Kommentar zum Rücktritt Theresa May hinterlässt einen Scherbenhaufen

Meinung · Alle politischen Karrieren, lautet ein Diktum des britischen Politikers Enoch Powell, „enden im Versagen.“ Das Ende von Theresa May dagegen bedeutet ein Scheitern im Quadrat. Ein Kommentar aus London.

Angetreten als kompetent geltende Politikerin nach dem Brexit-Referendum 2016, steht sie nach knapp drei Jahren im Amt als jemand da, der nicht nur nichts gelang, sondern die auch alles schlimmer gemacht hat. Sie verspielte die von ihrem Vorgänger David Cameron geerbte parlamentarische Mehrheit in vorgezogenen Neuwahlen. Sie hinterlässt ein Parlament, das völlig blockiert ist und sich zu keiner Brexit-Lösung durchringen kann. Sie hat die Gräben im Land zwischen Brexit-Befürwortern und Europa-Freunden vertieft statt überbrückt. Großbritannien ist heute zerrissener und politisch gespaltener denn je, und Theresa May trägt daran keine kleine Schuld.

Einer ihrer schlimmsten Fehltritte war der Spruch „No-Deal ist besser als ein schlechter Deal“. Damit wollte sie den Brexit-Hardlinern schmeicheln, die den klaren Schnitt mit Brüssel wollen und in den Konsequenzen eines ungeordneten Austritts dafür nur einen kleinen Preis sehen. Dabei war No-Deal niemals eine realistische Alternative zum Austrittsvertrag. Theresa May hat das erst viel zu spät eingesehen, als die Fronten schon heillos verhärtet waren. Doch der Schaden war angerichtet. Wenn kurz nach dem Referendum noch die Chance bestanden hatte, zusammen mit der Opposition eine womöglich weichere Brexit-Lösung zu finden, die zum einen politisch durchsetzbar war und zum anderen ein gespaltenes Land wieder heilen konnte, so verspielte May diese Chance, als sie – und das auch noch völlig erfolglos – sich dem rechten Flügel ihrer Fraktion andiente.

Ihr größtes Problem war vielleicht persönlicher Natur: ihre Unnahbarkeit. Sie sei, gab sie zu, keine gute Small-Talkerin und säße lieber über ihren Akten als beim Bier im Pub, um politische Kontakte zu pflegen oder Seilschaften zu organisieren. Sie trägt den Spitznamen „Eiskönigin“, weil sie sich im dienstlichen Umgang betont kühl gibt. Im Privatleben jedoch, berichten ihre Vertrauten, sei sie aufgeschlossener und manchmal geradezu warmherzig. Zeigen konnte sie es nie. May hat seit 2013 mit einer Erkrankung an Diabetes zu kämpfen. Das mag erklären, dass sie sich in erster Linie auf die Dinge konzentrieren will, die es zu erledigen gilt, und keine Zeit mit Nettigkeiten verschwenden will.

Doch ihr Führungsstil wurde ihr zum Verhängnis. Sie hatte zum Schluss praktisch keine Freunde mehr innerhalb der Partei oder der Fraktion. Selbst enge Mitarbeiter in der Downing Street verzweifelten, weil May wie eine Sphinx ihre Meinung für sich behielt und für gut gemeinte Ratschläge unzugänglich war. Isoliert im Kabinett, konnte sie sich nur an der Macht halten, weil ihre Ministerriege zwischen Befürwortern eines harten oder eines weichen Brexit zerstritten war. Zum Schluss führte sie eine Zombie-Regierung an, der gar nichts mehr gelang.

Jetzt steht das Land vor einem Scherbenhaufen. Ihren noch zu bestimmenden Nachfolger mahnte May in ihrer Rücktrittserklärung an, eine Konsenslösung beim Brexit zu finden, denn „Kompromiss ist kein schmutziges Wort“. Das klingt wie Hohn aus dem Mund einer Frau, die viel zu lange jeden Kompromiss abgelehnt hatte und deren Trickserei und Taktiererei ausgerechnet die Grundlagen zerstört hat, um Konsens zu ermöglichen. Dabei hat sie recht. Ohne Einlenken auf beiden Seiten geht es nicht. Doch die Chancen, dass sich ein moderater Nachfolger von May finden ließe, sind gering. Wahrscheinlicher ist es, dass der größte Brexit-Schreihals das Rennen machen wird, weil die Partei-Basis das so will.

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