Ukraine-Krieg Selenskyj will im Fall von Annexion nicht mit Putin verhandeln

Kiew · Aus vier russisch kontrollierten Gebieten der Ukraine werden hohe Zustimmungsraten für einen Beitritt zu Russland gemeldet. Präsident Selenskyj prangert das Vorgehen als Farce an – und bezeichnet Verhandlungen mit Putin unter diesen Umständen als unmöglich.

Ukraine-Krieg: Scheinreferenden in Luhansk, Donezk, Cherson & Co.
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So liefen die Scheinreferenden in den von Russland besetzten Gebieten

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Foto: dpa/Efrem Lukatsky

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Verhandlungen mit Kremlchef Putin bei einer Annexion von russisch besetzten Gebieten in seinem Land ausgeschlossen. Solange Putin der russische Präsident sei, gäbe es in einem solchen Fall nichts zu bereden, sagte Selenskyj dem Weltsicherheitsrat per Videolink aus Kiew. Erneut forderte er die „komplette Isolation“ Russlands und harte neue Sanktionen gegen das Land.

Am Dienstagabend vermeldeten vom Kreml eingesetzte Wahlbeamte in den russisch kontrollierten Regionen Luhansk und Cherson sowie in den besetzten Gebieten der Regionen Donezk und Saporischschja Ergebnisse von Scheinreferenden über eine Angliederung an Russland. In der Region Saporischschja habe die Zustimmungsrate für einen Beitritt bei 93 Prozent gelegen, bei 87 Prozent in Cherson, bei 98 Prozent in Luhansk und in Donezk bei 99 Prozent, hieß es.

Die Scheinreferenden hatten am 23. September begonnen. Oft gingen Soldaten von Tür zu Tür und sammelten Unterschriften ein. Einwohner wurden gefragt, ob sie für einen Beitritt ihrer Region zu Russland seien. Die Regierung in Kiew und westliche Staaten haben die Scheinreferenden als Farce verurteilt, sie gelten weithin als Vorwand für eine Annexion der Gebiete durch Russland. Ähnlich ging Moskau schon 2014 bei der ukrainischen Halbinsel Krim vor.

Am Freitag will Putin die angeblichen Volksabstimmungen in einer Rede vor dem russischen Parlament zum Thema machen, schon in den kommenden Tagen dürfte über ein Gesetz zur Annexion der ukrainischen Gebiete beraten werden. Diese Entwicklung könnte eine neue, potenziell gefährliche Phase in dem nun schon seit sieben Monaten andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einläuten.

Die Dringlichkeitssitzung im UN-Sicherheitsrat hatte Kiew beantragt und darum gebeten, Staatschef Selenskyj eine Rede per Videolink zu ermöglichen. In seiner Ansprache forderte er zusätzliche militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine, damit „der Aggressor verliert“. Als Reaktion auf die jüngsten Versuche Russlands, sich ukrainisches Territorium einzuverleiben, müsse es zudem „klare und rechtlich bindende Garantien der kollektiven Sicherheit“ für sein Land geben.

„Jegliche Annexion in der modernen Welt ist ein Verbrechen, ein Verbrechen gegen alle Staaten, die die Unantastbarkeit von Grenzen als wichtig für sich betrachten“, sagte Selenskyj. Er warf Russland auch vor, das „Hauptgremium des Völkerrechts“ zu zerstören. Auf jegliche Gesprächsvorschläge reagiere es „mit neuer Brutalität auf dem Schlachtfeld, mit noch größeren Krisen und Drohungen gegen die Ukraine und die Welt“.

Die russische Anerkennung dieser Scheinreferenden, die Umsetzung des sogenannten Krim-Szenarios und weitere Versuche einer Annexion von ukrainischem Territorium bedeuteten, „dass es mit diesem Präsidenten von Russland nichts zu bereden gibt“, betonte Selenskyj.

 Frauen an einer mobilen Wahlstation der russischen Besatzer in Mariupol.

Frauen an einer mobilen Wahlstation der russischen Besatzer in Mariupol.

Foto: AFP/-

Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield kündigte an, dass ihr Land und Albanien bald eine Vorlage für eine Resolution einbringen würden, die die Scheinreferenden verurteilen solle. Darin würden alle Staaten zudem aufgerufen, keinen veränderten Status der Ukraine anzuerkennen und einen sofortigen Rückzug aller russischen Truppen aus dem Land zu fordern. Mit einem Votum über den Entwurf rechne sie noch Ende dieser Woche oder Anfang kommender Woche, sagte Thomas-Greenfield. Es gilt als ausgemacht, dass Russland sein Veto gegen die Vorlage einlegt. In diesem Fall würden die USA und Albanien den Resolutionsentwurf der UN-Vollversammlung vorlegen, um „eine unmissverständliche Botschaft an Moskau zu senden“, erklärte die amerikanische UN-Botschafterin.

(peng/mba/dpa)
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