Kritiker warnen vor willkürlicher Sperrung von Inhalten Türkisches Parlament berät über Internetgesetz

Ankara · Im türkischen Parlament haben am Mittwoch Beratungen über ein umstrittenes neues Internetgesetz begonnen. Der Gesetzentwurf der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sieht unter anderem die Möglichkeit der Sperrung von Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss vor. Außerdem sollen die Behörden das Recht bekommen, das Surfverhalten von Internetnutzern aufzuzeichnen und zwei Jahre lang zu speichern.

Die Regierung argumentiert, das neue Gesetz trage zum besseren Schutz von Persönlichkeitsrechten im Internet bei. Ein Abgeordneter von Erdogans islamisch-konservativer Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) begründete das Vorhaben am Mittwoch mit dem Schutz von Familien, Kindern und Jugendlichen vor Inhalten, "die Drogenkonsum, sexuellen Missbrauch und Selbstmord befördern".

Kritiker sagen dagegen, das Gesetz gebe der Regierung die Macht, willkürlich über die Sperrung von Inhalten zu entscheiden. Der Abgeordnete Altan Tan von der prokurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP) sagte, die Maßnahmen hätten allein eine Einschränkung von Freiheit zur Folge. Hasan Ören von der Oppositionspartei CHP warf der Regierung "Faschismus" vor. Mit einer Abstimmung wird noch in dieser Woche gerechnet.

Schon unter dem derzeit geltenden Internetgesetz können Webseiten relativ einfach gesperrt werden, allerdings nur mit Gerichtsbeschluss. Betroffen waren bereits die Blog-Plattform Wordpress und die Video-Portale DailyMotion und Vimeo. Youtube war bis 2010 sogar zwei Jahre lang gesperrt. Während der Proteste rund um den Istanbuler Gezi-Park im vergangenen Sommer kritisierte Erdogan den von der Protestbewegung intensiv genutzten Kurzbotschaftendienst Twitter als "Unruhestifter".

Februar 2014: Erdogan zu Besuch in Deutschland
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Die Türkei wird derzeit von einem Korruptionsskandal erschüttert, der Erdogan massiv unter Druck gesetzt hat. Mitte Dezember hatte die Justiz zahlreiche Manager und Politiker aus dem Umfeld der Regierung festnehmen lassen. Ihnen wurde die Verwicklung in einen weitverzweigen Korruptionsskandal vorgeworfen. Erdogan bezeichnet den Skandal als Verschwörung gegen seine Regierung und ließ hunderte Polizisten und Staatsanwälte versetzen.

(AFP)
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