Ägyptens Ex-Präsident entgeht Todesstrafe Tausende fordern den Tod Mubaraks

Kairo · Abermals wird der Tahir-Platz in Kairo Schauplatz von tumultartigen Szenen. Vielen Demonstranten ist der Richterspruch für den ehemaligen Präsidenten Mubarak nicht hart genug. Sie wollen die Todesstrafe. Mubarak selbst erwägt angeblich, Einspruch gegen das Urteil einzulegen.

Heftige Demonstrationen nach Mubarak-Urteil
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Nach dem Urteil im Prozess gegen den früheren Machthaber Husni Mubarak haben in Ägypten Tausende Menschen gegen das ihrer Meinung nach zu milde Urteil protestiert. Der 84-Jährige war der Todesstrafe entgangen, muss aber wegen des Befehls zur Tötung von Demonstranten während des Volksaufstands Anfang 2011 lebenslang in Haft.

Auch Mubaraks früherer Innenminister soll den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Sechs führende Vertreter der Sicherheitskräfte wurden indes aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft am Sonntag Berufung ein.

Mubaraks Söhnen konnte ebenfalls keine Schuld nachgewiesen werden. Mit den erneuten Demonstrationen verschärfen sich zwei Wochen vor der Präsidenten-Stichwahl die Spannungen in dem nordafrikanischen Land. In der Abstimmung tritt der letzte Regierungschef unter Mubarak gegen einen Kandidaten der islamistischen Muslimbrüder an.

Nachdem ein Kairoer Gericht am Samstag die Urteile verlesen hatte, kam es vor dem Gebäude zu Jubelausbrüchen mit "Allahu Akbar"(Gott ist groß)-Rufen, Feuerwerk wurde gezündet. Danach schlug aber die Stimmung um. Auf dem zentralen Tahrir-Platz, Brennpunkt der Volkserhebung im vergangenen Jahr, versammelten sich mehrere Tausend Menschen.

Einige von ihnen forderten eine Hinrichtung Mubaraks, andere brachten ihre Besorgnis zum Ausdruck, dass der Ex-Präsident in einem Berufungsverfahren ganz freigesprochen werden könnte. "Das Urteil ist nicht fair", sagte ein Demonstrant. "Der Tahrir wird sich wieder füllen." Am Sonntag verweilten einige hundert Mubarak-Gegner auf dem Platz.

Für die kommenden Tage waren ebenfalls Proteste geplant. Die größte Kundgebung werde am Freitag stattfinden, kündigten Aktivisten an.

Ein Mitarbeiter des Generalstaatsanwalts teilte mit, dem Freispruch für die Vertreter der Sicherheitskräfte sei widersprochen worden. Angehörige der Opfer des Volksaufstands hatten die Befürchtung geäußert, dass dieser Freispruch auch Mubarak helfen könnte, ein erneutes Verfahren zu gewinnen. Dem Sender Al Dschasira zufolge erwägt Mubarak einen Einspruch. Eine Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Die Demonstranten sehen die lebenslange Haftstrafe für Mubarak und seinen früheren Innenminister Habib al-Adli sowie die Freisprüche als einen Beleg für den anhaltenden Einfluss des früheren Regimes. Ägypten befindet sich mitten in einem tiefgreifenden Umbruch.

Am 16. und 17. Juni wird in einer Stichwahl ein neuer Präsident gewählt. Neben dem letzten Ministerpräsident unter Mubarak, Ahmed Schafik, tritt der Vertreter der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, an. Eine der Wahlkampfzentralen Schafiks wurde am Sonntag dem staatlichen Nachrichten-Portal al-Ahram zufolge von Dutzenden aufgebrachten jungen Männern geplündert. Viele sehen in Schafik einen Vertreter des alten Systems. Es war bereits das zweite Mal, dass eine Wahlkampfzentrale des 70-Jährigen attackiert wurde. Schafik hatte Mubarak jüngst als Vorbild bezeichnet.

Auf seiner Facebook-Seite schrieb er am Samstag, der Richterspruch habe gezeigt, dass sich niemand über das Gesetz stellen könne. Die Muslimbrüder forderten nach der Urteilsverkündung dagegen eine Wiederaufnahme des Prozesses mit einer lückenlosen Beweisführung. Mursi hatte in der Vergangenheit die Todesstrafe für Mubarak befürwortet.

Mubarak wie versteinert

Zahlreiche Ägypter verfolgten die Urteilsverkündung live im Fernsehen. Richter Ahmed Refaat eröffnete mit den Worten, es handele sich um einen "historischen Tag". Die rund 30 Jahre währende Ära Mubaraks bezeichnete er als "tiefe, tiefe, tiefe Dunkelheit".

Der Prozess gegen Mubarak begann Anfang August. Wie auch am Samstag wurde der Ex-Machthaber stets auf einer fahrbaren Krankentrage in den Saal gebracht und verfolgte zusammen mit den anderen Angeklagten das Geschehen aus einem Metallkäfig. Bei der Urteilsverkündung trug Mubarak eine Sonnenbrille mit schwarzen Gläsern, so dass seine Augen nicht zu sehen waren. Sein Gesicht wirkte versteinert.

Bisher durfte Mubarak seine Strafe im Krankenhaus verbüßen. Nach dem Urteil erlitt er einem Fernsehbericht-Bericht zufolge einen Zusammenbruch. Er wurde demnach im Hubschrauber auf dem Weg in die Haftanstalt ärztlich versorgt. Die staatliche Nachrichtenagentur berichtete später, er sei ins Krankenhaus eines Kairoer Gefängnisses eingeliefert worden.

Die Korruptions-Anklagen gegen Mubaraks Söhne wurden eingestellt. Sie müssen allerdings in Haft bleiben, um sich einem anderen Verfahren zu stellen. Darin geht es um Börsenmanipulation.

Der Arabische Frühling begann im Dezember 2010 mit der Jasminrevolution in Tunesien und erfasste neben Ägypten viele andere Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens. Während es in Libyen zu einem Bürgerkrieg kam, der erst mit der Tötung von Machthaber Muammar Gaddafi ein Ende fand, kämpfen in Syrien Streitkräfte von Präsident Baschar al-Assad weiter hart gegen Aufständische.

In Ägypten hatte der Arabische Frühling Anfang 2011 seinen Höhepunkt. 18 Tage dauerte der Volksaufstand. Bei der Niederschlagung der Proteste im Zuge des arabischen Frühlings kamen etwa 850 Menschen ums Leben. Mehr als 6000 wurden verletzt. Mubarak wurde am 11. Februar 2011 gestürzt.

(REU)
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