Spur führt angeblich bis Präsident Sarkozy Strauss-Kahn das Opfer einer Verschwörung?

Paris · Eine SMS, ein geknacktes Mobiltelefon, ein Überwachungsvideo: Diese Zutaten präsentiert der US-Journalist Edward Epstein, um zu belegen, dass gegen Dominique Strauss-Kahn im Mai ein Komplott geschmiedet wurde. Die Spuren verfolgt Epstein bis in die Partei von Präsident Nicolas Sarkozy.

 Der Privatmann DSK auf dem Weg zu den Vorwahlen seiner Sozialisten.

Der Privatmann DSK auf dem Weg zu den Vorwahlen seiner Sozialisten.

Foto: dapd, Yoan Valat

Was, wenn der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, doch Opfer einer Verschwörung geworden ist? Diese Frage löst in Frankreich heftigen Wirbel aus, nachdem jüngste Recherchen des angesehenen US-Enthüllungs-journalisten Edward Epstein in der Sex-Affäre um ein New Yorker Zimmermädchen der Komplott-Theorie neue Nahrung gegeben haben.

"Was ist Dominique Strauss-Kahn wirklich widerfahren?", überschreibt Epstein seinen Artikel in der elitären "New York Review of Books", in dem er die Abläufe im Hotel Sofitel am 14. Mai, dem Tag von Strauss-Kahns Festnahme, minutengenau rekonstruiert und auf zahlreiche Ungereimtheiten stößt.

Textnachricht einer Freundin

Da ist einmal das Blackberry-Telefon von Strauss-Kahn ("DSK"), der bis zu seinem Sturz aussichtsreichster Herausforderer von Präsident Nicolas Sarkozy bei der Wahl 2012 war. Auf diesem Telefon soll Strauss-Kahn am 14. Mai morgens eine Textnachricht einer Freundin erhalten haben, die zu diesem Zeitpunkt in der Partei UMP von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy arbeitete.

Diese Freundin, so Epstein, habe "DSK" gewarnt, dass mindestens eine private E-Mail an seine Frau Anne Sinclair in der UMP zirkuliere — womöglich ein Hinweis darauf, dass das Telefon im Umfeld der UMP geknackt worden war.

Dies musste dem Chef des Währungsfonds Anlass geben zu glauben, dass er unter elektronischer Überwachung stehe. Um kurz nach 10 Uhr habe Strauss-Kahn daraufhin seine Frau angerufen, um das Blackberry nach seiner für den Tag geplanten Rückkehr in Paris auf einen Hacker-Angriff untersuchen zu lassen.

Aber dazu kam es nicht mehr: Bis heute, so Epstein, ist das Blackberry spurlos verschwunden — ausgerechnet jenes Gerät, das Strauss-Kahn bereits auf dem Weg zum Flughafen vergeblich suchte und weswegen er aus dem Taxi heraus das Sofitel von einem anderen Handy aus anrief. Dieses Telefonat hatte der Polizei letztlich erlaubt, ihn zu orten und an Bord einer Air-France-Maschine festzunehmen.

"Hastige sexuelle Begegnung"

Der Journalist wundert sich weiter, warum das Zimmermädchen Nafissatou Diallo, mit dem DSK zwischen 12.06 Uhr und 12.13 Uhr eine "hastige sexuelle Begegnung" hatte, anschließend das Nachbarzimmer betrat, in dem sie sich den elektronischen Zimmerkarten zufolge an diesem Morgen bereits mehrere Male aufgehalten hatte.

Hat Diallo das Telefon entwendet? War der Bewohner der Nachbarsuite beteiligt? Und warum dauerte es mehr als eine Stunde, bis das Sofitel — das zur französischen Accor-Gruppe gehört — die Polizei verständigte, nachdem das Zimmermädchen die mutmaßliche Vergewaltigung gemeldet hatte? Nach Angaben von Epstein rief der Sicherheitschef von Accor zudem umgehend seinen Vorgesetzten in Paris an, der wenig später in der VIP-Lounge von Sarkozy beim Fußball sitzen sollte.

Epstein liefert weder Antworten noch Beweise, doch er wirft Fragen auf, sammelt Indizien. So will der Journalist auch Einsicht in die Aufzeichnungen der Hotel-Überwachungskameras erhalten haben. Demnach führten der Chef-Ingenieur des Sofitel und ein weiterer Angestellter kurz nach der Benachrichtigung der Polizei einen "außergewöhnlichen dreiminütigen Freudentanz" auf und klatschten sich gegenseitig ab. Das Sofitel wies die Darstellung zurück und erklärte, dass die Freudenbekundungen keine drei Minuten, sondern nur acht Sekunden gedauert und nach Angaben besagter Angestellter nichts mit Dominique Strauss-Kahn zu tun gehabt hätten.

"Pure Fantasie"

Epstein droht nun damit, das Video selbst zu veröffentlichen. Für ihn ist es der Beweis, dass Strauss-Kahn überwacht wurde, um seine zu erwartende Kandidatur für die französischen Präsidentschaftswahlen zu Fall zu bringen.

Frankreichs konservative Regierung reagierte prompt: Innenminister Claude Guéant tat die Vorwürfe als "pure Fantasie" ab, UMP-Generalsekretär Jean-François Copé wies sie als "grotesk und lächerlich" zurück. Selbst Strauss-Kahns sozialistische Weggefährten reagierten zurückhaltend auf die neu aufgeflammte Komplott-Theorie. Nachdem ihr einstiger Hoffnungsträger den gesamten Vorwahlkampf durcheinandergewirbelt hat, will die Linke nur eines: DSK schnell vergessen.

(RP/csi/csr)
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