Trauer über Tod des polnischen Präsidenten Tusk, Putin und Kaczynskis Bruder legen Kranz nieder

Smolensk (RPO). Nach dem Tod des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski bei einem Flugzeugabsturz in Russland haben der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und sein russischer Kollege Wladimir Putin an der Absturzstelle einen Kranz niedergelegt. Jaroslaw Kaczynski, der Zwillingsbruder des Präsidenten und früherer Ministerpräsident, kniete sich dort nieder und betete.

Weltweite Trauer um Lech Kaczynski
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Tusk und Putin nahmen anschließend an einer Videokonferenz mit einer Sonderkommission in Moskau teil. Einige Leichen seien bereits nach Moskau geflogen worden, wo sie identifiziert werden sollten, hieß es.

Pilotenfehler offenbar Ursache für Absturz

Der Absturz der polnischen Präsidentenmaschine, bei dem am Samstagmorgen Staatschef Lech Kaczynski und ein Großteil der Führungselite seines Landes ums Leben kamen, ist offenbar auf einen Pilotenfehler zurückzuführen. Die Tupolew TU-154 streifte beim Anflug auf die westrussische Stadt Smolensk mehrere Bäume, stürzte ab und zerbrach in mehrere Teile, wie der Gouverneur der Region, Sergej Antufijew, mitteilte. Warschau ordnete eine einwöchige Staatstrauer an.

Am späten Nachmittag wurde die Leiche des Staatschefs geborgen. Das berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Samstag unter Berufung auf Sicherheitskräfte vor Ort. Die russischen Agenturen berichteten weiter unter Berufung auf die russischen Behörden, dass inzwischen alle 97 Todesopfer geborgen wurden. Sie würden nun nach Moskau gebracht, wo alles vorbereitet sei, damit die Angehörigen der Opfer empfangen werden könnten.

Das Flugzeug stürzte rund zwei Kilometer vor dem Flughafen in einen Wald und fing Feuer. Rettungsteams hatten noch versucht, Passagiere aus der zerstörten Maschine zu ziehen. "Niemand hat die Katastrophe überlebt", sagte Antufijew dem staatlichen Nachrichtensender Rossija-24. Der Sender zeigte Aufnahmen der weit verstreuten Flugzeugtrümmer in einem Waldstück, in dem mehrere Brände ausgebrochen waren.

Befehle der Fluglotsen ignoriert

Der Pilot der polnischen Regierungsmaschine habe beim Anflug auf den russischen Flughafen Smolensk mehrere Befehle der Fluglotsen ignoriert, die Landung abzubrechen und einen anderen Flughafen anzusteuern, sagte der Vize-Chef der russischen Luftwaffe, Alexander Aljoschin, am Samstag der Agentur Interfax zufolge. "Bei einer Entfernung von 2,5 Kilometern stellte der Leiter der Luftraumüberwachung fest, dass die Crew die Geschwindigkeit im Senkflug beschleunigte", sagte Aljoschin.

Der Tower habe daraufhin den Befehl gegeben, das Flugzeug in eine horizontale Position zu bringen. Als die Crew diesem Befehl nicht gefolgt sei, hätten die Fluglotsen dem Piloten mehrmals angeordnet, einen anderen Flughafen anzusteuern. "Die Crew setzte den Landeanflug trotzdem fort. Unglücklicherweise endete dies in einer Tragödie", sagte Aljoschin.

Die Maschine stürzte offenbar beim vierten Landeversuch ab. Die beiden Flugschreiber wurden bereits gefunden. Der polnische Justizminister Krzysztof Kwiatkowski kündigte bereits an, dass er besondere Ermittlungen anordnen werde.

Blumen vor dem Präsidentenpalast

Zehntausende Menschen haben in Warschau bis in den frühen Sonntagmorgen hinein öffentlich um ihren verstorbenen Staatschef Lech Kaczynski getrauert. Sie versammelten sich im Zentrum der Hauptstadt und zogen vor den Präsidentenpalast. Unzählige Kerzen und Blumen säumten den Platz. Viele Menschen in dem streng katholischen Land sangen Kirchenlieder und beteten. Die Kirchen hatten ihre Türen für Gläubige geöffnet. Auf dem Präsidentenpalast wehte die Fahne auf halbmast.

Im ganzen Land werden an diesem Wochenende Gedenkgottesdienste zelebriert, berichten polnische Medien. Die zentrale Totenmesse werde am Samstagabend der Apostolische Nuntius in Polen, Erzbischof Jozef Kowalczyk, in der Warschauer Militärkirche für die Opfer feiern. Am Samstagvormittag beteten bereits die Anwesenden der ursprünglichen Gedenkfeier für die Katyn-Opfer für die Passagiere der verunglückten Maschine. In Krakau läutete am Mittag auf Anordnung von Kardinal Stanislaw Dziwisz die zehn Tonnen schwere Sigismundglocke der Wawel-Kathedrale. Sie erklingt nur bei Tod eines Papstes oder an höchsten Feiertagen.

Am Sonntagmittag gedenkt Polen in zwei Schweigeminuten dem Staatspräsidenten und seiner Delegation, wie der polnische Ministerpräsident Donald Tusk mitteilte. "Die heutige Welt hat noch nicht eine solche Tragödie gesehen", sagte Tusk, der der Familie Kaczynski sein tiefes Beileid ausdrückte.

Donald Tusk sprach vom, "tragischsten Ereignis in der polnischen Nachkriegsgeschichte". Er kündigte an, dass er umgehend an den Unglücksort reisen werde. Auch seine russischer Kollege Wladimir Putin werde sich nach Smolensk begeben, meldete die Agentur RIA.

Auch Kaczynskis Frau an Bord

An Bord der Maschine saßen nach polnischen Angaben neben Kaczynski auch dessen Ehefrau Maria, der polnische Generalstabschef Franciszek Gagor, Nationalbankchef Slawomir Skrzypek, Vize-Außenminister Andrzej Kremer und der letzte polnische Exil-Präsident, Ryszard Kaczorowski. Auch mehrere Parlamentarier und nahezu die gesamte Führung der polnischen Armee waren unter den Passagieren. Dem russischen Katastrophenschutzministerium zufolge saßen 96 Insassen in der Maschine, darunter 88 Mitglieder der polnischen Delegation.

Russlands Präsident Dmitri Medwedew beauftragte Ministerpräsident Wladimir Putin, den Vorfall untersuchen zu lassen. Er schickte den russischen Katastrophenschutz-Minister Sergej Schojgu nach Smolensk. In einem Beileidsschreiben an den Chef des polnischen Unterhauses, Bronislaw Komorowski, versprach Medwedew eine "minutiöse Untersuchung" des Unglücks. Komorowski übernahm kommissarisch die Amtsgeschäfte des Präsidenten. Laut Verfassung sind Neuwahlen innerhalb von zwei Monaten nach dem Tod eines Amtsinhabers nötig. Der Urnengang war eigentlich für Herbst geplant.

Kaczynski wollte drei Tage nach den offiziellen Gedenkfeiern in Katyn an die Opfer des Massakers an etwa 22.000 Polen im Zweiten Weltkrieg erinnern. Seine Teilnahme sollte keinen offiziellen Charakter haben.

Übergangspräsident will bald Neuwahl ausrufen

Die Polen sollen schon bald einen neuen Präsidenten wählen. Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski, der nach dem Tod Kaczynskis dessen Amtsgeschäfte übernahm, kündigte am Samstagabend in einer Fernsehansprache an, er werde innerhalb von 14 Tagen nach dem Tod des Präsidenten gemäß der Verfassung die Neuwahl ausrufen. Die Wahl muss dann binnen 60 Tagen stattfinden. Ursprünglich sollten die Polen im Herbst ein neues Staatsoberhaupt wählen.

Merkel erinnert sich an persönliche Begegnung mit Kaczynski

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in der Zeitung "Bild am Sonntag" an eine sehr persönliche Begegnung mit Kaczynski und dessen Ehefrau Maria im März 2007 in der Nähe von Danzig erinnert: "Mein Mann und ich erinnern uns sehr gerne an diese Begegnung mit dem polnischen Präsidentenpaar. Der Wald, in dem wir spazieren gingen, liegt an der Ostsee in der Nähe von Danzig. Wir haben damals intensive und sehr persönliche Gespräche über die europäische und polnische Geschichte geführt und über die polnische Freiheitsbewegung Solidarnosc. Es waren Stunden voller Herzlichkeit und Freundschaft", sagte die Bundeskanzlerin.

(AFP/apd/KNA/RTR/APN/das)
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