Anschlag in Jerusalem Tod in der Gebetsstunde

Jerusalem · Erstmals wird jetzt auch eine Synagoge in Jerusalem Ziel eines tödlichen Anschlags. Die beiden Angreifer fielen mit einem Revolver, einer Axt und großen Messern über Betende her. Augenzeugen sprechen von einem Massaker. Der Anschlag erschüttert Israel bis ins Mark.

Jerusalem: Blutiger Anschlag auf Synagoge
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Blutiger Anschlag auf Synagoge in Jerusalem

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Die strengreligiösen Männer waren gerade beim Morgengebet Schacharit, als schwer bewaffnete Attentäter in die Synagoge eindrangen. Die zwei Palästinenser richteten am Dienstag in dem Gotteshaus in Har Nof am Westrand Jerusalems ein Blutbad an, sie töteten vier betende Juden, bevor sie selbst von Polizisten erschossen wurden.

Verstörende Bilder zeugen später von den Minuten des Schreckens: ein blutverschmiertes Schlachtermesser auf dem Boden. Ein jüdischer Gebetsschal zwischen den Bänken, ebenfalls mit Blutspritzern. Augenzeugen sprechen von einem "Massaker". Drei der Todesopfer waren aus den USA nach Israel eingewandert, einer der Männer stammte aus Großbritannien.

Israel hat schon viele Anschläge erlebt, doch die erste tödliche Attacke auf eine Synagoge in Jerusalem löst besondere Empörung und Erschütterung aus. "Es erinnert an ein Pogrom, wie es früher im Ausland gegen Juden verübt wurde", sagte Elieser Rauchberger, ein Einwohner des Viertels, in dem viele religiöse Juden leben.

2008 war eine Jeschiva, eine jüdische Religionsschule, in Jerusalem Ziel eines ähnlichen Anschlags geworden. Damals wurden acht Studenten getötet. Ein vergleichbarer Anschlag eines Juden auf eine heilige Stätte von Muslimen war jener von Baruch Goldstein in Hebron. Vor 20 Jahren erschoss er in den Patriarchengräbern 29 betende Muslime, bevor er selbst getötet wurde.

Gotteshäuser sollten eigentlich ein Ort der Ruhe und des Friedens sein. Doch im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, der seit Abbruch der Friedensgespräche im April wieder gefährlich eskaliert, werden immer neue Grenzen verletzt. Hass und Misstrauen sitzen so tief, dass auch kleinere Zwischenfälle einen neuen Ausbruch der Gewalt provozieren können.

Für böses Blut sorgte in dieser Woche der Tod eines palästinensischen Busfahrers - Israels Polizei spricht von einem klaren Suizid, die Familie jedoch von einem Lynchmord durch jüdische Siedler. Bei den Palästinensern weckt der Fall Erinnerungen an den Mord von Juden an einem palästinensischen Teenager im Sommer - eine Reaktion auf die Entführung und Ermordung dreier israelischer Jugendlicher durch militante Palästinenser. Zusammen mit der fortwährenden Wut über den Gaza-Krieg mit mehr als 2100 Toten, Landenteignungen und den ständigen Ausbau israelischer Siedlungen sowie die Besatzungsmaßnahmen bildet dies eine explosive Mischung.

So dreht sich die Spirale der Gewalt immer weiter. Bei seinem Besuch in Jerusalem hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier sich am Sonntag sehr besorgt über die Lage in der Region geäußert. "Die Überlagerung der zahlreichen ungelösten politischen Fragen mit religiöser Konfrontation gibt einem ohnehin ernsten Konflikt eine neue gefährliche Dimension", wiederholte er nach dem Anschlag am Dienstag.

Der Streit um die Nutzung des Tempelbergs in Jerusalem hat den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern gefährlich angeheizt und eine Serie von Anschlägen ausgelöst. Bei einem Dreiergipfel in Amman einigten sich Israel, Jordanien und USA zwar auf Schritte zu einer Beruhigung des auch religiös aufgeheizten Klimas. Doch dafür könnte es möglicherweise schon zu spät sein - Gewalt und Gegengewalt entwickeln ihre eigene Dynamik.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte am Dienstag angesichts der Serie palästinensischer Anschläge eine Politik der "harten Hand" an. Er will potenzielle palästinensische Attentäter mit Maßnahmen wie Häuserzerstörungen abschrecken. Die Erfahrung der vergangenen Jahre lehrt allerdings, dass solche Schritte wenig zu einer Beruhigung der Lage beitragen - eher im Gegenteil. 2005 war die umstrittene Praxis der Häuserzerstörungen eingestellt worden, nachdem eine Untersuchung ernste Zweifel an ihrem Erfolg geweckt hatte.

(dpa)
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