Streit um Personalie Tusk Polen droht mit Blockade des EU-Gipfels

Warschau/Brüssel · Der Streit zwischen Polen und anderen EU-Staaten um die Wiederwahl von EU-Ratspräsident Donald Tusk könnte eskalieren. Kurz vor dem Spitzentreffen in Brüssel droht Warschau, den Gipfel platzen zu lassen.

 EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel (Archivbild vom 8. Februar 21017)

EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel (Archivbild vom 8. Februar 21017)

Foto: afp, JT

"Wir werden unsere Partner informieren, dass der gesamte Gipfel in Gefahr ist, wenn sie die Abstimmung heute erzwingen", sagte der polnische Außenminister Witold Waszczykowski am Donnerstag dem Sender TVN24. "Wir werden alles dafür tun, dass diese Abstimmung nicht stattfindet."

Ministerpräsidentin Beata Szydlo werde sich für eine Vertagung der Wahl des EU-Ratspräsidenten einsetzen. Diese dürfe angesichts der Zweifel am Kandidaten Tusk nicht voreilig stattfinden, sagte Waszczykowski. Derweil sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Vormittag im Bundestag für eine Wiederwahl des konservativ-liberalen Tusk aus. Dies wäre für sie "ein Zeichen der Stabilität der gesamten Europäischen Union". Merkel will sich in Brüssel noch vor Beginn des EU-Gipfels mit der polnischen Regierungschefin treffen.

Als Gegenkandidaten zu Tusk hat die nationalkonservative Regierung in Polen den Europaabgeordneten Jacek Saryusz-Wolski nominiert. Warschau wehrt sich gegen eine zweite Amtszeit des EU-Ratspräsidenten aus dem gegnerischen liberalen Lager. Sie wirft ihm vor, sein Amt in Brüssel missbraucht und sich in den politischen Konflikt in Polen eingemischt zu haben.

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen am Donnerstag entscheiden, ob Tusk bis Ende 2019 Ratschef bleiben soll. Erstmals könnte der Ratspräsident ohne Unterstützung seines Herkunftslandes gewählt werden. Polens Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS hatte Tusk die Unterstützung für eine Verlängerung der Amtszeit versagt. Der Liberale gilt als Feind von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, der Tusk seine eigene Wahlniederlage im Oktober 2007 nachtragen soll. Tusk war von 2007 bis 2014 Ministerpräsident.

Vor dem zweitägigen EU-Gipfel mahnte Tusk weitere Anstrengungen für eine wirtschaftliche Erholung Europas an. Der Schwung müsse erhalten bleiben. Beim Frühjahrsgipfel stehen die Themen Wirtschaft, Wachstum und Beschäftigung traditionell im Zentrum. Tusk erinnerte am Mittwoch daran, dass es erstmals seit fast zehn Jahren in allen 28 EU-Mitgliedstaaten Wachstum gebe. Trotz der weiter hohen Arbeitslosigkeit sei dies eine gute Nachricht.

Der Präsident des Europäischen Rates ist eines von drei Spitzenämtern der EU - neben dem Kommissionschef und dem Parlamentspräsidenten. Der Ratspräsident organisiert und leitet die Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs. Den Posten gibt es seit 2009. Die Amtszeit beträgt zweieinhalb Jahre. Der Präsident kann einmal wiedergewählt werden.

Der Spitzenjob war zunächst für fünf Jahre mit dem belgischen Ex-Ministerpräsidenten Herman Van Rompuy besetzt. Seit dem 1. Dezember 2014 übt der frühere polnische Regierungschef Donald Tusk diese Funktion aus. Seine erste Amtszeit läuft noch bis zum 31. Mai 2017.

Für die Wahl des Ratspräsidenten gibt es nur eine Regel: "Der Europäische Rat wählt seinen Präsidenten mit qualifizierter Mehrheit für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren", heißt es in Artikel 15 EU-Vertrag. Damit müssten mindestens 21 Mitgliedstaaten, die für 65-Prozent der EU-Bevölkerung stehen, einen Bewerber unterstützen.

(oko/AFP/dpa)
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