Ukraine-Krieg Verletzte bei Angriff auf Kinderkrankenhaus in Mariupol

Mariupol/Kiew · Während ein neuer diplomatischer Anlauf im Ukraine-Krieg Hoffnungen auf eine Deeskalation weckt, setzt Russland seine Angriffe auf ukrainische Städte unvermindert fort. In Mariupol ist eine Kinderklinik getroffen worden.

Eine medizinische Angestellte geht durch die bei dem Angriff beschädigte Geburtsklinik in Mariupol.

Eine medizinische Angestellte geht durch die bei dem Angriff beschädigte Geburtsklinik in Mariupol.

Foto: dpa/Evgeniy Maloletka

Die russische Armee rückte am Mittwoch auf die Hauptstadt Kiew vor und näherte sich der in der Nähe gelegenen Großstadt Browary, wie AFP-Journalisten berichteten. Im von der russischen Armee umzingelten Mariupol im Südosten der Ukraine löste die Zerstörung eines Kinderkrankenhauses Entsetzen aus. Nach ukrainischen Angaben ist die Klinik während der vereinbarten Waffenruhe zur Evakuierung von Zivilisten angegriffen worden. 17 Menschen seien dabei verletzt worden, darunter Frauen in den Wehen, sagt der Gouverneur der Donzek-Region, Pawlo Kyrylenko.

Binnen weniger Tage hat sich die Frontlinie rund um die ukrainische Hauptstadt deutlich verschoben: Stand die russische Armee vor fünf Tagen noch rund hundert Kilometer nordöstlich von Kiew entfernt, waren es am Mittwoch nur noch rund 15 Kilometer. Bewohner der Hauptstadtregion berichteten AFP von sich intensivierenden Kämpfen.

"Sie schießen, um die Menschen zu verängstigen und sie dazu zu zwingen, zu Hause zu bleiben", sagte der 41-jährige Wolodymyr aus dem nahe Browary gelegenen Dorf Welyka Dymerka. Die russischen Soldaten mischten sich "unter die Bewohner, damit die ukrainischen Streitkräfte sie nicht bombardieren".

Angesichts des rasanten Vorrückens der russischen Armee wächst in der Ukraine die Angst vor einer Einkesselung Kiews. Im bereits von Russland belagerten Mariupol wurde den Behörden zufolge am Mittwoch ein Kinderkrankenhaus durch russischen Beschuss zerstört, mindestens 17 Mitarbeiter wurden demnach verletzt. Präsident Wolodymyr Selenskyj warf der russischen Armee "Gräueltaten" vor.

Erstmals seit Kriegsbeginn vor zwei Wochen wollen am Donnerstag die Außenminister der Ukraine und Russlands, Dmytro Kuleba und Sergej Lawrow, direkte Gespräche führen. Das Gespräch der beiden Minister findet in der Türkei statt, deren Außenminister Mevlüt Cavusoglu zwischen den Konfliktparteien vermitteln soll. Lawrow kam am Mittwochabend bereits in der Türkei an.

Der Kreml hatte am Mittwoch von "Fortschritten" in den Gesprächen mit Kiew gesprochen. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa erklärte zudem, die russischen Truppen hätten nicht den Auftrag, "die aktuelle Regierung zu stürzen" oder die "Eigenstaatlichkeit" der Ukraine zu zerstören. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte den Angriff auf die Ukraine damit begründet, das Nachbarland "entmilitarisieren" und "entnazifizieren" zu wollen.

Selenskyj rückte seinerseits von der Forderung nach einer Nato-Mitgliedschaft seines Landes ab. Als weiteres Zugeständnis an Moskau erklärte er sich zu einem "Kompromiss" über den Status der Separatisten-Gebiete Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine bereit. Selenskyjs außenpolitischer Berater Ihor Tschowka sagte in der ARD, auch Fragen zur "Neutralität" der Ukraine ließen sich in Verhandlungen mit Moskau diskutieren.

Nachdem am Dienstag erstmals Zivilisten über einen Fluchtkorridor aus der heftig umkämpften Stadt Sumy im Nordosten der Ukraine in Sicherheit gebracht worden waren, verkündeten Kiew und Moskau die Einrichtung mehrerer weiterer Fluchtkorridore, darunter für die Städte Irpin, Butscha und Hostomel nahe Kiew. Mehrere Versuche, sichere Fluchtrouten zu schaffen, waren zuvor fehlgeschlagen.

Über die "Maßnahmen zur Errichtung humanitärer Korridore" informierte Putin nach Kreml-Angaben am Mittwoch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Telefonat. Scholz hatte zuvor in einer Pressekonferenz abermals an Putin appelliert, das "Blutvergießen" in der Ukraine zu stoppen und seine Truppen zurückzuziehen.

Selenskyj bekräftigte zudem seine Forderung nach weiteren Waffenlieferungen, insbesondere Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29. Ein Vorschlag Polens zu diesem Thema müsse "sofort bearbeitet" werden. Polen hatte am Dienstag erklärt, es könne seine MiG-Jets "kostenlos und unverzüglich" zum US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz bringen. Der Vorstoß legt nahe, dass die USA die Kampfjets anschließend an die Ukraine liefern könnten.

Washington zeigte sich überrascht von dem Vorschlag aus Warschau und lehnte ihn umgehend als "unhaltbar" ab. Polen will nicht als Beteiligter im russisch-ukrainischen Krieg erscheinen - die USA jedoch auch nicht.

Weitere Waffenlieferungen, darunter Panzerabwehrraketen, an Kiew kündigte am Mittwoch die britische Regierung an. Die USA verlegten unterdessen Flugabwehrraketen vom Typ Patriot von Deutschland nach Polen.

(felt/AFP)
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