Serie Afrika (II) Südafrika — die Führungsmacht

Kapstadt (RP). Seit dem Ende der Apartheid und dem Amtsantritt von Nelson Mandela 1994 ist Südafrika zur Vormacht des Kontinents aufgestiegen. Das liegt zum einen an der vergleichsweise großen politischen Stabilität, vor allem aber an der erdrückenden wirtschaftlichen Dominanz der Kap-Republik. Die Führungsrolle bringt aber auch ihre Probleme mit sich.

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In einem Kontinent der Armut und politischen Unruhe gilt Südafrika seit langem als ein Hort der Stabilität — und als sein wirtschaftlicher Motor. Als einziges Industrieland in Afrika nimmt die Kap-Republik eine Sonder- und Führungsstellung ein.

Anders als fast alle andere 52 Staaten des Kontinents hat Südafrika zum Beispiel ein funktionierendes Verfassungsgericht, eine effiziente Steuerbehörde, eine freie Presse und eine aktive Zivilgesellschaft — von der lautstarken und straff geführten liberalen Opposition bis hin zu einer Reihe von Menschenrechtsgruppen und Bürgerinitiativen.

Seit der friedlichen Überwindung der Apartheid und dem Amtsantritt von Nelson Mandela im Jahr 1994 ist das Land, das lange Jahre zu den politisch Aussätzigen zählte, in Afrika zu einem leidlich erfolgreichen Vermittler in zahlreichen Konflikten geworden, vom Kongo über Burundi bis hin zu Simbabwe.

Deutlich an Kampfkraft verloren

Südafrika war vor einigen Jahren auch die Triebfeder hinter der Neugründung der Afrikanischen Union (AU) und ihres Wirtschaftsprogramms Nepad (Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas). Allerdings sind die hoch gespannten Erwartungen nicht erfüllt worden. Bei der Konfliktlösung bleibt Afrika deshalb auch über 50 Jahre nach der Unabhängigkeit seiner ersten Staaten noch immer auf Truppen der Uno oder anderer auswärtiger Mächte angewiesen.

Obwohl Südafrika selbst noch immer eine vergleichsweise schlagkräftige Armee besitzt, hat diese in den letzten Jahren deutlich an Kampfkraft verloren. Dies liegt auch daran, dass viele weiße Führungskräfte oft überstürzt durch weniger gut ausgebildete Schwarze ersetzt wurden und die Truppe am Kap als völlig überaltert gilt. Südafrikas Streitkräfte umfassen heute rund 60.000 Soldaten und verfügen damit über weniger Soldaten als Nigeria mit seinen 80.000 Mann. Inzwischen gelten etwa die scharf gedrillten Armeen von Angola oder Ruanda als weit effizienter und kommen daher auch in afrikanischen Friedenseinsätzen immer öfter zum Einsatz.

Breit aufgestellte Wirtschaft

Der enorme Einfluss von Südafrika reicht aber weit über die Politik und das Militärische hinaus. Vor allem wirtschaftlich bleibt das Land am Kap unerreicht. Obwohl es mit seinen etwa 48 Millionen Menschen nur rund sechs Prozent der Gesamtbevölkerung Schwarzafrikas stellt, steuert der Kapstaat mehr als ein Drittel zum gesamten Bruttosozialprodukt des Kontinents bei. Allein sein Schienennetz ist das zehntgrößte der Welt und umfasst 80 Prozent des gesamten afrikanischen Bahnverkehrs.

Anders als etwa Sambia mit seinem Kupfer oder Ghana mit Kakao, hat Südafrika eine breit aufgestellte Wirtschaft mit einem wachsenden Dienstleistungssektor und einem hochmodernen Bankensystem, das sich problemlos mit dem in Europa vergleichen kann. Auch in puncto Stromerzeugung ist Südafrika unangefochten die Nummer eins und generiert heute dreizehnmal soviel Energie wie Nigeria mit der dreifachen Bevölkerung. Nigeria hat die zweitgrößte Volkswirtschaft in Schwarzafrika, doch ist sie damit noch immer fünfmal kleiner als Südafrikas.

Noch eklatanter sind die Größenunterschiede im regionalen Wirtschaftsblock des südlichen Afrikas (SADC) mit seinen 14 Mitgliedsstaaten. Selbst wenn man die Wirtschaftskraft aller SADC-Staaten zusammenfasst, ist Südafrikas Wirtschaft für sich noch immer viermal größer. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den völlig unterschiedlich entwickelten Ländern.

Großes Misstrauen bei den Nachbarn

Prompt hat Südafrikas junge Demokratie erfahren müssen, dass die Rolle einer regionalen Supermacht in Afrika mindestens so frustrierend sein kann wie die Aufgabe der USA im weltweiten Rahmen. Engagiert sich Südafrika zu stark, wird dem Land schon wegen seiner Vergangenheit als Apartheidstaat schnell Einschüchterung und Einmischung vorgeworfen. Engagiert es sich nicht, wird es als kaltherzig und ineffizient verurteilt.

Bei den Nachbarn besteht zum Beispiel großes Misstrauen, dass Südafrika einen Abbau von Zollgrenzen einseitig zum Vorteil der eigenen Industrie ausnutzen könnte. Neid und Angst bei den Nachbarn zwingen Pretoria häufig zur Zurückhaltung.

Dabei könnte Afrika nachhaltig von der südafrikanischen Expertise und Technologie profitieren, zumal der Kontinent selbst weder die Fachkräfte noch die Finanzmittel hat, um den enormen Rückstand aufzuholen. So gibt es bis heute keine Asphaltstraße oder Bahnlinie, die den Kontinent durchgängig von Süden nach Norden verbindet. Dies setzt nicht nur dem Wirtschaftswachstum Afrikas sondern auch der Entwicklung seines menschlichen Potenzials enge Grenzen.

Schon deshalb erhoffen sich die Vereinten Nationen und die westlichen Regierungen, dass Südafrika dem Kontinent einen Weg aus seiner gegenwärtigen Misere bahnt, den keine andere Nation schlagen kann. Ob aber Südafrika diese Rolle jedoch erfüllen kann, ist keineswegs garantiert.

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