Ukraine Demonstranten räumen besetztes Rathaus in Kiew

Kiew · Demonstranten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew räumen das wochenlang besetzte Rathaus. Im Gegenzug lässt die Regierung letzte inhaftierte Protestler frei. Angespannt bleibt die Lage aber weiterhin.

Knapp drei Monate nach der Besetzung des Rathauses in der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben die Regierungskritiker das Gebäude wie versprochen verlassen. Voraussetzung der Übergabe am Sonntag war die Freilassung der letzten der 234 inhaftierten Demonstranten in der vergangenen Woche.

Hunderte Regierungsgegner blieben jedoch vor dem Gebäude versammelt und drohten mit einer erneuten Besetzung, falls die Regierung nicht alle strafrechtlichen Vorwürfe gegen Demonstranten fallenlassen sollte.

Zudem lehnte Oppositionsführer Arseni Jazenjuk am Sonntag erneut das Angebot von Staatspräsident Viktor Janukowitsch ab, Chef einer Koalitionsregierung zu werden. "Ich kann nicht mit Posten gekauft werden, Herr Präsident", sagte Jazenjuk vor Zehntausenden Demonstranten während der üblich gewordenen Sonntagsdemonstration. "Gehen Sie und kaufen sich Ihre Handlanger."

Jazenjuk betonte, er werde das Amt nicht annehmen, solange Janukowitsch keine weiteren Zugeständnisse mache. Unter anderem fordert die Opposition weiterhin, dass die Machtbefugnisse des Präsidenten eingeschränkt werden. Beobachter erwarten, dass Janukowitsch in naher Zukunft einen neuen Regierungschef ernennen wird.

Musikalischer Schlagabtausch in Kiew: Chopin statt Gewalt
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Der bisherige Ministerpräsident Nikolai Asarow hatte Ende Januar seinen Rücktritt eingereicht. Mit dem Schritt wolle er zu einem "sozialpolitischen Kompromiss" ermutigen, erklärte Asarow damals auf der Website der Regierung. Westliche Politiker haben sich seitdem für eine Koalition aus der regierenden Partei und der Opposition eingesetzt.

Die Demonstranten hatten das Rathaus am 1. Dezember besetzt - eine Woche nach Ausbruch der Proteste gegen Janukowitsch. Dieser hatte im vergangenen November ein unterschriftsreifes Abkommen mit der Europäischen Union auf Eis gelegt und sich stattdessen Russland angenähert. Nach Räumaktionen der Polizei war die Protestbewegung in Kiew gewachsen und auf andere Regionen der Ukraine übergesprungen.

Das Rathaus in der Hauptstadt diente den Demonstranten unter anderem zum Schlafen. Sie übergaben die Kontrolle am Sonntag einer Gruppe von internationalen Vermittlern der Organisation für Sicherheit und Kooperation in Europa.

Diese sollten das Gebäude anschließend an die Stadtregierung aushändigen. Nach dem Amnestiegesetz, das das Parlament Ende Januar verabschiedet hatte, müssen die Regierungsgegner zudem andere Regierungsgebäude in Kiew und anderswo im Lande räumen.

Viele Demonstranten wollen so lange weiter protestieren, bis Janukowitsch zurücktritt. Die 36-jährige Künstlerin Natalia Didenko spielte am Samstag vor dem Rathaus auf einem in den Nationalfarben Gelb und Blau gestrichenen Klavier, um ihre Unterstützung der Proteste auszudrücken. "Ich will hier spielen, um Teil davon zu werden", sagte sie. "Die Amnestie ist gut, aber wir sollten nicht aufgeben."

(ap)
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