Klimakonferenz in Glasgow Staaten schwächen Forderungen zum Kohleausstieg ab

Glasgow · Die Verhandlungen bei der Klimakonferenz in Glasgow gehen in die entscheidende Phase – am Samstagmorgen gehen die Verhandlungen weiter. Bereits jetzt wird deutlich, dass ambitionierte Formulierungen etwa zur Subventionierung fossiler Energien kaum zu halten sein werden. Klimaforscher zeigten sich enttäuscht.

 Ein Plakat für besseren Klimaschutz wird bei einem Protest vor dem Gelände der UN-Klimakonferenz COP26 in die Höhe gehalten.

Ein Plakat für besseren Klimaschutz wird bei einem Protest vor dem Gelände der UN-Klimakonferenz COP26 in die Höhe gehalten.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Es war abzusehen: Die Klimaverhandlungen bei der internationalen Konferenz in Glasgow ziehen sich in die Länge, ein Abschlusspapier soll erst im Laufe des Samstagmorgen veröffentlicht werden. Denn noch immer sind viele Fragen offen, zu denen die knapp 200 beteiligten Staaten bis zu diesem Freitag Lösungen präsentieren wollten. Und das eigentliche Ziel aller Bemühungen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts zu begrenzen, liegt noch in weiter Ferne. Hier ein Überblick, über was noch gestritten wird.

Ein wesentlicher Konflikt betrifft die Zeitpläne, bis wann die Staaten aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas aussteigen werden. Das Ende der fossilen Energie gilt als wichtigster Schritt, um das 1,5-Grad-Ziel erreichen zu können. Doch Länder wie Australien oder China wollen noch Jahrzehnte weiter Kohle verbrennen. Trotzdem könnte ein Appell zum Abschied von der Kohle erstmals Eingang in einen COP-Abschlusstext finden. Die Staaten sollen aufgerufen werden, sich von „ineffizienten Subventionen“ für Öl, Gas und Kohle zu verabschieden, wie es im letzten Entwurf für den Abschlusstext heißt. Dabei war ein erster Entwurf ambitionierter und klarer auf den Kohleausstieg fokussiert. 

Für den Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, ein Grund zur Kritik. „Es ist keine gute Entwicklung, dass in einem aktuellen Entwurf des COP-Abschlussdokuments die Formulierungen zum Kohleausstieg verwässert wurden. Das sollte auf den letzten Metern der Verhandlungen wieder zurückgenommen werden“, sagte Edenhofer unserer Redaktion. „Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, braucht es einen globalen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern bis 2050. Mit dem aktuellen Entwurf gerät das in Gefahr“, sagte Edenhofer. Nach wie vor bestehe eine erhebliche Lücke zwischen den Zielen der Staaten und der Implementierung von  Maßnahmen.

Tatsächlich ist das eine weitere wesentliche Baustelle: Der jüngsten Analyse des sogenannten Climate Action Tracker zufolge steuert die Welt mit den bisherigen Ankündigungen auf 2,4 Grad zu bis zum Jahr 2100 - aber auch nur unter der sehr optimistischen Annahme, dass alle Versprechungen der Staaten für dieses Jahrzehnt auch eingehalten werden. Deshalb ist klar: Es muss weiter nachgebessert werden, bis die Pläne mit dem Pariser Klimaabkommen kompatibel sind. Der jüngste Entwurf des Glasgower Abschlusstextes drängt die Staaten dazu, das bis Ende 2022 zu tun. Einige Staaten haben jedoch bislang überhaupt keinen Plan vorlegt und wollen sich nicht drängeln lassen.

Offen blieb in Glasgow bislang auch die Frage, wie viel Unterstützung die Staaten, die bereits jetzt Schäden durch den Klimawandel erleiden, von großen Emittenten aus der Gruppe der Industrieländer erwarten können. Seit Jahren wird zwischen reichen Ländern des globalen Nordens und armen Ländern des globalen Südens gestritten. Erstmals könnte es nun ein Finanztopf dazu in den Abschlusstext schaffen, zumindest war dies im jüngsten Entwurf vorgesehen – jedoch ohne konkrete Vorgaben.

 Ein zähes Ringen gab es in Glasgow auch zu den Hilfen für die sogenannte Klimafolgenanpassung, etwa weil es in einigen Regionen häufiger zu Dürren oder Überschwemmungen kommen wird. Im Entwurf für die Abschlusserklärung werden die Staaten aufgefordert, die Finanzhilfen bis 2025 zu verdoppeln im Vergleich zu jetzt. Derzeit fließen dafür weltweit etwa 20 Milliarden Dollar (rund 17,5 Milliarden Euro), diese müssten also auf 40 Milliarden aufgestockt werden.

Trotz noch riesiger Lücken zwischen Versprechungen und konkreten Maßnahmen sieht Klimaforscher Edenhofer auch Licht bei der Konferenz in Glasgow. „Es gibt aber auch Fortschritte bei der Klimakonferenz, die richtungsweisend sind. Ich habe beispielsweise die Hoffnung, dass nach dem Schulterschluss Chinas mit den USA ambitionierte Initiativen in der Runde der Industriestaaten nach der Klimakonferenz möglich werden“, sagte Edenhofer. „Wenn sich die EU mit den USA und China zusammentut, können sie eine G3 des Klimas bilden, einen Block der größten Wirtschaftsmächte und Treibhausgasemittenten, der die Spielregeln für den gesamten Planeten bestimmen kann. So sollte es beispielsweise einen CO2-Mindestpreis unter den G3-Staaten geben“, so der PIK-Direktor.

Fortschritte gab es auf nationaler Ebene zum Kohleausstieg. So bekannten sich mehr als 40 Staaten bekannten sich in den ersten Tagen der COP konkret zum Abschied von der Kohle. Die Industriestaaten wollen demnach in den 30er Jahren aus der Kohle aussteigen, andere spätestens in den 40er Jahren. Außerdem sagte eine Reihe von Staaten zu, nicht mehr in Kohle, Öl und Gas zu investieren. Letzterer Allianz schloss sich Deutschland erst mit einigen Tagen Verspätung an.

Weitere Abkommen, die von Klimaschützern grundsätzlich positiv wenn auch noch als zu wenig ambitioniert bewertet wurden, betreffen das Aus für Benzin- und Dieselautos bis spätestens 2040, dem sich mehr als 30 Länder angeschlossen hatten – nicht aber Deutschland. Auch Abkommen zur Verringerung des Methan-Ausstoßes oder dem Ende von Waldrodungen gehören dazu.

Unterdessen steigt aus Glasgow auch der Druck auf die Ampel-Parteien in Deutschland. PIK-Direktor Edenhofer sagte dazu: „Deutschland steht vor gewaltigen Aufgaben, um bis 2045 treibhausgasneutral zu werden. Olaf Scholz muss sich als Klimakanzler verstehen und darf den Klimaschutz nicht allein auf die Grünen abschieben.“ Es sei bereits absehbar, dass der Verkehrssektor seine Ziele im Klimaschutzgesetz nicht erreichen könne. „Daher braucht es ein Zusammenwirken aller Ministerien, um die zugesagten Einsparziele insgesamt noch zu erreichen. Das geht nur, wenn die neue Bundesregierung es schafft, Marktkräfte für den Klimaschutz freizusetzen. Das muss der Koalitionsvertrag klar regeln und anschieben“, forderte Edenhofer.

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