US-Soldat kehrt in USA zurück Verstörende Tagebucheinträge Bowe Bergdahls aufgetaucht

Washington · Nachdem er fünf Jahre von den Taliban als Geisel gefangen gehalten wurde, ist US-Soldat Bowe Bergdahl am Freitag in die USA zurückgekehrt. Zeitgleich tauchten Tagebücher, E-Mails und Facebook-Posts aus der Zeit vor Bergdahls Geiselnahme auf und zeigen ein zerrissenes Bild des US-Soldaten.

Taliban lassen US-Soldat Bowe Bergdahl nach fünf Jahren frei
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Taliban lassen US-Soldat Bowe Bergdahl nach fünf Jahren frei

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Foto: afp, dec/rix

Vor seinem Verschwinden von einem Militärstützpunkt in Afghanistan schrieb US-Feldwebel Bowe Bergdahl auf Facebook von seinem Frust über die Welt und seinem Wunsch, den Status quo zu verändern. Er kritisierte ungenannte Befehlshaber und Regierungsmitglieder und sinnierte darüber, ob es Aufgabe des Künstlers, des Soldaten oder des Generals sei, Gewalt zu beenden und "den Verstand von Narren zu verändern". In seinen privaten Schriften schien er seine Frustration auf sich selbst zu konzentrieren und auf seinen Kampf, seine geistige Stabilität zu bewahren.

Insgesamt zeichnen die Schriften - die erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangten - das Bild eines jungen Mannes, der es mit zwei Konflikten zu tun hatte: einem, der mit Kugeln und Bomben außerhalb des Militärgeländes ausgetragen wurde und einem, den er mit sich selbst ausmachte. Bergdahls Facebook-Seite wurde am Mittwoch von der Nachrichtenagentur AP entdeckt. Kurz darauf wurde sie von Facebook wegen eines Verstoßes gegen die Geschäftsbedingungen vom Netz genommen. Bergdahl eröffnete die Seite unter dem Namen "Wandering Monk" (Umherwandernder Mönch). Der letzte Post stammt vom 22. Mai 2009, wenige Wochen, bevor er in Gefangenschaft geriet.

Mary Robinson, eine Facebook-Freundin Bergdahls, arbeitete während seiner Oberschulzeit mit ihm in einem Massagezentrum und einem Teehaus. Warum er sich "Wandering Monk" genannt habe, wisse sie nicht, sagt sie. "Er war sehr, sehr bodenständig. Er war neugierig.
Er war keiner, der Partys gefeiert hat, wie manche Kids das machen", erklärt Robinson, während sie überprüft, dass es sich tatsächlich um Bergdahls Facebook-Seite handelte. "Er ging da rüber mit der guten Absicht, seinem Land zu dienen."

Bergdahl war frustriert

In seinem Post vom 22. Mai beschrieb Bergdahl eine Mission in den Bergen von Afghanistan, die acht Stunden dauern sollte. Stattdessen war der Trupp fünf Tage unterwegs, nachdem Fahrzeuge des Konvois von Bombenanschlägen beschädigt worden waren. Die Gruppe musste nahe einem Bergdorf kampieren, wie Bergdahl in seiner mit Rechtschreibfehlern gespickten Mitteilung schrieb. Als sich der Konvoi wieder in Bewegung gesetzt habe, sie die Fahrt entlang eines Flussbetts in einem langen tiefen Tal weitergegangen.

Erneut wurde dem Post zufolge eines der Fahrzeuge von einem Sprengsatz getroffen. Die Soldaten wollten daran ein Abschleppseil befestigen. Daraufhin wurden sie von Menschen auf den Hügeln beschossen. Die feindlichen Kämpfer "begannen, uns mit Kugeln einzudecken, und überall um uns herum konnten die Schützen nur einige von ihnen sehen, also feuerten sie den Rest der Zeit blind, hoch in die Bäume und Felsen", schrieb Bergdahl. Weil eines der Maschinengewehre versagte, musste Bergdahl dem Richtschützen seine eigene Waffe übergeben. "Ich saß da und schaute zu, sonst durfte ich nichts tun", schrieb er.

Bei dem Vorfall wurde niemand getötet, doch Bergdahl war von der Gefahr und der Situation frustriert. "Weil das Oberkommando zu blöd war zu entscheiden, was zu tun ist, wurden wir mitten im Nichts sitzengelassen, ohne Unterstützung bis zum späten Vormittag des nächsten Tages. (...) Aber die Berge Afghanistans sind wirklich schön", schrieb er.

Etwa zweieinhalb Wochen nach seinem letzten Facebook-Post schrieb Bergdahl eine teilweise verschlüsselte E-Mail an eine langjährige Freundin, Kim Harrison. Darin ließ er erkennen, dass er sich um seine Privatsphäre sorge und deshalb seine Pläne nicht mitteilen könne. Harrison übergab diese Mail und weitere Schriftstücke Bergdahls der Zeitung "Washington Post". Sie sei besorgt darüber, wie er als berechnender Deserteur dargestellt werde, sagte sie zur Begründung. Zwei Wochen nach der verschlüsselten Mail verschwand Bergdahl von seinem Stützpunkt.

Verstörende Tagebucheinträge

Ein Karton mit seinem Tagebuch, seinem Laptop und anderen Gegenständen traf mehrere Tage danach bei Harrison ein. Die Schriften, die sie entdeckte, sind verstörender als das, was er auf Facebook postete. Sein Tagebuch scheint den Kampf zu schildern, wie er versucht, während der Grundausbildung und seines Einsatzes in Afghanistan mental stabil zu bleiben. "Ich bin besorgt", schreibt er vor seiner Entsendung. "Je näher ich der Verschiffung komme, desto ruhiger sind die Stimmen. Ich falle zurück. Ich werde kälter. Meine Gefühle werden von der eingefrorenen Logik und der Ausbildung überflutet, all das gefühllose, kalte Urteile der Dunkelheit."

Bereits zuvor hätten Bergdahls Freunde sich um seine seelische Gesundheit gesorgt, erklärte Harrison der "Post". 2006 sei er von der US-Küstenwache nach 26 Tagen Grundausbildung aus nicht näher benannten Gründen entlassen worden, berichtete die Zeitung unter Berufung auf die Küstenwache. Harrison erklärte, es habe sich um psychologische Gründe gehandelt.

Doch als er 2008 zum Heer ging, hatten es die Streitkräfte mit Kriegen in Afghanistan und Irak zu tun. Regelmäßig wurden daraufhin auch Personen etwa mit Vorstrafen oder Gesundheitsproblemen zum Militärdienst zugelassen. Ob auch Bergdahl eine solche Ausnahmegenehmigung erhielt, wollten die Streitkräfte nicht sagen.

Bergdahl zurück in den USA

Nach seinem Krankenhausaufenthalt in Deutschland kam Bergdahl am Freitagmorgen am Brooke Army Medical Center in San Antonio an, wie das Pentagon mitteilte. Dort sollte der aus Idaho stammende Soldat mit seiner Familie zusammengeführt werden. Bergdahl solle die nächste Phase seines Reintegrationsprozesses am Stützpunkt in Texas fortsetzen, hieß es weiter.

Bergdahl war vor knapp zwei Wochen nach fünf Jahren Geiselhaft in Afghanistan gegen fünf Taliban ausgetauscht worden und dann im US-Militärhospital in Landstuhl in Rheinland-Pfalz behandelt worden. Wegen des Gefangenenaustausches geriet die US-Regierung stark unter Druck. Dabei geht es um drei Vorwürfe: Zum einen wurde der Kongress nicht - wie gesetzlich vorgeschrieben - vorab von der Freilassung der Guantánamo-Häftlinge informiert; zum zweiten könnten die in die Obhut Katars überstellten fünf Taliban wieder Terrorakte verüben; zum dritten wird Bergdahl unterstellt, sich von seinem Posten entfernt zu haben und als Deserteur quasi selbst schuld an seiner Gefangennahme gewesen zu sein.

Vor allem aus den Reihen der Republikaner wurde der Ablauf scharf kritisiert, doch auch einige Kongressmitglieder der Demokraten waren verstimmt.

(dpa)
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