Die Folgen und die Risiken Was der Ausschluss Russlands von Swift bedeutet

Düsseldorf · Deutschland gibt seinen Widerstand auf: Die ersten russischen Banken werden vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen. Das trifft auch die russische Zivilbevölkerung und den Westen. Die deutsche Wirtschaft trägt das mit.

 Demonstranten (wie hier in Hamburg) forderten den Ausschluss Russlands von Swift.

Demonstranten (wie hier in Hamburg) forderten den Ausschluss Russlands von Swift.

Foto: dpa/Markus Scholz

Noch am Freitagabend hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gebremst: Wenn man Russland von Swift, dem internationalen Zahlungssystem, ausschließe, sei das ein scharfes Schwert, aber nicht unbedingt das klügste. Die Kollateralschäden seien möglicherweise hoch. Doch bis Samstag wurde der Druck der anderen Länder so stark, dass Deutschland sich einreihte: Der Westen schließt russische Banken von Swift aus - jedenfalls die, die bereits mit Sanktionen belegt sind. Zudem soll die russische Zentralbank daran gehindert werden, mit Geld, das sie im Westen liegen hat, den Rubel zu stützen und Putins Krieg zu finanzieren.

Was ist Swift? Swift ist eine Plattform, über die Banken in aller Welt Zahlungen miteinander abwickeln. Die Abkürzung steht für „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“. Es ist eine Art Whatsapp für Banken:Die überweisende Bank sendet darüber den Swift-Code (die BIC-Nummer) und die Kontonummer an die empfangende Bank. Swift ist eine Genossenschaft, die von Banken aus aller Welt getragen wird und ihren Sitz in der Nähe von Brüssel hat. Die Zentralbanken der zehn wichtigsten Industriestaaten (also nicht Russland) sind als Aufsicht tätig. Jeden Tag wickelt Swift Dutzende Millionen Transaktionen ab.

Was sind die Folgen für Russland? Wenn russische Banken das System nicht mehr nutzen können, können russische Exporteure keine Zahlungen aus dem Ausland mehr erhalten, deutsche Konzerne ihren russischen Töchter nichts mehr überweisen und umgekehrt. So soll Russland bei den Devisen ausgetrocknet werden.

Was ist der Vorteil des Ausschlusses? Das Instrument ist scharf: So unterbindet der Westen den Handel Russlands mit der ganzen Welt. Auf Länder wie die Schweiz, die Maßnahmen des Westens gegen Russland mit ihren Banken teilweise unterlaufen, käme es dann nicht mehr an. Russland hat zwar nach den Sanktionen 2014 ein eigenes System entwickelt, doch dies wird weitgehend nur innerrussisch benutzt, heißt es in der Branche. Wirklich global ist nur Swift. Binnen kurzer Zeit kämen dann kaum noch Devisen ins Land. Zudem ist Swift zu einem Symbol geworden: Lässt der Westen seinem Reden von der Solidarität Taten folgen? Auf Demonstrationen, auch auf der in Düsseldorf, war der Ruf nach einem Swift-Ausschluss eine wichtige Forderung.

Was sind die Nachteile des Ausschlusses? CDU-Chef Friedrich Merz hatte vor kurzem gewarnt, der Ausschluss Russlands von Swift können eine Atombombe für das globale Finanzsystem sein. Was er damit meinte: In einer global verflochtenen Finanzwelt sind die Auswirkungen eines solchen Eingriffs unberechenbar. Dass die Pleite einer US-Investmentbank namens Lehman die Welt in die schwere Finanzkrise stürzte, weil sie eine Kettenreaktion auslöste, war im September 2008 auch nicht sofort klar. Die Unsicherheiten, die mit dem Ausschluss Russlands aus Swift verbunden sind, sind also groß. „Es wird Erschütterungen an den Finanzmärkten geben, aber anders geht es nicht“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest. „Ich halte es für absolut richtig. Die Sanktionen müssen Putin und Russland unmittelbar mit aller Härte treffen“, sagte Lars Feld, der frühere Chef der Wirtschaftsweisen. Aber auch er betonte: „Es ist darauf zu achten, dass dadurch keine Finanzkrise entsteht. Der Zahlungsverkehr muss ohne Russland reibungslos ablaufen.“

Ein zweites Problem besteht darin, dass die Maßnahme auch die russische Zivilgesellschaft trifft. Wie sollen internationale Unternehmen dort noch Löhne zahlen? Der Hamburger Hafen (HLLA)  etwa hat seinen Mitarbeitern in Odessa in der Ukraine schon mal vorsorglich den nächsten Monatslohn überwiesen aus der konkreten Sorge, was da noch kommt. Wie kommen Hilfsorganisationen an Geld? Das Ganze war ein Problem, als der Westen den Iran aus Swift ausgeschlossen hat.

Das dritte Problem: Ohne Swift kann der Westen keine Energierechnungen aus Russland mehr bezahlen. Das vor allem hatte Baerbock im Sinn.

Droht jetzt ein Stopp der Energielieferungen? Noch liefern die Russen alle Gasmengen, zu denen sie sich verpflichtet haben, wie Gazprom am Sonntag noch einmal betonte. Mit einem Abklemmen aller russischen Banken von Swift droht sich das zu ändern. Deutschland, dessen Gasimporte zu 55 Prozent aus Russland stammen, hätte bald ein Problem mit der Stromversorgung (schon jetzt laufen alle Blöcke oft am Anschlag) und noch mehr mit der Wärmeversorgung. Das sind die Kollateralschäden, von denen Baerbock sprach. „Wir arbeiten daran, Russland so vom Swift-System abzukoppeln, dass Kollateralschäden möglichst klein bleiben“, twitterte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Deshalb wurden auch nur einige Banken von Swift ausgeschlossen - nämlich die, die der Westen bereits mit Sanktionen belegt hat wie etwa die Alfa Bank, Bank Otkritie, Bank Rossija und Promswjasbank. Die Frage ist, was passiert, wenn man den Swift-Ausschluss ausweitet auf die für die Energie-Rechnungen zuständigen Banken. Man kann so weit gehen, muss sich dann aber die Konsequenzen klar machen. Der Branchenverband BDEW beruhigte zwar schon am Donnerstag: Keine Wohnung werde kalt bleiben. Aber reihenweise vom Strom abgeklemmte Firmen wären auch ein Problem. Und schneller Ersatz durch andere Lieferanten und Energiequellen ist bei den Dimensionen des Gas-Importes kurzfristig unmöglich.

Wie reagiert die deutsche Wirtschaft? Die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber (BDA) unterstützt den Kurs der Regierung: „Die Arbeitgeber in Deutschland sind zutiefst erschüttert und stehen an der Seite der Ukraine und des ukrainischen Volkes. Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrer Entschlossenheit, dieser Aggression gegenüberzutreten. Dabei wird es auch zu wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen kommen. Freiheit und Demokratie gibt es aber nicht zum Nulltarif“, sagte Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärte, es gebe in der Wirtschaft großes Verständnis dafür, dass die Politik mit harten Sanktionen auf den Angriff auf die Demokratie reagiere. In Bankenkreisen heißt es, man werde die Sanktionen natürlich umsetzen: Theoretisch könnten sich die Banken zwar alternativ auch Faxe senden, doch man wolle ja gerade nicht die Sanktionen unterlaufen, heißt es weiter.

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