Frankreichs Haltung polarisiert Streit über Roma-Abschiebungen beherrscht EU-Gipfel

Brüssel (RPO). Der Streit über die französischen Roma-Abschiebungen hat den Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel beherrscht. Justizkommissarin Viviane Reding hat inzwischen bedauert, die Massenabschiebungen von Roma mit den Deportationen durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg verglichen zu haben.

Sarkozy gibt Interview im Garten des Elysée-Palastes
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Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy nahm die Entschuldigung "zur Kenntnis", wie der Élysée-Palast erklärte. Am Donnerstag wollte sich Sarkozy zunächst nicht zu dem bitteren Streit äußern. "Wir werden vermutlich mehr Erklärungen und Kommentare zu hören bekommen", sagte der belgische Ministerpräsident und amtierende Ratsvorsitzende Yves Leterme.

Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner beklagte sich dagegen abermals. "Frau Reding hat nicht hinnehmbare Äußerungen gemacht, insbesondere bestimmte Vergleiche mit dem Zweiten Weltkrieg", sagte er. Die Bundesregierung hatte der Kommissarin bereits am Mittwoch vorgeworfen, sich im Ton vergriffen zu haben. Sie finde die Vergleiche "nicht ganz passend", sagte Merkel. Reding bedauerte den Vergleich, blieb aber bei ihrem Vorwurf an Frankreich, mit den gezielten Ausweisungen von mehr als 1000 Roma in diesem Sommer gegen die EU-Richtlinie der Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit verstoßen zu haben.

Der französische Premierminister François Fillon hat die Roma-Politik seiner Regierung erneut verteidigt. Das Vorgehen der Regierung respektiere die nationale Gesetzgebung ebenso wie EU-Recht, sagte Fillon am Mittwochabend am Rande eines Treffens der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) in der Nähe von Brüssel. Zugleich kündigte er an, Frankreich werde "in den kommenden Stunden" die Rechtmäßigkeit dieser Politik darlegen.

Schulz schließt Eklat nicht aus

Der Europapolitiker Martin Schulz (SPD) hat einen Eklat wegen der Ausweisung von Roma aus Frankreich beim EU-Gipfel nicht ausgeschlossen. Das hänge auch davon ab, wie sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verhalte, sagte Schulz am Donnerstag im Südwestrundfunk (SWR). Er erwarte, dass sich die EU konsequent gegen die Politik Frankreichs stelle. Die mögliche Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zeige, dass die "EU nicht gewillt ist, den europäischen Geist auf dem Altar der innenpolitischen Interessen von Nicolas Sarkozy zu opfern", fügte der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament hinzu.

Unterdessen sagte Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi in einem Interview, "das Problem mit den Roma" sein kein spezifisch französisches, sondern betreffe jedes Land in Europa. Deshalb sei es notwendig, das Thema auf europäischer Ebene zu besprechen, um eine gemeinsame Position zu finden, sagte Berlusconi der Zeitung "Le Figaro" (Donnerstagsausgabe).

Eigentliche Gipfelthemen waren zum einen die Suche der EU nach einer gemeinsamen Strategie gegenüber wichtigen Partnern wie Indien, China oder Russland. Zum anderen wollte Ratspräsident Herman Van Rompuy über Fortschritte seiner Taskforce zur Stabilisierung der Währungsunion berichten. Merkel forderte erneut strenge Sanktionen für Staaten, die die Gemeinschaftswährung durch mangelnde Haushaltsdisziplin unter Druck bringen.

(apd/AFP)
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