Ukraine-Krieg Nato bestätigt Einsatzbereitschaft von neuen Truppen an der Ostflanke

Brüssel · Die Nato rüstet als Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine massiv auf. Sichtbar wird dies vor allem an der Ostflanke - auch dank deutscher Beteiligung.

 Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär

Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär

Foto: dpa/Virginia Mayo

Die Nato kommt mit ihren Bemühungen um eine Verstärkung ihrer Ostflanke voran. Wie eine Sprecherin des Militärbündnisses der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, haben die vier neuen multinationalen Gefechtsverbände in Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Slowakei die erste Stufe der Einsatzbereitschaft erreicht. Das heißt, dass die Truppen grundsätzlich in der Lage sind, ihren Auftrag zu erfüllen, aber zum Beispiel noch nicht voll ausgerüstet sind.

Zu Details äußerte sich die Nato zunächst nicht. Nach Angaben des Hauptquartiers Alliierter Streitkräfte in Europa (Shape) vom Dienstagabend besteht allerdings allein der Gefechtsverband in der Slowakei aus 2100 Soldaten, die von Tschechien, Deutschland, den Niederlanden, Polen, Slowenien und den USA gestellt werden. In Ungarn sind es demnach 800 Soldaten aus Kroatien, den USA sowie dem Gastgeberland und in Bulgarien 900 Soldaten aus den USA und dem Gastgeberland. In Rumänien wird der Gefechtsverband derzeit von Soldaten aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden gebildet.

Zur Größe machten die Nato-Militärs keine Angaben. In einer Nato-Grafik vom 21. März war zuletzt die Zahl von 3300 in Rumänien stationierten Soldaten genannt worden. Bei ihr sind aber auch Truppen mitgezählt, die nicht Teil des Nato-Gefechtsverbands sind.

Die neuen Gefechtsverbände sollen angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine die Abschreckung und die Verteidigungsfähigkeiten weiter erhöhen. Bislang hatte die Nato nur in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen dauerhaft multinationale Verbände stationiert. Normalerweise sind diese Battlegroups etwa 1000 bis 1200 Soldaten stark, sie wurden allerdings zuletzt wegen des Ukraine-Kriegs deutlich verstärkt.

„Wir haben jetzt im östlichen Teil der Allianz 40 000 Soldaten unter direktem Nato-Kommando“, sagte Stoltenberg am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Brüssel. Hinzu kämen Hunderttausende Truppen in erhöhter Alarmbereitschaft und Hunderte Schiffe und Flugzeuge.

Beteiligt an der Abschreckung gegen Russland sind auch zahlreiche deutsche Soldatinnen und Soldaten. So führt Deutschland derzeit Gefechtsverband in Litauen. In die Slowakei wurden im März zudem Soldatinnen und Soldaten der Luftwaffe mit dem Flugabwehrraketensystem Patriot verlegt, die jetzt teil der Battlegroup sind.

Nach Angaben des Hauptquartiers Alliierter Streitkräfte vom Abend sollen alle Gefechtsverbände noch im Verlauf dieses Jahres nach der sogenannten Anfangsbefähigung (Initial Operational Capability) auch die sogenannte Vollbefähigung (Full Operational Capability) erreichen und damit alle gestellten Anforderungen erfüllen können. In Ungarn wird es den Plänen zufolge bereits Ende dieses Monats der Fall sein.

Noch offen ist allerdings, wie die langfristige Nato-Präsenz an der Ostflanke aussehen soll. Als Option gilt, erstmals Brigaden im östlichen Bündnisgebiet zu stationieren. Sie könnten jeweils rund 5000 Soldaten stark sein und zum Beispiel durch Elemente der Luft- und Seestreitkräfte oder Spezialkräfte ergänzt werden.

Ein solcher Schritt dürfte allerdings die Spannungen mit Russland weiter verstärken. Moskau würde vermutlich argumentieren, dass die langfristige Stationierung solcher Brigaden nicht mit der Nato-Russland-Grundakte vereinbar sei. Darin hat sich die Nato verpflichtet, auf die dauerhafte Stationierung „substanzieller Kampftruppen“ im östlichen Bündnisgebiet zu verzichten.

Die bislang stationieren Battlegroups in Bataillonsgröße fallen nach Nato-Interpretation nicht in diese Kategorie. Zugleich gilt als unwahrscheinlich, dass die Nato wegen der Grundakte auf die Stationierung von Brigaden verzichtet.

So hat Generalsekretär Stoltenberg bereits deutlich gemacht, dass Russland nicht erwarten kann, dass sich die Nato noch an alle Vereinbarungen aus dem Jahr 1997 hält. Die Grundakte habe einen klaren Bezug zum Sicherheitsumfeld im Jahr 1997, als man Russland noch als strategischen Partner gesehen habe, sagte er jüngst. Heute befinde man sich in einem völlig anderen Sicherheitsumfeld, und die Nato werde tun, „was nötig ist“.

(zim/dpa)
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