Deutsches Geld fließt in Infrastruktur in Afghanistan Straßen- statt Bombenbau

Mazar-e-Sharif (RP). Es ist nicht nur die Sicherheit, die in Afghanistan zu schaffen macht, nicht nur die Hitze, die in dieser Jahreszeit schon morgens die 40-Grad-Marke übersteigt. Entwicklungsminister Dirk Niebel wirbelt auch viel Staub auf bei seinen Fahrten in die Umgebung des deutschen Bundeswehr-Stützpunktes Mazar-e-Sharif. Denn die Straßen sind alles andere als brauchbar.

 Der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel besucht Afghanistan.

Der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel besucht Afghanistan.

Foto: dapd

Dabei haben sie eine uralte Tradition. An der berühmten Ali-Baba-Pforte sind tausend Jahre alte Steinbefestigungen zu erkennen. Alexander der Große ist mit seinen Truppen an dieser Stelle bereits durchs Gebirge geritten. Doch heute müssen sich "Straße" und Fluss den Durchgang teilen. Und das geht seit Jahrzehnten regelmäßig zu Lasten der Autos aus. Das soll nun zügig anders werden.

5,4 Millionen Euro nimmt Niebel dafür in die Hand, dass die 42,2 Kilometer zwischen Mazar-e-Sharif nach Sor-i-Shor künftig nicht mehr in drei Stunden oder gar nicht zurückgelegt werden können, sondern in anderthalb. Davon soll die ganze Region wirtschaftlich profitieren.

Menschen und Güter kommen verlässlich von einem Ort zum anderen. Die Bauern von Chahar Kant freuen sich darauf, künftig mit frischem Obst und Gemüse auf den Markt von Mazar-e-Sharif zu kommen. Damit ist das Projekt ein klassisches Modell für den zivilen Wiederaufbau: Straßen- statt Bombenbau. Die Entwicklungshilfe soll die Menschen aufbauen — und der Bedrohung durch den Taliban-Terror den Boden entziehen.

An der Ali-Baba-Pforte sind in sengender Sonne acht Arbeiter damit beschäftigt, mit Schaufeln, Hacken und den bloßen Händen den Untergrund der künftigen asphaltierten Straße vorzubereiten. Die Plackerei wirkt mitleiderregend, und für europäische Beobachter stellt sich sofort die Frage, ob man das nicht besser, schneller und bequemer mit ein paar Maschinen erledigen könnte.

Niebel schüttelt den Kopf. "Die Menschen sollen die Straße als ihr persönliches Projekt erfahren", erläutert der Minister. Deshalb legt er besonders viel Wert darauf, dass die Männer aus den umliegenden Dörfern hier für Wochen und Monate Beschäftigung finden.

Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist deshalb ein Instrument, um den Abzug der Bundeswehr bis 2014 zu ermöglichen. Das ganze Verantwortungsgebiet der Deutschen in Nordafghanistan ist bei der Besprechung Niebels mit General Dirk Backen , dem amtierenden Chef des Regionalkommandos, auf einer großen Karte in verschiedene Farben unterteilt. Rund ein Drittel leuchtet grün. Das bedeutet "bereit zur Transition in null bis sechs Monaten".

Diese Teile sind schon so sicher vor Taliban-Anschlägen, so gut ausgebaut und mit so vielen ausgebildeten Polizisten ausgestattet, dass die Gebiete zügig in afghanische Verantwortung übergehen können. Aber es gibt auch noch etliche Regionen, die rot leuchten. Dort dauert es noch mindestens 18 Monate, und dann gibt es die, die auch in zwei Jahren noch nicht so weit sein werden.

Ein Schlüssel für den Abzug liegt auch in der Stromversorgung. "Die Energie war der Motor der Entwicklung Europas im 19. Jahrhundert", sagt der Chef der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Afghanistan, Gunnar Wälzholz, und dies gelte im 21. Jahrhundert auch für Afghanistan. Mit deutschen Mitteln ist in der Nähe von Mazar-e-Sharif ein neues Umspannwerk entstanden.

Damit soll der aus den Nachbarländern Usbekistan und Turkmenistan importierte Strom nicht nur in den Süden des Landes durchfließen, sondern auch den Menschen und Fabriken im Norden des Landes zu Gute kommen. Bis 2014 sollen auch hier die gröbsten Lücken gefüllt sein.

Doch die Probleme der Region hängen mitunter auch nicht nur an der fehlenden Infrastruktur. Beim Umsteigen von der Transall in einen Airbus auf dem Bundeswehr-Flugplatz im usbekischen Termez wird die Ministerdelegation von den Usbeken gestoppt. Denn erstmals reist auch EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs mit. Und zu dessen Stab gehört der britische Staatsbürger David Tirr. Die Briten haben sich aber mal sehr klar über die Menschenrechtslage in Usbekistan geäußert — und sind deshalb des Landes verwiesen worden.

Nun zeigt sich das Regime konsequent und stellt sich bei dem Versuch quer, Tirr den Weg von wenigen hundert Metern von der einen deutschen Maschine in die andere deutsche Maschine zu ermöglichen. Der Konflikt zieht diplomatische Kreise, wodurch sich der Weiterflug von Niebel und Piebalgs verzögert. Der Konflikt kann erst nach über einstündigen harten Verhandlungen beigelegt werden.

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