Frieden in Europa Russischer Außenminister rät Putin öffentlich zu Diplomatie
Moskau · Entgegen der US-Warnungen vor einem unmittelbar bevorstehenden Angriff Russlands auf die Ukraine kommen aus Moskau versöhnliche Töne. In einer im TV übertragenen Unterredung signalisieren Putin und Außenminister Lawrow Gesprächsbereitschaft.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat Kremlchef Wladimir Putin zu weiteren Gesprächen mit dem Westen über die von Moskau im Ukraine-Konflikt geforderten Sicherheitsgarantien geraten. Trotz der Weigerung der USA und deren Verbündeten, auf die russischen Kernforderungen einzugehen, sollte der Dialog beibehalten werden, sagte Lawrow bei einem im Fernsehen übertragenen Treffen mit Putin. Das Signal aus Moskau kam in einer Zeit, in der die USA vor einer unmittelbar bevorstehenden russischen Invasion der Ukraine gewarnt haben.
Derartige Pläne hat der Kreml zwar dementiert, aber mehr als 130.000 Soldaten an der Grenze zum Nachbarland zusammengezogen. Die russische Regierung pocht zugleich auf ein Ende der Nato-Osterweiterung sowie weitere Sicherheitsgarantien. Kernforderungen wie eine Absage an eine ukrainische Nato-Mitgliedschaft und einen Stopp der Stationierung von Nato-Waffen nahe russischer Grenzen haben die Allianz und die USA zuletzt aber auch schriftlich abgelehnt.
Auf höchster Ebene gab es bereits etliche diplomatische Offensiven, die jedoch bisher keinen Durchbruch gebracht haben.
Vor diesem Hintergrund fragte Putin seinen Außenminister bei ihrem Treffen, ob eine Fortsetzung der Diplomatie sinnvoll sei. Lawrow entgegnete, dass die Möglichkeiten für Gespräche „bei weitem nicht ausgeschöpft“ seien. Er erwähnte, dass die USA einen Dialog über eine Begrenzung der Raketenstationierung in Europa sowie eine Beschränkung von Militärübungen und andere vertrauensbildende Maßnahmen angeboten hätten. Die Verhandlungen könnten nicht ewig weitergehen, „aber ich würde an diesem Punkt vorschlagen, sie fortzusetzen und auszuweiten“, sagte Lawrow.
Putin wandte ein, dass der Westen versuchen könnte, Russland in „endlose Gespräche“ ohne eindeutige Ergebnisse hineinzuziehen. Er frage sich, ob es noch immer eine Chance gebe, eine Einigung über die Kernforderungen Moskaus zu erzielen, sagte der Präsident. „Es gibt immer eine Chance“, antwortete Lawrow. Sein Ministerium werde es nicht zulassen, dass die USA und deren Verbündeten bei den russischen Hauptanliegen mauern würden.
Bundeskanzler Olaf Scholz war am Montag in der Ukraine und wollte später nach Russland weiterreisen. „Wir erleben eine sehr, sehr ernste Bedrohung des Friedens in Europa“, twitterte Scholz. Von Moskau erwarte Deutschland „dringend Zeichen der Deeskalation. Eine weitere militärische Aggression hätte sehr schwerwiegende Konsequenzen für Russland. Darin bin ich mir mit unseren Verbündeten absolut einig.“
UN-Generalsekretär António Guterres führte Gespräche mit den Außenministern Russlands und der Ukraine und betonte, dass es „keine Alternative zur Diplomatie“ gebe. „Der Weg der Diplomatie bleibt offen, wenn Russland sich für ein konstruktives Engagement entscheidet“, sagte die stellvertretende Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre. „Wir sind uns jedoch über die Aussichten dafür im Klaren, angesichts der Schritte, die Russland vor Ort in aller Öffentlichkeit unternimmt.“
US-Angaben zufolge hat das russische Militär seine Angriffsvorbereitungen entlang der ukrainischen Grenzen offenbar fortgesetzt. Ein Beamter des Verteidigungsministeriums gab an, dass sich eine kleine Anzahl russischer Bodeneinheiten seit mehreren Tagen aus größeren Versammlungsräumen heraus bewege und Positionen näher an der ukrainischen Grenze an Punkten beziehe, die im Falle einer Invasion Putins als Ausgangspunkte dienen würden.
Die deutsche Bundeswehr schickte am Montag die ersten von rund 350 zusätzlichen Soldaten zur Verstärkung der Nato-Truppen nach Litauen. Das EU- und Nato-Land hatte zuvor Angehörige von Diplomaten und nicht zwingend benötigtes Botschaftspersonal aus der Ukraine gebracht, die USA und andere Länder haben bereits das Gros ihrer Belegschaften aus den Botschaften in Kiew abgezogen.
Der Westen hat Russland wiederholt gewarnt, dass es einen hohen Preis für einen Einmarsch in die Ukraine zahlen würde. Allerdings gibt die Nato aus Sicht von Beobachtern mitunter kein geschlossenes Bild ab. Insbesondere die Bundesregierung steht wegen ihrer Ablehnung einer Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine in der Kritik. Vage blieb Berlin bisher auch bei der Frage, welche Sanktionen gegen Russland es unterstützen würde. Kritiker zweifeln vor diesem Hintergrund an der deutschen Entschlossenheit im Umgang mit Moskau.