Mehr als bisher angenommen USA ziehen 11.900 Soldaten aus Deutschland ab

Washington · Die Zahl der US-Soldaten in Deutschland soll um fast 12.000 verringert werden - und damit deutlich stärker als bislang bekannt. Das erklärte Verteidigungsminister Mark Esper in Washington.

 US-Soldaten stehen nach ihrer Ankunft auf der US-Airbase in Wiesbaden-Erbenheim vor einer US-Flagge.

US-Soldaten stehen nach ihrer Ankunft auf der US-Airbase in Wiesbaden-Erbenheim vor einer US-Flagge.

Foto: dpa/Frank May

Rund 6400 Soldaten sollen in die USA zurückgeholt werden, weitere 5600 sollen in andere Nato-Länder verlegt werden, wie Verteidigungsminister Mark Esper in Washington erklärte. Damit werde die „strategische Flexibilität“ der US-Streitkräfte erhöht, sagte Esper im Pentagon vor Journalisten. Bislang hatte die US-Regierung von einem Abzug von rund 10 000 der etwa 36 000 Soldaten in Deutschland gesprochen. Zudem verlegen die US-Streitkräfte ihr regionales Europa-Hauptquartier von Stuttgart nach Belgien. Das sogenannte US European Command (Eucom) werde von der baden-württembergischen Landeshauptstadt ins belgische Mons verlegt, sagte US-General Tod Wolters am Mittwoch.

Trump hatte den Teilabzug der US-Truppen aus Deutschland im Juni angekündigt und ihn mit den aus seiner Sicht zu geringen Verteidigungsausgaben Deutschlands begründet. Die Bundesregierung in Berlin war vor der Bekanntgabe nicht informiert worden. Der Präsident fügte hinzu, die Soldaten seien zum Schutz Deutschlands da. „Und Deutschland soll dafür bezahlen. Deutschland zahlt nicht dafür. Warum sollten wir sie (die Soldaten) dalassen?“ Er könnte den Schritt überdenken, „wenn sie (die Deutschen) anfangen, ihre Rechnungen zu bezahlen“. Trump warf Deutschland vor, die USA beim Handel und beim Militär zu übervorteilen. „Sie haben uns seit vielen Jahren ausgenützt.“

Zur Umsetzung des geplanten - und wahrscheinlich aus logistischen Gründen langwierigen - Teilabzugs dürfte aber noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Im US-Kongress hat sich bereits bei Trumps Republikanern und den Demokraten Widerstand formiert. Der Plan wird dort vor allem kritisch gesehen, weil er das Verteidigungsbündnis Nato schwächen und Russland in die Hände spielen könnte. Im Senat und im Repräsentantenhaus gibt es daher Pläne, den Teilabzug über das Gesetz zum kommenden Militärhaushalt zu verhindern. Zudem bewirbt sich Trump im November um eine zweite Amtszeit. Falls er die Wahl verlieren sollte, könnte der neue Präsident die Pläne auf Eis legen.

Zudem hat die US-Regierung die deutsche Bundesregierung erneut zu einer Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben aufgefordert. Deutschland sei „das wohlhabendste Land in Europa“ und könne und sollte daher auch „mehr für seine Verteidigung ausgeben“, sagte Esper. Deutschland müsse mindestens das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllen, forderte er.

Esper bezog sich damit auf eine seit langem von der US-Regierung - und vor allem von Präsident Donald Trump persönlich - vorgebrachte Kritik, wonach Deutschland zu wenig für sein Militär ausgibt. Dem Nato-Ziel zufolge sollten alle Mitgliedsländer des Bündnisses mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben. Deutschland hat sich diesem Ziel inzwischen angenähert, liegt mit 1,38 Prozent aber immer noch deutlich darunter. Die USA geben trotz ihres deutlich höheren BIP 3,4 Prozent aus. US-Präsident Donald Trump hat den Abzug von fast 12 000 US-Soldaten aus Deutschland mit den aus seiner Sicht mangelhaften Verteidigungsausgaben der Bundesrepublik begründet. Trump warf Deutschland am Mittwoch im Weißen Haus vor seinem Abflug nach Texas vor, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato seit Jahren zu verfehlen. „Deutschland ist säumig“, sagte Trump. „Deutschland schuldet der Nato Abermilliarden an Dollar.“ Er fügte mit Blick auf die ökonomischen Folgen des Abzugs hinzu: „Jetzt sagt Deutschland, es sei schlecht für seine Wirtschaft. Nun, es ist gut für unsere Wirtschaft.“

Die US-Truppen galten in der Zeit des Kalten Krieges als Sicherheitsgarant für die Bundesrepublik. Damals gab es zeitweise fast 250 000 US-Soldaten in Deutschland. Nach dem Fall der Mauer wurde allerdings radikal reduziert: Im Jahr 2000 waren es nur noch 70 000 US-Soldaten, zehn Jahre später 48 000 und heute sind nur noch 36 000 übrig. Damit ist Deutschland aber immer noch der zweitwichtigste Truppenstandort der USA weltweit nach Japan.

Die Truppenstationierung ist aber auch heute noch ein wesentliches Bindeglied zwischen beiden Ländern. Da ist einerseits der zwischenmenschliche Aspekt: Über die Jahrzehnte sind Tausende Freundschaften, Partnerschaften und Ehen zwischen Deutschen und Amerikanern entstanden. Für die Regionen um die US-Stützpunkte kommt der wirtschaftliche Aspekt hinzu.

Allein in Rheinland-Pfalz werden mehr als 7000 deutsche Ortskräfte von den US-Streitkräften beschäftigt, in ganz Deutschland sollen es 12 000 sein. Daneben hängen viele Tausende weitere Arbeitskräfte vor allem in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern an den US-Truppen. Allein der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein generiert Schätzungen zufolge jedes Jahr zwei Milliarden US-Dollar an Löhnen, Gehältern, Mieten und Aufträgen in der regionalen Wirtschaft.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hat die US-Entscheidung zum Abzug Tausender Soldaten aus Deutschland kritisiert. Die USA erreichten damit „genau das Gegenteil dessen“, was US-Verteidigungsminister Mark Esper als Begründung nenne, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags der „Augsburger Allgemeinen“. „Statt der Stärkung der Nato führt der Truppenabzug zu einer Schwächung des Bündnisses. Die Schlagkraft des US-Militärs wird nicht erhöht, sondern verringert, gerade mit Blick auf Russland und militärische Dauerkonflikte im Nahen- und Mittleren Osten.“

Natürlich leisteten US-Soldaten auch einen Beitrag zur Sicherheit Deutschlands, sagte Röttgen - „aber in erster Linie dient Deutschland den USA als logistische Drehscheibe für die eigene internationale Militärpräsenz“. „Ich habe immer betont, dass US-Soldaten in Deutschland willkommen sind und gehofft, dass ein Truppenabzug verhindert werden kann.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bedauert den Plan der US-Regierung. „Dies belastet leider das deutsch-amerikanische Verhältnis. Dabei ist der militärische Nutzen nicht erkennbar“, betonte Söder am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Auf Dauer schwäche die Entscheidung auch die Nato und die USA selbst.

(ahar/dpa/AFP)
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