Norbert Röttgen fordert Konsequenzen Folterbericht klagt Assad-Regime an

Düsseldorf/Genf/Berlin · Bilder eines Polizeifotografen belegen nach Ansicht von Experten die systematische Misshandlung und Tötung von Tausenden Gefangenen. Ihre Veröffentlichung überschattet die heute beginnende Syrien-Friedenskonferenz.

Ausgestochene Augen, Verbrennungen, Würgemale und Blutergüsse — der Anblick der Bilder von toten Gefangenen, die ein syrischer Polizeifotograf außer Landes geschmuggelt hat, ist nur schwer zu ertragen. Nach Ansicht internationaler Strafrechtsexperten belegen sie die systematische Folterung und massenhafte Tötung in syrischen Gefängnissen. Nach Berichten der englischen Tageszeitung "Guardian" und des US-Nachrichtensenders CNN zeigen die 55 000 Aufnahmen 11.000 Gefangene, von denen viele zu Tode gefoltert wurden.

Ausgewertet wurde das schockierende Bildmaterial des syrischen Überläufers mit dem Decknamen "Caesar" von drei Juristen, die als Staatsanwälte an den UN-Tribunalen für Jugoslawien und Sierra Leone gewirkt hatten. Nach Angaben von Desmond de Silva, Geoffrey Nice und David Crane dokumentieren die Unterlagen Todesfälle in der Haft zwischen März 2011 und August 2013. Die Aufgabe des geflüchteten Polizeifotografen sei es gewesen, die getöteten Gefangenen, zumeist junge Männer, zu fotografieren, nachdem ihre Leichen in ein Militärkrankenhaus gebracht worden waren. Den Angehörigen wurde lediglich ein Bild des Toten gezeigt, die Leichen wurden in anonymen Massengräbern verscharrt.

Berichte Überlebender über bestialische Folterungen durch die syrischen Sicherheitskräfte und Geheimdienste wie auch durch einige Rebellengruppen gibt es schon länger. Dennoch ist das von "Caesar" gelieferte Material nach Ansicht der drei Rechtsanwälte einzigartig, weil es den direkten Zusammenhang von Folter und Ermordung von Gefangenen dokumentiere. "Das ist die Art von Indizien, nach denen jeder Staatsanwalt sucht und auf die jeder Staatsanwalt hofft", sagte Jurist Crane. Sollte es später einmal zu einem Verfahren vor dem Internationalen Strafgericht gegen Syriens Präsident Baschar al Assad und seine Schergen kommen, könnten "Caesars" Fotos von entscheidender Bedeutung sein. Die Bilder zeigten "Tötungen in industriellem Ausmaß", heißt es in dem 31-seitigen Bericht der drei Juristen. Die vorliegenden Indizien legten den systematischen Charakter eines Verbrechens nahe, und dies wiederum lasse nur den Schluss zu, dass die Taten von der Regierung gedeckt würden.

"Assad wird sich der Verantwortung stellen müssen"

Das syrische Regime, das Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen in dem bald drei Jahre andauernden Konflikt stets zurückgewiesen hat, nahm zunächst nicht zu dem Bericht Stellung. In vielen Ländern, darunter Deutschland, lösten die grauenhaften Bilder dagegen Entsetzen aus. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), nannte die Berichte schockierend. "Für die massenhaft begangenen Verbrechen müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden", verlangte Röttgen. Auch die Grünen forderten Konsequenzen. "Assad wird sich der Verantwortung für die Gräueltaten, die unter seinem Regime verübt worden sind, stellen müssen", erklärte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

Die Folter-Bilder ließen die ohnehin nur geringen Hoffnungen auf einen Durchbruch bei den Syrien-Friedensgesprächen, die nach monatelangem Tauziehen am heutigen Mittwoch in der Schweiz beginnen sollen, weiter schwinden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon betonte, dass bei dem Konferenzauftakt in Montreux noch keine Verhandlungen stattfinden sollen. Erst am Freitag sollen Vertreter des Assad-Regimes und der Opposition am UN-Sitz in Genf konkrete Gespräche aufnehmen.

Ban hatte zuvor beinahe das vorzeitige Scheitern der Gespräche provoziert: Völlig überraschend hatte der UN-Generalsekretär zu Wochenbeginn auch den Iran zum Konferenz-Auftakt eingeladen. Teheran aber ist einer der wenigen engen Verbündeten des Assad-Regimes und unterstützt den Diktator auch mit massiver Militärhilfe. Empört drohte die syrische Opposition daraufhin mit einem Boykott der Konferenz. Ban machte daraufhin einen Rückzieher und zog die Einladung an die Iraner zurück. Seither gilt er in seiner Vermittler-Rolle als beschädigt. Er sei "tief enttäuscht" über die Iraner, rechtfertigte sich Ban. Sie hätten ihm zunächst private Zusicherungen gemacht, zu denen sie sich später öffentlich nicht mehr bekennen wollten. Konkret geht es um die Bildung einer syrischen Übergangsregierung mit voller exekutiver Gewalt, die den Weg zu einem friedlichen, demokratischen Staat ebnen sollte.

(may-)
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