Erschreckende Satellitenbilder Bürgerkrieg lässt in Syrien die Lichter ausgehen

New York · Ein Forscher in den USA zeigt am Beispiel von Satellitenbildern aus Syrien, was es bedeutet, wenn Lichter nach und nach erlöschen.

 So sahen die Satelliten die Lichter Syriens vor Beginn des Bürgerkrieges...

So sahen die Satelliten die Lichter Syriens vor Beginn des Bürgerkrieges...

Foto: dpa, cs

Xi Li sieht Nacht für Nacht, wie in Syrien die Lichter ausgehen. Der Gastgelehrte an der Geografischen Fakultät der Universität Maryland wertet seit vier Jahren nächtliche Satellitenaufnahmen des Bürgerkriegslandes aus. Syriens einst von Lichtpunkten übersäte Mittelmeerküste versank von Monat zu Monat tiefer in der Dunkelheit. Heute sind nachts 83 Prozent der Gegend schwarz. Im Norden und Osten Syriens sieht es nicht besser aus.

 ... und so wenig leuchtet das Land heute in der Nacht.

... und so wenig leuchtet das Land heute in der Nacht.

Foto: dpa, cs

Als Gründe für die nächtliche Düsternis nennt Li die Zerstörung der Infrastruktur und den Zusammenbruch der Stromversorgung wegen der Kämpfe. Vor allem aber verließen immer mehr Menschen die Konfliktgebiete. 3,8 Millionen Syrer seien ins Ausland geflohen, 220.000 sind laut Vereinten Nationen getötet worden.

Lis Aussichtspunkt im All zeigt das Ausmaß der Zerstörungen des Bürgerkriegs, der seit 2011 tobt. Als der gebürtige Chinese seine Arbeit im März 2011 begann, war Aleppo Syriens größte Stadt und jede Nacht hell erleuchtet. In den Aufnahmen vom Februar dieses Jahres ist die Stadt fast nicht mehr zu erkennen. 97 Prozent ihrer Lichter seien verschwunden, sagt Li.

Rakka versinkt in Düsternis

In Rakka, das die Terrormiliz Islamischer Staat zur Hauptstadt ihres selbst ernannten Kalifats ausgerufen hat, sieht es nicht viel besser aus. Dort sind Li zufolge 96 Prozent der Lichter ausgegangen. Und selbst die Regierungshauptstadt Damaskus hat 35 Prozent ihrer nächtlichen Strahlkraft verloren.

Weil Wolken und andere Faktoren die einzelnen Satellitenaufnahmen beeinflussen, ist Li dazu übergegangen, für jeden Monat den Durchschnitt der nächtlichen Beleuchtung darzustellen. So kann er zeigen, wie der Bürgerkrieg zwischen der Regierung von Präsident Baschar al-Assad, der gemäßigten und der radikalen Opposition um sich greift und das Land zerstört.

"Satellitendaten lügen nie", sagt Li am Telefon. "Die Nachtaufnahmen sind ziemlich unglaublich. Die Menschen in Syrien brauchen Hilfe." Li begann seine Arbeit im März 2011, im vergangenen Jahr veröffentlichte er sie erstmals. Ein Freund brachte ihn in Kontakt mit der Gruppe #withSyria.

Diese und andere Menschenrechtsaktivisten greifen auf seine Bilder zurück, um die Vereinten Nationen zum Handeln zu bewegen. 21 humanitäre Organisationen warfen dem UN-Sicherheitsrat vor, nichts für die Umsetzung der von ihm beschlossenen Syrienresolutionen zu tun. Die Vetomacht Russland verhindere ohnehin energischere Beschlüsse gegen ihren Verbündeten Assad.

Die Grausamkeit von Konflikten hat Li bereits vor mehr als 20 Jahren mit Hilfe nächtlicher Satellitenaufnahmen anschaulich gemacht. Als 1994 in Ruanda mehr als 800 000 Menschen ermordet wurden, gingen 80 Prozent der Lichter des zentralafrikanischen Landes aus. Den einzigen Unterschied zu Syrien sieht Li heute darin, dass die Lichter in Ruanda binnen sieben Monaten erloschen, während es in Syrien vier Jahre dauerte. "Das zeigt aber auch, dass das Leiden des syrischen Volkes viel länger dauert", schrieb Li in einer Email.

Was der Zusammenbruch der Stromversorgung bedeutet, schildert ein Zahnarzt aus einer Vorstadt von Damaskus. "Wir leben seit 900 Tagen ohne Strom", sagt der Mann, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht nennen will. Wer wegen Stromausfalls einen Tag lang auf seinen gewohnten Kaffee verzichten müsse, finde das bereits schwer erträglich. In seiner Gemeinde aber müssten ganze Schulen und Krankenhäuser seit fast drei Jahren ohne Strom arbeiten.

Geograf Li hat indessen ein weiteres Forschungsfeld für seine Methode gefunden: Syriens Nachbarn Irak.

(ap)
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