Nach den jüngsten Wikileaks-Enthüllungen Steinmeier sieht US-Außenpolitik eingeschränkt

Washington (RPO). SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht die amerikanische Außenpolitik durch die Veröffentlichungen von Wikileaks eingeschränkt. Derweil plant die Plattform schone neue Enthüllungen. Im Visier hat sie eine amerikanische Großbank.

Wikileaks-Gründer: Das ist Julian Assange
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Das ist Julian Assange

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Foto: dpa/Frank Augstein

"Der Schaden liegt in jetzt noch unübersehbarer Größe vor allem auf der Seite der amerikanischen Regierung", sagte Steinmeier unserer Redaktion. "Ich beneide Hillary Clinton nicht, die nun sicherlich ein Jahr harter Arbeit vor sich hat, um bei jedem Besuch, an jedem Flecken der Welt ihre Gespräche mit Entschuldigungen zu beginnen. Das ist nicht nur persönlich unangenehm, das schränkt auch die Möglichkeiten einer unabhängigen amerikanischen Außenpolitik ein."

Wikileaks will derweil Anfang kommenden Jahres Zehntausende Dokumente einer amerikanischen Großbank im Internet offenlegen. Die Dokumente gäben Einblicke in das Verhalten des Managements und dürften wohl zu einer Untersuchung führen.

Das sagte Wikileaks-Gründer Julian Assange in einem am Montag (Ortszeit) veröffentlichten Interview in der Online-Ausgabe des US-Magazins "Forbes". Es würden auch unethische Praktiken und ungeheuerliche Verstöße dargestellt.

"Man kann es auch das Ökosystem der Korruption nennen", sagte Assange. Die Dokumente zeigten zudem, dass die Aufsicht nicht richtig funktioniere und wie die Manager vorrangig ihre eigenen Interessen im Blick hätten. Den Namen der Bank nannte er nicht.

Assange zufolge besitzt Wikileaks noch Material über zahlreiche Unternehmen und Regierungen, auch aus Russland. Auch Dokumente über Pharmafirmen lägen der Internetplattform vor. Namen nannte er auch hierzu nicht.

Wikileaks hatte am Sonntag mehr als 250.000 vertrauliche Berichte des US-Außenministeriums veröffentlicht, die auch brisante Informationen und Einschätzungen über Politiker aus aller Welt enthalten. Zuvor hatte die Internetplattform fast 500.000 US-Dokumente über die Kriege in Afghanistan und im Irak veröffentlicht.

Schaar: Alarmierendes Signal

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, sieht in den jüngsten Wikileaks-Enthüllungen ein "alarmierendes Signal". Die Veröffentlichung geheimer US-Dokumente zeige, wie notwendig ein "radikales Umdenken" sei, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

"Wir brauchen nicht immer mehr, sondern weniger Daten, und die Daten müssen ordentlich geschützt werden." Sonst sei zu befürchten, dass demnächst nicht nur diplomatische Korrespondenz, sondern ärztliche Diagnosen, Strafakten oder andere sensible Informationen ihren Weg in das Internet fänden, warnte Schaar.

Die seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 vor allem in den USA vorhandene Datensammelsucht sei "ein Risikofaktor, der kaum zu beherrschen ist", sagte Schaar weiter.

Nicht nur in den USA, sondern überall auf der Welt würden immer mehr personenbezogene Daten angehäuft, teilweise sogar - etwa im Bereich der Telekommunikation - ohne jeden Verdacht und Anlass für viele Monate und Jahre. Erhofft worden sei davon ein Zugewinn an Sicherheit. Eingetreten aber sei das Gegenteil, konstatierte der Datenschutzbeauftragte. "Datensparsamkeit ist deshalb das Gebot der Stunde."

Ecuador bietet Asyl an

Die ecuadorianische Regierung will Julian Assange derweil bei Bedarf ein neues Zuhause anbieten. Der stellvertretende Außenminister Kintto Lucas erklärte, Assange könne "ohne jede Art von Schwierigkeiten und ohne jegliche Bedingungen" in dem lateinamerikanischen Staat leben.

Er solle sich dort ungehindert äußern können, sagte Lucas laut der Webseite EcuadorInmediato. Die Enthüllungsplattform Wikileaks ist nach eigenen Angaben im Besitz auch von mehr als 1.600 Unterlagen aus der US-Botschaft in Quito.

Der Australier Assange hat sich um eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in Schweden bemüht. Nach der Veröffentlichung Tausender Unterlagen zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan stellte ein Gericht dort jedoch einen Haftbefehl gegen den 39-Jährigen wegen Vorwürfen sexueller Belästigung aus. Assange selbst spricht von einer Schmutzkampagne.

Berlusconi spricht von Scherz

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat die über Wikileaks verbreiteten Einschätzungen von US-Diplomaten über seine Feierlaune mit einem Scherz zurückgewiesen. "Leider habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht an einer 'wilden Party' teilgenommen. Sie könnten interessant sein", sagte der Regierungschef bei einem Besuch in Tripolis. "Einmal im Monat lade ich zum Abendessen in meine Häuser ein, weil mich so viele Menschen treffen wollen."

Ein US-Diplomat hatte Berlusconi in den Dokumenten als "inkompetent, eitel und inneffektiv" eingeschätzt. Er habe ein aktives Nachtleben und eine Vorliebe für ausschweifende Feiern. Umfragen zufolge untergraben die Berichte über junge Frauen auf Partys - die Berlusconi zurückweist - seine Popularität.

(RTR/dapd/AFP/das)
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