Gemeinsames Zentrum (GZ) Deutsche und Polen gemeinsam auf Ganovenjagd

Swiecko · Der Wegfall der Grenzkontrollen in der EU hat auch seine Kehrseite: Die Kriminalität, besonders die Zahl der Autodiebstähle, ist deutlich angestiegen. Im deutsch-polnischen Grenzgebiet arbeiten 44 deutsche und 25 polnische Beamte in einem polizeilichen Zentrum zusammen.

Deutsche und polnische Polizisten im engen Austausch.

Deutsche und polnische Polizisten im engen Austausch.

Foto: Swiecko Polizei Deutschland Polen dpa

Wenn man heute die Frankfurter Stadtbrücke über die Oder nach Slubice überquert, würde man nicht auf den Gedanken kommen, gerade die deutsch-polnische Staatsgrenze - die in der Mitte des Flusses verläuft - zu überschreiten: Keine Ausweis- oder Zollkontrollen, keine Uniformträger weit und breit, die einem den schönen Blick auf die Oder verstellen würden. Zu verdanken ist dies dem Beitritt Polens zum Schengen-Raum im Dezember 2007. Vorher war der Übergang ohne Ausweiskontrolle nicht möglich, trotz der EU-Mitgliedschaft Polens seit 2004.

Der Wegfall der Grenzkontrollen hat auch seine Kehrseite: die Kriminalität, besonders die Zahl der Autodiebstähle, ist deutlich angestiegen. Um die Zusammenarbeit der deutschen mit der polnischen Polizei, die bereits 2002 vertraglich vereinbart wurde, effizienter zu gestalten, hat man fünf Jahre später mit dem Beitritt Polens zum Schengen-Raum ein Gemeinsames Zentrum (GZ) eröffnet. Und zwar in dem zur Gemeinde Slubice gehörenden Dorf Swiecko. Es befindet sich in einem menschenleeren Gebiet weit außerhalb des Dorfes in dem ehemaligen einstöckigen Grenzabfertigungsgebäude am deutsch-polnischen Autobahnübergang A12 / A 2, einer der am stärksten befahrenen Autobahnen, ungefähr zehn Kilometer südöstlich von Frankfurt.

"Dass die Zahl der hier Beschäftigten aus beiden Staaten mit 44 deutschen und 25 polnischen Beamten unterschiedlich stark ist, hat strukturelle Gründe", erklärt der deutsche Koordinator, Polizeioberrat Ulf Buschmann. "An der Grenze zu Polen liegen die deutschen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen, die alle eine eigene Dienststelle im Bereich der internationalen Zusammenarbeit hatten. Bei der Gründung des Zentrums in Swiecko haben die Bundesländer die Aufgaben hierher verlegt, die Bundespolizei mit den Aufgaben auch ihre Mitarbeiter, während Polen seine damaligen Dienststellen weiter bestehen ließ."

In dem großen Büro im ersten Stock sitzen sich die Beamten beider Staaten in grünen und blauen Uniformen an Computern gegenüber. Seit seiner Existenz hat das Zentrum über 100 000 Anfragen bearbeitet, bei denen es hauptsächlich um Identitätsüberprüfungen, Fahndungen nach Personen und Fahrzeugen sowie Erlaubnisse zum Grenzübertritt geht. Buschmann: "Ohne eine Datenbank wäre eine erfolgreiche Zusammenarbeit nicht möglich. Vor dem Wegfall der Grenzen musste man manchmal sechs bis acht Wochen auf Informationen warten, heute bekommt man sie meistens umgehend. Doch die Kriminalität wurde dadurch auch nicht auf null gesenkt." Buschmanns Kollege Slavomir Trzeciak, seit 2014 Leiter des polnischen Grenzschutzes, pflichtet ihm bei.

Die Verfolgung Krimineller erfolgt mit Streifenwagen und wird von der mit den entsprechenden Daten ausgestatteten gemeinsamen Fahndungseinheit durchgeführt. Die Polizei hält verdächtige Fahrzeuge an, über die das Zentrum von der Leitstelle informiert wird. "Wenn ein junger Bursche mit einem 120 000 Euro teuren Auto in den frühen Morgenstunden über die Autobahn rast, ist das schon ein wenig verdächtig", sagt Buschmann.

Dank der Unterstützung durch das GZ Swiecko konnten 2014 unversteuerte Zigaretten im Wert 450 000 Euro, 83 Fahrzeuge im Wert von rund 1,5 Millionen Euro, Bauwerkzeuge (156 000), Drogen (8000) sowie Gegenstände aus Wohnungseinbrüchen beschlagnahmt werden. Gestohlene Fahrzeuge, die mit einem GPS-System ausgestattet sind, werden mit Hilfe des GZ in kürzester Zeit geortet. 2014 kam es zu 429 Einsätzen auf polnischer und 177 auf deutscher Seite. Und im sogenannten "Tandem", den gemeinsamen deutsch-polnischen Aktivitäten, zu 402 Einsätzen. Bei der Doppelstreife ist immer ein leitender Beamter verantwortlich, das heißt, wenn die Streife nach Polen geht, ist der polnischer Beamte der Chef und spiegelbildlich in Deutschland dann der Deutsche. Da nach dem 9. Juli der polnische und deutsche Beamte gemeinsam in einem Fahrzeug entsprechende Kontrollen durchführen werden, wird für das "Tandem" nur ein Fahrzeug benötigt .

"Eine gewisse Sprachkompetenz muss auf beiden Seiten vorhanden sein", meint Ulf Buschmann. "Die zehn Beamten der Bundespolizei sind zweisprachig. Es wird auch nicht mehr gedolmetscht: Wenn ein polnischer Kollege etwas verschickt, geschieht dies auf polnisch und umgekehrt. Es gibt bei uns verschiedene Sprachniveaus: von einfach bis professionell. Die Wege, auf denen die Kollegen ihre Kenntnisse erreicht haben, sind sehr verschieden: vom Muttersprachler bis zu solchen, die es von der Pieke auf, zum Beispiel in der Volkshochschule, gelernt haben. Einige sind auch mit Polinnen verheiratet."

An der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder erteilt die Lektorin Aleksandra Kubicka seit einigen Jahren deutschen Polizisten polnischen Sprachunterricht. Auch im "Tandem", wobei deutsche und polnische Beamte gemeinsam lernen. "In der ersten Stunde wird nur Deutsch und in der zweiten nur Polnisch gesprochen. Und es funktioniert. Es gibt verschiedene Kurse. Der häufigste ist der zweiwöchige Intensivkurs, der während des ganzen Arbeitstages und drei Mal pro Jahr angeboten wird." Neben dem Sprachunterricht finden praktische Übungen statt, die mit polizeilicher Arbeit verknüpft sind, aber auch Vorträge zu Rechtsfragen, bei denen dann ein Simultan-Dolmetscher anwesend ist.

Da die Tätigkeit der Polizei durch das Inkrafttreten des neuen deutsch-polnischen Polizeiabkommens am 9. Juli erweitert wurde, sind gute Sprachkenntnisse besonders wichtig und gleichsam die Voraussetzung für ihren Erfolg. So etwa bei der Kontrolle von Grenzübertritten zur Abwehr von Gefahren, bei vorläufigen Festnahmen von Tatverdächtigen im Nachbarland sowie gemeinsamen Streifen mit hoheitlichen Befugnissen. Der Polizist, der bisher "Gast" im Nachbarland war, darf nun bei der Verfolgung eines Kriminellen auch tätig werden, und er muss nicht befürchten, damit gegen das Gesetz zu verstoßen.

Das neue Polizeiabkommen gewährt den Beamten auf beiden Seiten der Grenze gleiche Rechte. So soll der Kampf gegen die grenzüberschreitende und internationale Kriminalität wirkungsvoller und erfolgreicher werden.

Ob die noch in diesem Jahr startende neue Fernseh-Krimireihe "Polizeiruf 110", in der eine deutsch-polnische Ermittlergruppe demnächst grenzübergreifend in der Frankfurt/Oder-Region agiert, die Polizeibeamten bei ihrer Tätigkeit inspirieren wird? Das ist wohl eher nicht der Fall. Denn die Erfahrung lehrt, dass auch in diesem Bereich die Realität meistens "bunter" ist als die Fiktion.

(RP)
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