Russische Invasion Ukraine schaltet Türkei als Vermittler für Mariupol ein - Die Nacht im Überblick

Kiew · Selenskyj signalisiert gegenüber Putin Gesprächsbereitschaft. Um zumindest die verwundeten Soldaten aus dem Stahlwerk in Mariupol zu evakuieren, schaltet die Ukraine die Türkei als Vermittler ein. Ein Überblick zum Geschehen in der Nacht.

Mykhailo Spodarets, Professor für ukrainische Literatur, gibt eine Online-Lektion im Keller seines Hauses in Charkiw, das als Notunterkunft dient.

Mykhailo Spodarets, Professor für ukrainische Literatur, gibt eine Online-Lektion im Keller seines Hauses in Charkiw, das als Notunterkunft dient.

Foto: dpa/Mstyslav Chernov

Mit internationaler Unterstützung setzt die ukrainische Führung ihre Bemühungen um die Rettung der Soldaten im belagerten Stahlwerk Azovstal in der Hafenstadt Mariupol fort. „Wir haben eine neue Runde der Verhandlungen eröffnet“ sagte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk nach Angaben der „Ukrajinska Prawda“. Kiew habe den UN und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz das Mandat zu den Gesprächen mit der russischen Seite erteilt, die Türkei sei inzwischen als Vermittler dabei.

Angestrebt sei eine Evakuierung in mehreren Etappen - an erster Stelle stehe die Rettung von 38 schwer verwundeten Verteidigern aus Azovstal. Sollte dies klappen, „dann bewegen wir uns weiter“. Die Ukraine ist unter anderem bereit, russische Kriegsgefangene für die Verwundeten aus Azovstal auszutauschen. Im Gespräch mit den Tagesthemen der ARD beschrieb einer der Kämpfer die schwierige Lage. „Unsere Leben bedeuten nichts, mein Leben bedeutet nichts“, sagte Illia Samoilenko. Er machte sich zugleich wenig Hoffnung für die Zukunft: „Es könnte unser letztes Gespräch sein.“

Verwundete Ukrainische Soldaten im Asow-Stahlwerk
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Die letzten ukrainischen Verteidiger in Azovstal

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Foto: dpa/Dmytro 'orest' Kozatskyi

Im weitläufigen Stahlwerk in der Hafenstadt haben sich die letzten ukrainischen Verteidiger verschanzt. Russland lehnt bisher jede Evakuierung ab, fordert von den Ukrainern im Werk die Kapitulation. Die Türkei schlug dem russischen Militär nach Angaben der „Ukrajinska Prawda“ vor, alle ukrainischen Soldaten aus Azovstal auf dem Seeweg zu evakuieren. Sie sollten dann bis Kriegsende in der Türkei bleiben.

In seiner täglichen Videobotschaft kritisierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstagabend die jüngsten russischen Angriffe, bei denen in Tschernihiw im Norden des Landes eine Schule getroffen worden war. Daneben seien in der Ukraine seit Kriegsbeginn bereits 570 Gesundheitseinrichtungen durch russische Angriffe zerstört worden, darunter 101 Krankenhäuser. „Was bringt das?“, fragte Selenskyj. „Das ist Unsinn, das ist Barbarei.“ Dies sei für ihn ein Zeichen der Selbstzerstörung Russlands. Der ukrainische Präsident warf Russland zudem vor, nicht den Mut zu haben, seine „offensichtliche“ Niederlage nicht einzugestehen.

In einem Interview des italienischen Fernsehsenders Rai hat Selenskyj unterdessen erneut seine Bereitschaft zu einem Gespräch mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin geäußert. „Wir müssen uns einig werden“, sagte Selenskyj. Dabei dürfe es kein Ultimatum als Bedingung für ein Gespräch geben.

In der Nacht zum Freitag melden offizielle Stellen erneut Gefechte in der Ukraine. Überprüft werden können diese Mitteilungen zu Kampfhandlungen nicht; unabhängige Berichte dazu fehlen. Zudem können Äußerungen der am Krieg beteiligten Parteien von Eigeninteressen gefärbt sein. Nach eigenen Angaben haben die ukrainischen Streitkräfte ein russisches Logistik–Kriegsschiff im Schwarzen Meer beschädigt. Die „Wsewolod Bobrow“ sei in der Nähe der Schlangeninsel getroffen und in Brand gesetzt worden, erklärt ein Sprecher der Streitkräfte für den Militärbezirk Odessa im Internet.

Die Ukraine meldet verschärfte russische Raketenangriffe auf die zentralukrainische Region Poltawa. Bei den Bombardements vom Donnerstag handele es sich um „die vielleicht heftigsten im Verlauf dieses ausgewachsenen Krieges“, schrieb der ukrainische Gebietsgouverneur Dmitrij Lunin in einem Telegram-Post. Die Industriestadt Krementschuk ist demnach von einer Serie russischer Raketen getroffen worden. Dabei sei auch eine Raffinerie beschädigt worden, sagte Lunin nach Angaben der Agentur Unian.

Bei dem Beschuss eines Randgebiets der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw sind laut einem örtlichen Bürgermeister mindestens zwei Zivilisten getötet worden. Vier weitere seien verletzt worden, darunter zwei medizinische Fachkräfte, schrieb Wjatscheslaw Sadorenko, Bürgermeister der Kleinstadt Derhatschi, in einem Telegram-Post. „All diese Menschen waren Zivilisten.“ Bei dem Angriff sei zudem ein Gebäude beschädigt worden, das eine humanitäre Hilfseinrichtung, Verwaltungsbüros und Klinikanlagen beherbergt habe.

In der Ukraine werden mit sofortiger Wirkung alle Filialen der russischen Sberbank und der VEB.RF, der ehemaligen Wnjeschekonombank, verstaatlicht. Das beschloss das Parlament in Kiew, wie Präsidentensprecher Andryj Jermak nach Angaben der Online-Zeitung „Dumskaja“ mitteilte. Nunmehr werden alle Gesellschafterrechte der betroffenen Banken sowie deren Einlagen bei anderen ukrainischen Finanzinstituten in Staatseigentum überführt.

Ein von der ukrainischen Führung ins Leben gerufenes Crowdfunding-Projekt zur Unterstützung des Landes hat innerhalb einer Woche bereits Millionen eingebracht. Wie Digitalminister Mychajlo Fjodorow in der Nacht zum Freitag mitteilte, seien Spenden im Umfang von 25,8 Millionen Dollar (24,4 Mio Euro) aus 72 Ländern der Welt über die Website United24 eingegangen.

Das Geld aus der Spendenplattform werde nun unter den Ministerien aufgeteilt, um die aktuell notwendigsten Projekte zu finanzieren. Über die Website kann gesondert für die Armee, humanitäre Zwecke oder den Wiederaufbau nach dem Krieg gespendet werden. Die Verwendung des Gelds soll vierteljährlich extern überprüft werden. Die Ukraine gilt nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Transparency International als eines der korruptesten Länder Europas.

Nach dem Ja Finnlands zur Nato wird am Freitag die schwedische Sicherheitsanalyse rund um Nato-Frage veröffentlicht. Bis zuletzt war unklar, ob die Analyse auch eine klare Empfehlung für oder gegen eine Nato-Mitgliedschaft Schwedens liefern wird.

(peng/dpa/AFP/Reuters)
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