USA vor Militärschlag im Bürgerkriegsland Syrien verändert Obamas außenpolitsche Welt

Washington · Im Syrien-Konflikt scheint es in diesen Stunden nicht mehr um die Frage zu gehen, ob es zu einem Militärschlag kommt, sondern wann. Damit ändern die USA ihre bislang zögerliche Handlungsweise in den arabischen Krisenregionen. Dabei hatte sich US-Präsident Barack Obama seine Außenpolitik zu seinem Amtsantritt noch ganz anders vorgestellt.

Wie die Länder der Welt zu einem Militärschlag in Syrien stehen
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Foto: ap, Mohammad Hannon

Unruhen in Tunesien, ein zwar frei gewählter, aber gestürzter Präsident in Ägypten und der Bürgerkrieg in Syrien mit dem mutmaßlichen Einsatz von chemischen Waffen. Die Lage in den arabischen Regionen ist alles andere als stabil und damit auch eine völlig neue als noch zu Obamas Amtsantritt im Jahr 2009. Dabei waren dessen außenpolitische Ziele damals hochgesteckt.

Einen Neubeginn im Verhältnis mit Russland und der arabischen Welt sollte es geben. Doch die nun veränderte Realität verlangt auch von den USA eine veränderte Verhaltensweise — was Washington bislang allerdings nur zögerlich umzusetzen gedachte. So hatte sich die Regierung etwa bislang geweigert, die Absetzung von Mohammed Mursi in Ägypten als Putsch zu bezeichnen. Und auch im Fall Syriens hatte man sich bislang mit der Androhung von militärischen Konsequenzen zurückgehalten. Immer wieder sprach Washington davon, dass eine politische Lösung gefunden werden müsse.

Mit dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien aber haben sich die Dinge geändert. Deutlich wie nie hatte sich die Regierung geäußert, dass sie kaum Zweifel habe, dass das Regime in Damaskus hinter dem Giftgasanschlag mit offenbar Hunderten Toten stecke. Die "rote Linie" ist damit überschritten. Von dieser hatte Obama gesprochen, als es um den Verdacht ging, dass das Assad-Regime möglicherweise chemische Waffen einsetzen könnte. Dann würden die USA handeln, hieß es. Doch die Warnungen sind offenbar verpufft. Die Bilder der vergangenen Tage von Dutzenden Toten, vor allem vieler Kinder, haben aufschrecken lassen und erzwingen nun förmlich eine Reaktion des Westens — falls sich der Verdacht durch die UN-Inspektoren bestätigen lässt.

Vom Sturz Assads ist in Washington keine Rede

­Auch wenn es nur noch darum zu gehen scheint, wann die USA zuschlagen, so versucht sich Washington doch in gewisser Weise in Zurückhaltung. Es gehe nicht um eine langfristige Militäraktion, sondern um ­eine wohl zwei Tage andauernde, und es gehe auch nicht darum, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu stürzen, berichtete die "Washington Post". Es solle verhindert werden, dass die USA stärker in den Konflikt hineingezogen würden. Denn die Obama-Regierung weiß genau, dass sie für einen Syrien-Einsatz wohl kein UN-Mandat bekommen wird so wie einst in Libyen. Und schon damals war der Einsatz mehr als umstritten.

Auch die Bevölkerung in den USA ist alles andere als begeistert, dass sich die USA erneut in einen Krieg begeben könnten. Eine Reuters/Ipsos-Umfrage vom Wochenende zufolge lehnt eine breite Mehrheit (60 Prozent) einen amerikanischen Militäreinsatz in Syrien ab. Obama muss also genau abwägen, um einerseits den nationalen Interessen Genüge zu tun, andererseits aber auch nicht Gefahr zu laufen, international an Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Denn er selbst hatte noch im März 2011 beim Einsatz in Libyen gesagt: "Einige Nationen können vielleicht Kriegsgräuel in anderen Ländern ignorieren. Die USA sind da anders. Als Präsident konnte ich nicht so lange warten, bis es Bilder von Gemetzel und Massengräbern gibt." Sollte das Assad-Regime nun wirklich Giftgas eingesetzt haben, könnte er genau an diesen Worten gemessen werden.

Ohnehin Eiszeit mit Russland

Obama weiß auch, dass er mit Großbritannien eine Macht hinter sich hat, die ihn unterstützen wird, sodass die USA keinen Alleingang wagen müssten (was sie wohl auch nicht tun würden). Auch Frankreich könnte eine Option für ein Bündnis sein, stand das Land — allerdings noch unter einem anderen Präsidenten — doch ebenfalls an der Seite der USA, als es um den Einsatz in Libyen ging.

Zwar weiß der US-Präsident, dass der einst so gewünschte Neuanfang mit Russland im Falle eines Militärschlages weiter in die Ferne rückt, denn Präsident Wladimir Putin lehnt diesen ab, und Moskau stand bislang fest hinter dem Assad-Regime. Doch das Verhältnis zwischen den beiden Staaten hat sich angesichts der Snowden-Affäre in den vergangenen Wochen ohnehin massiv abgekühlt, sodass dieses Risiko durchaus für den US-Präsidenten einkalkulierbar ist.

Denn der Obama-Regierung wird es auch darum gehen, Stärke und Entschlossenheit zu zeigen. Eben weil Obama zuletzt Zögerlichkeit vorgeworfen worden war. Analysten sagen, der US-Präsident hätte die Entwicklungen im arabischen Raum falsch eingeschätzt (auch wenn die Aufstände niemand voraussehen hätte können). Und so sahen die USA mitunter ratlos aus, was der nächste und vor allem der richtige Schritt sei. Ob dies im Falle Syriens ein Militärschlag ist, lässt sich derzeit nicht sagen, doch die Zeit zum Handeln, das scheint nicht nur in Washington sicher, scheint nun gekommen.

mit Agenturmaterial

(das)
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