Zwischen Türkei und Griechenland 13.000 Migranten warten an EU-Grenze - Frontex erhöht Warnstufe

Istanbul/Athen · Die Lage an der griechischen Grenze zur Türkei bleibt weiter angespannt. Migranten soweit das Auge reicht. Ein Ansturm blieb aber vorerst aus. Alle wollen nach Westeuropa. Auch in der Ägäis sind Boote auf dem Weg nach Griechenland und damit auch in die EU.

 Migranten auf der türkischen Seite der Grenze.

Migranten auf der türkischen Seite der Grenze.

Foto: AFP/BULENT KILIC

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat wegen eines erhöhten Zustroms von Migranten die Alarmstufe für alle EU-Grenzen zur Türkei auf „hoch“ gesetzt. Zugleich verstärkte Griechenland seine Einheiten entlang der Grenze zur Türkei weiter. Die Regierung in Athen warf der Türkei vor, Migranten mit falschen Informationen dazu zu bewegen, nach Griechenland und damit in die EU zu kommen. Nach UN-Angaben harren rund 13.000 Migranten auf der türkischen Seite bei Kälte aus. EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas forderte eine baldige Sondersitzung der EU-Innenminister. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Samstag gesagt, die Grenzen zur EU seien für Migranten geöffnet.

Die griechischen Sicherheitsbehörden befürchteten, dass Tausende Migranten, die seit Freitag auf der türkischen Seite der Grenze campieren, massenweise versuchen würden, nach Griechenland zu kommen. Dies geschah nach Berichten des Staatsrundfunks ERT bislang nicht. Auch an der bulgarischen Grenze blieb es ruhig. Kein einziger Migrant passierte der bulgarischen Regierung zufolge die Grenze.

Am Sonntag setzte die griechische Polizei schwere Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Migranten vom Übertritt zu hindern. Die Migranten hatten laut Medienberichten zuvor Steine und andere Gegenstände auf die Bereitschaftspolizei geschleudert. Ein Polizist soll nach Berichten des griechischen Rundfunks verletzt worden sein.

Der griechische Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos warf der Türkei unterdessen vor, den Zustrom von Migranten an der gemeinsamen Grenze organisiert zu haben. Allein am Evros hinderte die griechische Polizei nach neuesten Angaben knapp 10 000 Migranten daran, diese Grenze zu überqueren, wie das Migrationsministerium in Athen am Sonntag mitteilte. Das griechische Außenministerium sprach von einer gezielten Desinformationskampagne der Türkei.

Aus Regierungskreisen in Athen hieß es, der türkische Präsident instrumentalisiere die Millionen Migranten in seinem Land, um die EU zu zwingen, ihm mehr Geld zu zahlen, damit er seine Politik und Militäraktion in Syrien fortsetzen könne. Griechenland habe mit dem Krieg in Syrien nichts zu tun und werde nicht den Preis dafür bezahlen, hatte Regierungschef Mitsotakis am Freitag erklärt.

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu schrieb am Sonntag auf Twitter, bis zum Morgen hätten 76 358 Migranten von der türkischen Provinz Edirne aus die Grenze zur EU passiert. Der türkische Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun schrieb auf Twitter, syrische Flüchtlinge seien nicht dazu gezwungen, die Türkei zu verlassen. Sie stünden nach wie vor unter „temporärem Schutz“. „Sie können bleiben, wenn sie wollen. Sie können gehen, wenn sie wollen.“

Verstärkt wurden nach griechischen Regierungsangaben auch die Patrouillen in den Meerengen zwischen den griechischen Inseln und der türkischen Ägäisküste. Die stürmischen Winde der letzten Tage haben nachgelassen, die Regierung in Athen befürchtet nun einen neuen Migrantenzustrom, diesmal über die Ägäis. Am Sonntagvormittag kamen nach Berichten griechischer Fernsehsender gut 400 Migranten auf der Insel Lesbos an. „Mehr Boote sind unterwegs. Die türkische Küstenwache stoppt sie nicht“, sagte der Deutschen Presse-Agentur ein Offizier der Küstenwache am Sonntag.

Nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) harren auf der türkischen Seite der Grenze mehr als 13 000 Menschen aus. Ihnen stehe eine weitere kalte Nacht mit Frost bevor, schrieb die Organisation auf Twitter. Unter ihnen sollen auch viele Kinder sein. Zahlreiche Männer, Frauen und Kinder seien zu Fuß unterwegs und versuchten, wieder zurück in ihre Heimat zu kommen. „Einige kündigten ihre Arbeit und ließen alles hinter sich, weil sie sicher waren, nach Europa zu kommen“, so die Organisation.

Papst Franziskus sprach am Sonntag in Rom nach dem Gebet über die kritische Lage von Vertriebenen und Migranten, ohne speziell auf eine Region, etwa Syrien oder die Grenzen der Türkei, einzugehen. „In diesen Tagen ist das sehr stark geworden. Beten wir für sie“, sagte er.

EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas forderte eine baldige Sondersitzung der EU-Innenminister. Eine entsprechende Bitte habe er an die Regierung in Kroatien gerichtet, die derzeit die EU-Präsidentschaft innehat, schrieb Schinas auf Twitter. Zudem berate er weiter mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson und dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis über die Situation, fügte der EU-Vizekommissionspräsident hinzu. Schinas wird am Montag eigenen Worten zufolge in Berlin sein.

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat wegen eines erhöhten Zustroms die Alarmstufe für alle EU-Grenzen zur Türkei auf „hoch“ gesetzt. Man habe außerdem von Griechenland die Bitte um Verstärkung erhalten, teilte Frontex mit. Es seien bereits Schritte unternommen worden, um zusätzliche Beamte sowie technische Ausrüstung zu entsenden. Frontex hat nach eigenen Angaben knapp 400 Mitarbeiter auf den griechischen Inseln und 60 weitere in Bulgarien stationiert. Ein kleines Kontingent halte sich auf griechischer Seite an der Grenze zur Türkei auf. Es werde außerdem die Lage auf Zypern beobachtet.

Die griechische Grenzpolizei und Sondereinheiten der Bereitschaftspolizei hatten am Freitag und Samstag Tränengas und Blendgranaten eingesetzt, um große Gruppen von Migranten daran zu hindern, über den bereits geschlossenen Grenzübergang bei Kastanies/Pazarkule aus der Türkei nach Griechenland zu kommen.

Die Türkei hat rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. In einem Flüchtlingspakt mit der EU von 2016 hat die Türkei eigentlich zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Das Abkommen sieht zudem vor, dass die EU alle Flüchtlinge und Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Ankara erhält zudem finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge im Land. Noch am Freitag hatte die EU deutlich gemacht, dass sie von der Türkei erwarte, dass sie die Vereinbarung einhalte.

(lukra/dpa)
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