Ein Ex-Wachmann berichtet über Nordkoreas Straflager "Die Gefangenen sind ärmer dran als Tiere"

Seoul · Zwischen 100.000 und 200.000 Menschen sind in Nordkorea in politischen Straflagern inhaftiert. Amnesty International zufolge baut der Staat diese Lager aus. Der Bericht der Organisation zeigt aber nicht nur dies, sondern beinhaltet auch Interviews mit einem ehemaligen Gefangenen und einem früheren Wachmann. Sie zeigen das grausame System hinter den Lagern, deren Existenz der Staat selbst abstreitet.

Satellitenbilder von Nordkoreas Straflagern
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Von den 80er Jahren bis Mitte der 90er Jahre arbeitete der Wachmann im Lager 16 im Süden Nordkoreas. Er erzählt der Menschenrechtsorganisation von Folter, von Hinrichtungen und dem harten Leben der Gefangenen in dem Lager. "Das Ziel der Gefangenenlager ist es, die Inhaftierten zu unterdrücken, zu erniedrigen und zu verletzten, solange sie am Leben sind", wird er von Amnesty zitiert.

"Die Gefangenen", so erzählt der Mann weiter, "seien nur insofern menschliche Wesen, weil sie sprechen können. In Wirklichkeit sind sie ärmer dran als Tiere." Der Unterschied zwischen dem Personal in den Lagern und den Gefangenen sei "wie Himmel und Hölle" umschreibt er das Leben dort. Es gebe viele Selbstmorde. Meistens seien es aber nicht die vom Staat eines Verbrechen Beschuldigten, die sich das Leben nehmen würden, sondern ihre Angehörigen, die oftmals gleich mit inhaftiert würden.

Ex-Gefangene: "Hatte das Gefühl, der Himmel bricht zusammen"

Das kennt auch Kim Young-soon, die neun Jahre im Straflager 15 im Norden des Landes verbrachte, weil sie Gerüchte über den früheren Machthaber Kim Jong-Il gestreut haben soll. Ihr Sohn und ihre Eltern seien ebenfalls inhaftiert worden, nur weil sie in Verbindung mit ihr gestanden hatten. Sie hatte das Glück, nach all den Jahren freizukommen, ihre Familie aber kam in dem Lager um.

Auch Kim Young-soon berichtet Amnesty über Details aus ihrer Zeit in dem Lager. "Da waren zwei Gefangene, die geschnappt wurden, nachdem sie versucht hatten zu fliehen. Sie wurden öffentlich hingerichtet, erzählt sie. Bei einer öffentlichen Hinrichtung, so die Nordkoreanerin, würden die Gefangenen zunächst halb zu Tode geschlagen."Der Gefangene ist auf einem Podest an eine Stange gebunden, seine Hände sind hinter seinem Rücken gefesselt", beschreibt sie. "Seine Füße sind ebenfalls gefesselt, ein anderes Seil ist um seinen Körper gebunden, und die Augen sind verbunden."

Wenn dann das Feuer auf den Hinzurichtenden eröffnet werde, rufe eine Wache "Im Namen der Menschen, schießt den Feind der Revolution nieder!" Drei Schüsse in den Kopf, drei in die Brust und drei in die Beine würden abgegeben. Und die Menge drum herum schaue einfach ausdruckslos zu, zeige keinerlei Emotionen.

Kim Young-Soon erinnert sich auch noch genau an den Tag, als sie in Lager 15 ankam. "Angekommen in Yodok, hatte ich das Gefühl, als würde der Himmel zusammenbrechen. Wie konnte ich an so einen kläglichen Ort gebracht werden? Es war herzzerreißend."

Ex-Wachmann: Vergewaltigungen an der Tagesordnung

Auch der frühere Wachmann aus Lager 16 berichtet der Menschenrechtsorganisation von Hinrichtungen. Sträflinge hätten ihre eigenen Gräber ausheben müssen, anschließend seien sie mit Hammerschlägen ins Genick getötet worden. Lageroffiziere hätten Opfer stranguliert und danach mit Stockschlägen getötet, das habe er selbst gesehen. Er berichtet auch von Vergewaltigungen der weiblichen Häftlinge, die an der Tagesordnung gewesen seien. Meist seien die Frauen im Anschluss getötet worden.

Auch wenn der Wachmann schon längst nicht mehr in dem Lager arbeitet, so glaubt er dennoch nicht, dass sich an der Situation dort irgendetwas geändert hat. "Die Situation ist jetzt eher schlechter als besser", ist er überzeugt. "Nichts hat sich geändert in Bezug auf die Menschenrechte."

(das)
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