Sind die Atomarsenale noch sicher? Terroristen bringen Pakistan ins Wanken

Islamabad/Düsseldorf (RP). In Pakistan jagt ein Terroranschlag den nächsten. Etwa 150 Menschen sind in den vergangenen Tagen ums Leben gekommen. Nun wächst die Sorge: Wie sicher sind die Atomarsenale noch vor dem Zugriff der Taliban und der Terroristen von al Qaida? Die Regierung in Islamabad startet eine Militäroffensive gegen die Islamisten mit dem Ziel, sie zu vernichten.

Die wichtigsten Akteure in Pakistan
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Bomenanschläge, Angriffe, Attentate. Taliban und Kämpfer des Terrornetzwerkes Al Qaida stürzen das Land Pakistan ins Chaos. An diesem Freitag wurden bei einem Selbstmordanschlag in der Stadt Peschawar mindestens zwölf Menschen getötet. Das Attentat richtete sich gegen ein Büro der Kriminalpolizei, wie offiziell mitgeteilt wurde. Dutzende Menschen seien verletzt worden, hieß es in einem Krankenhaus. Vermutlich geht auch diese Bluttat auf das Konto von islamistischen Fundamentalisten.

Wird die Atommacht Pakistan von inneren Kämpfen zerrissen und so destabilisiert, dass sie eine Gefahr für ihre direkten Nachbarn und den Erzfeind Indien wird? Denkbar ist ein Szenario, in dem die radikalislamischen Taliban zusammen mit abgetauchten Zellen der Terror-Organisation al Qaida, die in den schwer zugänglichen Gebieten Waziristans Unterschlupf und Schutz bei lokalen Clans gefunden haben, den Griff nach den Atomwaffen des Landes wagen. Das wäre für sie die Erfüllung eines Traumes, für den Rest der Welt ein Alptraum.

Gegner auf Augenhöhe

Massenvernichtungswaffen in Terroristenhand oder zumindest strahlendes nukleares Material für den Bau einer "schmutzigen Bombe"— beides würde die globale Terrorgefahr potenzieren. Die so Bedrohten wären zum Gespräch mit Terroristen gezwungen. Diese Gefahr ist real.

Die Anschlagserie islamistischer Extremisten, die am Donnerstag in verschiedenen Städten Pakistans mindestens 40 Tote gefordert hat, war eine Reaktion der Extremisten auf die Ankündigung der Regierung, sie militärisch besiegen zu wollen. In Lahore in Pakistans bevölkerungsreichster Provinz Punjab waren Einrichtungen von Justiz und Polizei das Ziel. Auch das Ausbildungszentrum einer Eliteeinheit der Polizei wurde ins Visier genommen. In anderen Landesteilen ging es um eine Polizeiwache, ein Sprengsatz ging nahe einer Schule hoch.

Dolchstoß ins Herz der Armee

Staatspräsident Asif Ali Sardari gab sich kämpferisch. Das seit elf Tagen andauernde Blutvergießen werde die Regierung nicht von ihrer Aufgabe abhalten, die gewalttätigen Extremisten auszulöschen, sagte er. Bei den Anschlägen der vergangenen zwei Wochen sind mehr als 100 Menschen getötet worden.

Die Armee wurde tief in ihrem Selbstbewusstsein getroffen, als Terroristen vor wenigen Tagen in das schwer gesicherte Hauptquartier der Garnisonsstadt Rawalpindi eindrangen und dort Geiseln nahmen. 24 Stunden hielten sie sich verschanzt, bevor die Aktion blutig beendet wurde. Spätestens da war der Militärführung klar, dass sie handeln musste. Die Angreifer waren wie zum Hohn in Militäruniformen und Autos mit Armeekennzeichen vorgefahren. Hätten sie so auch unbehelligt Einlass in die Atomarsenale gefunden? Angeblich befinden sich die Nuklear-Depots im Westen Pakistans, um nicht zu nahe an der Atommacht Indien zu sein. Beide Länder sind miteinander verfeindet. Doch der Westen ist gefährliches Taliban- und Al-Qaida-Gebiet.

Ein Notfallplan liegt angeblich in der Schublade

US-Außenministerin Hillary Clinton sieht aktuell keinen Hinweis, dass die Extremisten die Macht übernehmen könnten. Sie habe Vertrauen in die Fähigkeiten des Militärs, die Atomwaffen vor einem Zugriff der Taliban zu schützen. Als sie Ende 2008 von Barack Obama zur neuen Außenministerin ernannt wurde, hatte sie eine amerikanisch-britische Aufsicht über die Waffen vorgeschlagen. Mit Hinweis auf die eigene Souveränität hatte Pakistan das zurückgewiesen.

Doch damit war das Atomthema nicht vom Tisch. Die Zeitschrift "New Yorker" hatte zuvor berichtet, die USA hätten einen Notfallplan in der Schublade, sollte es Chaos oder Krieg in der Region geben. Eine US-Sondereinheit trainiere bereits zusammen mit einer israelischen den Einsatz zur Sicherung der Waffen.

Pakistan wiegelt ab, die USA sind beunruhigt

Nach Einschätzung westlicher Militärexperten und Geheimdienste besitzt Pakistan rund 90 Atombomben. Im Gegensatz zu russischen oder amerikanischen Nuklearwaffen haben die pakistanischen kein elektronisches Code-Sicherungssystem zur Schärfung der Sprengköpfe. Jeder, der physisch über die Waffe verfügt, kann sie daher auch einsetzen. Was er noch braucht, sind Raketen, um sie ins Ziel zu bringen. Die Pakistani wiegeln ab. Sie sagen, diese Waffen seien sicher, weil die Bestandteile an verschiedenen Orten gelagert würden. Sie seien nicht in einem zündungsfähigen Zustand.

Das Problem beunruhigt die USA schon länger. Nach den Al-Qaida-Terroranschlägen vom 11. September 2001 hatten die USA dem damaligen Staatschef Musharraf rund 100 Millionen Dollar zur Sicherung der nuklearen Arsenale überwiesen. Gestern gab Präsident Barack Obama 7,5 Milliarden Dollar frei, um bis 2014 zivile Hilfe für Pakistan zu finanzieren.

(RP)
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