Kanzler am Donnerstag in Kiew Botschafter Melnyk fordert Scholz zu weitreichenden Waffen-Zusagen auf

Berlin/Kiew · Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron und der italienische Regierungschef Mario Draghi sind am Morgen nach Kiew gereist. Botschafter Melnyk fordert derweil Scholz zu weitreichenden Waffen-Zusagen auf.

Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland.

Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu aufgefordert, beim Besuch in Kiew an diesem Donnerstag weiterreichende Zusagen für Waffenlieferungen zu geben. „Die Ukrainer erhoffen sich, dass der bevorstehende Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz nicht nur von symbolischer Bedeutung, sondern bahnbrechend sein wird, um die militärische Hilfe Deutschlands auf ein qualitativ neues Niveau zu heben“, sagte Melnyk unserer Redaktion. „Es ist ganz wichtig, dass der deutsche Regierungschef mit eigenen Augen die Verwüstungen der russischen Aggression sieht, mit Kriegsopfern spricht und somit auch die Dringlichkeit erkennt, warum die Ukraine mit voller Kraft viel stärker und umfangreicher mit schweren Waffen unterstützt werden muss“, sagte der Botschafter. Man erwarte in Kiew in erster Linie, dass der Kanzler endlich grünes Licht für die erbetenen 88 Leopard-1-Kampfpanzer und 100 Marder-Schützenpanzer gebe, die Rheinmetall sofort liefern könne, so Melnyk.

„Außerdem rufen wir Olaf Scholz auf, schwere Waffen aus den Beständen der Bundeswehr freizugeben, die die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik nicht schmälern würde“, sagte Melnyk. „Nichts steht im Weg, dass Deutschland einen erheblichen Teil von eigenen 800 Transportpanzern Fuchs, 325 Leopard-2-Panzern oder 380 Marder-Panzern der ukrainischen Armee zur Verfügung stellt, um die russischen Truppen zu zerschlagen.“

Melnyk nannte zudem mittelfristige Rüstungsprojekte. „Die Ukraine benötigt deutsche U-Boote, Korvetten, Patrouillen- und Kampfboote, um die lange Schwarzmeerküste zu verteidigen und russische Überlegenheit auf See zu eliminieren“, sagte er. „Damit würde auch die Schifffahrtsfreiheit und Ernährungssicherheit garantiert“, sagte Melnyk.

Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der italienische Ministerpräsident Mario Draghi sind am Donnerstagmorgen mit einem Sonderzug in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Dort wollen sie mit Präsident Wolodymyr Selenskyj über weitere Unterstützung für das von Russland angegriffene Land sprechen und über den Wunsch der Ukraine, in die EU aufgenommen zu werden. Scholz hat stets betont, dass er nur nach Kiew reisen werde, wenn es konkrete Dinge zu besprechen gebe. Selenskyj fordert die Lieferung weiterer schwerer Waffen und dass die EU schon in der kommenden Woche auf ihrem Gipfel in Brüssel einer Kandidatur der Ukraine für eine Mitgliedschaft zustimmt.

In Kiew soll der rumänische Präsident Klaus Iohannis zur Reisegruppe dazustoßen, der aber eine andere Reiseroute nehmen wollte. Seit Mitte März sind zahlreiche Staats- und Regierungschefs in die Ukraine gereist, die sich nun schon fast vier Monaten gegen den Angriff der russischen Streitkräfte zur Wehr setzt. Dieser Besuch ist aber zweifellos der bedeutendste: Scholz, Macron und Draghi repräsentieren die drei bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten EU-Länder. Alle drei Staaten gehören zur G7, in der sich demokratische Wirtschaftsmächte zusammengeschlossen haben. Deutschland hat in dieser Gruppe derzeit den Vorsitz, Frankreich hat die EU-Präsidentschaft.

Selenskyj hatte Scholz bereits vor Wochen nach Kiew eingeladen. Zuerst standen aber Verstimmungen wegen der kurzfristigen Absage einer Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von ukrainischer Seite im Weg. Nachdem die Irritationen ausgeräumt waren, verwies Scholz darauf, dass es ihm bei einer solchen Reise nicht um Symbole, sondern um Inhalte gehe: „Ich werde nicht mich einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge.“

Vor ihm waren schon eine ganze Reihe seiner Minister in der Ukraine: Annalena Baerbock (Außen, Grüne), Svenja Schulze (Entwicklung, SPD) und zuletzt Karl Lauterbach (Gesundheit, SPD) sowie Cem Özdemir (Agrar, Grüne). Auch Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) besuchten Kiew.

Die Reise der drei Staats- und Regierungschef war seit einiger Zeit geplant. Bis zuletzt wurde sie trotz einiger Medienberichte aus Sicherheitsgründen nicht bestätigt. Scholz flog bereits am Mittwochabend nach Südpolen. Von der Grenzstadt Przemysl fuhr der Sonderzug mit neun Waggons kurz vor Mitternacht Richtung Kiew los. Der Luftraum ist wegen des Kriegs gesperrt. Es bleibt selbst für Präsidenten und Regierungschefs nur der Landweg. Über Przemysl sind viele Kriegsflüchtlinge in die EU eingereist - und kehren seit geraumer Zeit auf diesem Weg auch wieder zurück.

(jd/lha/dpa)
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