Auf unbestimmte Zeit außer Dienst Ukraine: Präsident Janukowitsch meldet sich krank

Kiew · Der ukrainische Präsident steht nach monatelangen Protesten extrem unter Druck. Jetzt meldet er sich mit Fieber krank. Sofort schießen Spekulationen ins Kraut.

 Auf unbestimmte Zeit außer Dienst: Viktor Janukowitsch.

Auf unbestimmte Zeit außer Dienst: Viktor Janukowitsch.

Foto: dpa, Sergey Dolzhenko

Der von der ukrainischen Protestbewegung schwer bedrängte Präsident Viktor Janukowitsch hat sich überraschend auf unbestimmte Zeit krank gemeldet. Der 63-Jährige leide unter einer akuten Atemwegserkrankung und hohem Fieber, hieß es am Donnerstag auf seiner Webseite. Sofort wurde spekuliert, ob damit womöglich der Abgang des Staatschefs eingeleitet wird.

Ein Sprecher versicherte jedoch, Janukowitsch halte immer noch die Macht im Land. Und im Namen des Präsidenten wurde Stunden nach seiner Krankmeldung eine Erklärung verbreitet, in der die Opposition angegriffen wird: Diese trage "weiter zur Eskalation der Situation bei und drängt Menschen, bei Frost draußen zu stehen, alles nur wegen der Ambitionen einiger ihrer Anführer", hieß es darin.

Gegen Janukowitsch demonstrieren seit mehr als zwei Monaten Hunderttausende Ukrainer. Sie verlangen seinen Rücktritt und vorgezogene Neuwahlen. Oppositionspolitiker Vitali Klitschko spekulierte über den wahren Grund hinter Janukowitschs Krankmeldung: Der Präsident könnte die Zeit nutzen, den Notstand auszurufen, mutmaßte Klitschko. "Ich erinnere mich an Sowjetzeiten, dass dies ein schlechtes Zeichen ist, denn wenn Sowjetführer eine unpopuläre Entscheidung treffen müssen, dann gehen sie ins Krankenhaus", sagte der ehemalige Boxer.

Der ukrainische Kommentator Vitali Portnikow zeigte sich ebenfalls skeptisch und verwies auf eine angebliche Krankheit des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow 1991, die sich als versuchter Putsch entpuppte.

Janukowitsch hatte zuletzt deutliche Zugeständnisse an die Protestbewegung gemacht und seine Regierung entlassen. Doch reicht dies seinen Gegnern nicht. Ein am Mittwochabend verabschiedetes Amnestiegesetz lehnen sie ab, weil es zwar die Freilassung verhafteter Demonstranten verspricht - aber nur unter der Bedingung, dass Demonstranten die meisten der besetzten Regierungsgebäude in Kiew räumen.

Der Chef der Oppositionspartei Swoboda, Oleg Tjagnibok, sagte laut der Agentur Interfax: "In Wahrheit hat das Parlament eben ein Gesetz zu Geiseln verabschiedet. Die Behörden haben selbst eingeräumt, dass sie so wie Terroristen Geiseln nehmen, um sie dann einzutauschen".
Nach einer Zählung des Oppositionspolitikers Viktor Schumak von der Partei Udar sind im Lauf der Proteste 328 Beteiligte festgenommen worden. Das Büro des Generalstaatsanwalts sprach jedoch am Donnerstag von nur 140.

Demonstranten halten mindestens drei offizielle Gebäude in der Hauptstadt besetzt, um dort zu schlafen und sich aufzuwärmen. Ohne die Rückzugsfläche wären angesichts eisiger Temperaturen wohl auch die Proteste auf dem Unabhängigkeitsplatz Maidan kaum mehr möglich.
Nach einem Bericht der ukrainischen Nachrichtenagentur geht es bei den Vorgaben des Amnestiegesetzes aber nur um das Kiewer Rathaus sowie regionale Verwaltungsgebäude in der Westukraine.

Innenminister Vitali Sachartschenko gab am Donnerstag den Tod eines 30-jährigen Polizisten bekannt, der beim Dienst an den Barrikaden in Kiew einem Herzinfarkt erlag. Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gab es dort schon seit Tagen nicht mehr, doch bleibt die Lage gespannt. Der Tod des Polizisten sei eine Folge des Stresses, sagte der Minister.

Auslöser der Proteste war ursprünglich Janukowitschs Entscheidung, ein unterschriftsreifes Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis zu legen. Stattdessen nahm das Land einen Hilfskredit von Russland an. Dessen Präsident Wladimir Putin erklärte am Mittwoch, die nächste Tranche des Kredits könnte zunächst ausgesetzt werden, bis die Ukraine eine neue Regierung habe.

(ap)
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