Afrika-Blog Teil 7: Alles im Anzug

Samstag, 8. April 2006 Auch am Samstag war das Programm des Bundespräsidenten wieder eng gestrickt: Flug mit der Maschine des madegassischen Präsidenten in den Nordwesten des Landes, weiter mit dem Hubschrauber zu einem Krankenhaus, von dort aus in den Nationalpark Ankarafantsika, Rundgang durch den Park, dann erster Teil des Rückflugs mit dem Helikopter, zweiter Teil mit dem Flugzeug. Und das alles im Anzug!

Samstag, 8. April 2006 Auch am Samstag war das Programm des Bundespräsidenten wieder eng gestrickt: Flug mit der Maschine des madegassischen Präsidenten in den Nordwesten des Landes, weiter mit dem Hubschrauber zu einem Krankenhaus, von dort aus in den Nationalpark Ankarafantsika, Rundgang durch den Park, dann erster Teil des Rückflugs mit dem Helikopter, zweiter Teil mit dem Flugzeug. Und das alles im Anzug!

Kleidungsdetail des Tages: Der Bundespräsident und sein madegassischer Kollege zeigten sich in einer Art Partnerlook: helle Anzüge, dunkle Sonnenbrillen, Strohhüte. Noch schicker waren allerdings einige der Madegassen. Die trugen nämlich T-Shirts mit dem Konterfei des deutschen Bundespräsidenten. Etwa eine Gruppe von Frauen, die am Krankenhaus in Marovoay auf ihren Präsidenten, Marc Ravalomanana, und Horst Köhler wartete und bei deren Ankunft kleine Fähnchen schwang.

Auch am Straßenrand standen Tausende Madegassen mit schwarz-rot-goldenen und grün-weiß-roten Fahnen und Flaggen. So viele, dass Horst Köhler abends anmerkte, es seien ihm fast zu viele gewesen. Nicht, weil er sich nicht über den herzlichen Empfang der Menschen gefreut hätte. Vielmehr meinte er wohl den… sagen wir: Vor-Wahlkampf, den Ravalomanana bereits begonnen hat, und das, obwohl die Wahlen frühestens Ende des Jahres stattfinden.

Bereichernde Eindrücke

Insgesamt war es bereichernd, aber auch dringend nötig, ein wenig weiter ins Land hineinzufahren. Der Eindruck, den man in der Hauptstadt (1,5 Millionen Einwohner) bekommt, täuscht nämlich darüber hinweg, dass die meisten Menschen in Madagaskar immer noch arm sind, 75 Prozent leben von der Landwirtschaft. Auf dem Entwicklungs-Index der Vereinten Nationen belegt der Inselstaat den 146. Platz von 177, und der Anteil internationaler Geber am Staatshaushalt beträgt zwei Drittel. Deutschland beispielsweise vergab im vergangenen Jahr sechs Millionen Euro direkt an Madagaskar, wenn man jedoch den deutschen Anteil an internationalen Organisationen einkalkuliert, waren es 67 Millionen Euro.

Das Pro-Kopf-Einkommen der Madegassen liegt bei 250 Dollar im Jahr. Das erklärt, warum Herr Köhler auf seiner Reise ein von Deutschland unterstütztes Krankenhaus in Marovoay besuchte, wo es einen Hilfsfonds für Mittellose gibt: Die durchschnittlichen Kosten für einen Krankenhausaufenthalt liegen auf der Insel bei 50 Euro. Weil sie sich das viele Menschen nicht leisten können, gibt es im Fall einer ernsthaften Erkrankung für sie oft keine Rettung. Der Hilfsfonds aus Geldern christlicher und muslimischer Organisationen, des Gesundheitsministeriums und deutscher Entwicklungszusammenarbeit finanziert mittellosen Kranken den Transport mit einer Begleitperson zum Krankenhaus, die Behandlung sowie das Essen.

"Durchgeschleust"

Der Gang durch das Krankenhaus ist natürlich auf der einen Seite interessant. Auf der anderen Seite liegen mir solche Termine immer ein wenig im Magen. In Deutschland werden die Menschen gefragt, bevor man (ausländische!) Journalisten mit Kameras und andere Delegationen durch ihre Krankenzimmer schickt. In Afrika aber werden sie darüber in den allermeisten Fällen höchstens in Kenntnis gesetzt. Daher macht es mich nicht gerade glücklich, wenn ich durch Zimmer mit Frauen geschleust werde, die sich gerade von ihrem Kaiserschnitt erholen, oder durch Zimmer von Männern, die an Darmverschluss oder schlimmerem leiden. — Bei einem Bundespräsidenten ist das sicher noch wieder ein bisschen anders, weil die Kranken es — gerade in Afrika — vielleicht als Ehre empfinden, dass der fremde Präsident Anteil an ihrem Schicksal nimmt.

Und wie es so die Art von Herrn Köhler ist, tat er das selbstverständlich und unterhielt sich mit einigen der Kranken. (Das habe ich allerdings auch nur im madegassischen Fernsehen gesehen, weil wir Schrift-Journalisten die Präsidenten beim Rundgang nicht begleiten durften; wir wurden später "durchgeschleust".)

Im Anschluss an den Besuch übergab Herr Köhler den Ärzten ein neues Diagnosegerät. Aber eigentlich hat er auch noch etwas anderes hinterlassen (und das zählt durchaus auch zum Wahlkampf seines Kollegen Ravalomanana): eine frisch geteerte Straße. Die war beim Vorbesuch der Mitarbeiter des Bundespräsidenten vor wenigen Monaten nämlich noch nicht gemacht… Die Ironie dabei: Herr Köhler hat die Straße kaum benutzt — schließlich kamen er, Ravalomanana und die engsten Stabsmitarbeiter mit dem Hubschrauber.

Bedrohte Naturwälder

Wir hingegen fuhren über Land — durch eine von sanften Hügeln unterbrochene Ebene mit Mangobäumen und Reisfeldern. Leider sah man neben der Schönheit der Landschaft auch die Probleme: die Auswirkungen von Brandrodung und Erosion. Wenn die Umweltzerstörung im gleichen Maß weitergeht wie bisher, sind die Naturwälder der Insel in 20 Jahren verschwunden und damit auch der Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten.

Für Horst Köhler ist Umweltschutz daher neben dem Demokratisierungsprozess eines der Hauptthemen seines Besuchs. Immer wieder betont der Bundespräsident, dass die Umweltprobleme Afrikas auch den Rest der Welt etwas angehen. Gleichzeitig weiß er natürlich, dass, wer in Not und Armut lebt, oft keine Rücksicht auf die Natur nehmen kann. Das Ziel des Bundespräsidenten: "Wer Umwelt und Natur schützen will, muss deshalb vor allem die Armut bekämpfen. Madagaskar hat sich zum Ziel gesetzt, die Armut innerhalb von zehn Jahren zu halbieren. Deutschland will dazu beitragen."

Beim nächsten Projekt, das der Bundespräsident sich anschaute, handelte es sich um ein Naturschutzprojekt: um den 130.000 Hektar großen Nationalpark Ankarafantsika, in dem acht Lemuren- und rund 130 verschiedene Vogelarten leben. Sein Aufbau wird wesentlich von Deutschland mitfinanziert. Überhaupt gehen 80 Prozent der deutschen Entwicklungsgelder für die Insel in Umweltprojekte.

Als wir in Ankarafantsika ankamen — und zwar vor den beiden Präsidenten, obwohl diese mit dem Helikopter unterwegs waren —, warteten schon wieder Fähnchen schwingende Schulkinder. Mit großem Hallo wurden die zwei Staatsoberhäupter begrüßt, und dann gab's vor dem Rundgang durch den Park erst mal Essen. Mittags war Herr Köhler dann auf einmal umgezogen (kein Partnerlook mehr! :-)), und ich hörte, dass er zwischendurch sogar geduscht hatte. Es war mit 34 Grad im Schatten aber auch wirklich heiß!

Höllenfahrt

In einer wahren Höllenfahrt (die sich darin in keiner Weise von der Hinfahrt unterschied!) ging es für uns am Nachmittag in Jeeps zurück zum Flughafen von Mahajanga, wo die Präsidentenmaschine schon wartete. (Das tat sie allerdings auch noch ein bisschen länger, denn die Hubschrauber kamen wieder nach den Autos an. Was diesmal aber einfach damit zusammenhängt, dass Herr Köhler und Co. noch durch den Nationalpark spazierten, als wir schon auf der Rücktour waren.) Die Fahrer heizten wie die Verrückten an den Dörfern vorbei, und wir standen Heidenängste aus wegen der Kinder, die überall an den Straßenrändern standen und winkten. Den der Kolonne vorausfahrenden Motorradfahrer juckte das alles überhaupt nicht — er fuhr bisweilen sogar mit nur einer Hand. Wir waren wirklich erleichtert, als wir am Flughafen angekommen waren, ohne größere Schäden angerichtet zu haben.

Am Sonntag geht es zur letzten Station der Afrika-Reise des Bundespräsidenten. Nach Botswana. Dort wird Herr Köhler unter anderem eine Diamantenmine besuchen — und uns glücklicherweise mitnehmen!! Aber dazu dann später mehr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort