internationale Hilfe zu mobilisieren. In seinem Video listete Selenskyj alle Gespräche mit internationalen Partnern wegen der Raketenangriffe auf. Er habe mit Kanzler Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Polens Staatschef Andrzej Duda und UN-Generalsekretär António Guterres gesprochen. Weitere Gespräche gab es mit den Regierungschefs Justin Trudeau (Kanada), Mark Rutte (Niederlande) und Liz Truss (Großbritannien).

US-Präsident Biden sagte der Ukraine angesichts der massiven russischen Luftangriffe fortdauernde Unterstützung zu. Dazu gehörten auch weitere moderne Flugabwehrsysteme, wie er in einem Telefonat mit Selenskyj sagte.

Bei den Rüstungslieferungen habe Flugabwehr derzeit die höchste Priorität, betonte auch der ukrainische Präsident. Die USA sollten auch Führung zeigen bei einer harten Haltung der G7 und bei Unterstützung für eine Verurteilung Russlands durch die UN-Vollversammlung, schrieb er nach dem Gespräch auf Twitter. Die Siebenergruppe führender westlicher Industriestaaten (G7) will am Dienstag in einer Videokonferenz über die verschärften russischen Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine beraten.

Weiterhin fehlen unabhängige Berichte über die Auswirkungen der russischen Raketenangriffe. Offizielle Mitteilungen der Kriegsparteien können indes von Eigeninteressen gefärbt sein. Nach eigenen Angaben stand der ukrainische Präsident Selenskyj bei seiner Videoansprache an einer beschädigten Straßenkreuzung nahe der Universität von Kiew. Üblicherweise werden seine Videos im Präsidialamt aufgezeichnet. Am Montagabend waren hinter Selenskyj nun Bagger, Lastwagen und anderes Räumgerät zu sehen.

In vielen Städten seien die kommunalen Dienste dabei, die unterbrochene Strom- und Wasserversorgung zu reparieren, sagte Selenskyj. Er rief die Bevölkerung auf, möglichst keine Geräte mit großem Verbrauch zu nutzen. „Je mehr Ukrainer Strom sparen, desto stabiler funktioniert das Netz.“ In der Hauptstadt fiel der Verbrauch nach Angaben des Versorgers Ukrenergo tatsächlich um gut ein Viertel niedriger aus als sonst an einem Herbstabend. Die Kiewer Polizei verstärkte in der Nacht zum Dienstag ihre Patrouillen.

Putin nannte den Raketenbeschuss eine Reaktion auf angebliche ukrainische Angriffe gegen russisches Gebiet. Am Samstag hatte eine Explosion die 19 Kilometer lange Brücke erschüttert, die Russland und die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet.

In St. Petersburg soll Putin am Dienstag laut Kreml den Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Rafael Grossi verhandelt nach eigenen Angaben mit Kiew und Moskau über eine Schutzzone um das von Russland eingenommene ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja, um die Gefahr eines Unfalls zu bannen.

Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson - diese vier ukrainischen Gebiete hat Moskau Ende September zu Teilen Russlands erklärt. In der UN scheiterte Russland mit dem Versuch, eine Abstimmung in der UN-Vollversammlung über seine Referenden in der Ukraine geheim abhalten zu lassen. Das Gremium von 193 Ländern votierte mit 107 Stimmen dafür, die für Mittwoch erwartete Abstimmung öffentlich zu vollziehen. Dagegen stimmten 13 Staaten, 39 enthielten sich der Stimme und die übrigen Länder votierten nicht. Die Resolution soll Russlands „illegale, sogenannte Referenden“ verurteilen wie auch die „versuchte illegale Annexion“ der vier zugehörigen ukrainischen Regionen. Russland hat argumentiert, wegen westlichen Drucks sei eine geheime Abstimmung notwendig, da es sonst „sehr schwierig werden könnte, wenn die Positionen öffentlich dargelegt werden“.

Zuvor hatte die Ukraine in einer Dringlichkeitssitzung der UN-Vollversammlung gefordert, die völkerrechtswidrige Annexion zu verurteilen. „Die so genannten Referenden standen in keiner Beziehung zu dem, was wir Ausdruck des Volkswillens nennen - weder aus rechtlicher noch aus technischer Sicht“, sagte der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kislizia. Er forderte das größte UN-Gremium zu einer Resolution auf, die von Russland verlangt, seine Handlungen rückgängig zu machen. Das Votum über die Resolution zur Verurteilung Moskaus gilt als globaler Stimmungstest zum Ukraine-Krieg. Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja beklagte indes eine „gefährliche Polarisation“ bei den UN und eine Blockbildung, die die internationale Zusammenarbeit untergrabe.

Nachdem der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko am Montag zunächst mit der Ankündigung für Wirbel gesorgt hatte, Tausende russische Soldaten in seinem Land zu stationieren, meldete sich sein Verteidigungsminister zu Wort - und schloss eine aktive Teilnahme seines Landes an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine aus. „Wir wollen nicht gegen Litauer kämpfen, oder Polen, oder Ukrainer“, sagte der belarussische Verteidigungsminister Viktor Chrenin in einer Videobotschaft am Montag.

Wegen der Eskalation des russischen Krieges gegen die Ukraine rechnet das UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) mit neuen Vertriebenen. Wenn Menschen durch die Zerstörungen keine Bleibe, keine Heizung und Versorgung mehr hätten, werde die Zahl derer steigen, die andernorts Zuflucht suchen, sagte UNHCR-Chef Filippo Grandi in Genf.

Allerdings sei die Ukraine mit internationaler Unterstützung heute besser vorbereitet als zu Kriegsbeginn im Februar, Landsleute in den vom Krieg weniger betroffenen Landesteilen aufzunehmen. Deshalb bedeute die Eskalation nicht unbedingt eine neue Welle von Flüchtlingen in den Nachbarländern. In der Ukraine sind laut Grandi derzeit sechs bis sieben Millionen Menschen vertrieben. Rund vier Millionen Menschen hätten in anderen Ländern Schutzstatus beantragt.

Nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers Roderich Kiesewetter müssen die Menschen in Deutschland erkennen, dass Russlands Krieg gegen die Ukraine länger dauern könnte. „Auch unsere Bevölkerung muss darauf eingestellt werden, dass dieser Krieg womöglich noch zwei Jahre gehen kann und dass er sich ausweitet“, sagte er dem Sender Welt.

Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble stimmte die Menschen angesichts der Energiekrise auf Entbehrungen im Winter ein. „Darüber muss man nicht jammern, sondern man muss erkennen: Vieles ist nicht selbstverständlich“, sagte Schäuble dem Sender Bild-TV. Auch sollte man ein paar Kerzen, Streichhölzer und eine Taschenlampe zu Hause haben - für den Fall eines Stromausfalls, riet der CDU-Politiker.

(peng/dpa)
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