Freilassung des Lockerbie-Attentäters Spielten britische Öl-Interessen eine Rolle?

London/Tripolis (RPO). Die dubiosen Umstände der Freilassung von Lockerbie-Attentäter Abdelbasset Ali Mohammed el Megrahi haben in den USA für Empörung gesorgt. Britische Erdöl-Interessen in Libyen sollen eine Rolle bei Schottlands Entscheidung zur Haftverschonung gespielt haben. US-Senatoren forderten nun eine unabhängige Untersuchung der Hintergründe.

2009: Gaddafi empfängt den Lockerbie-Attentäter
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Äußerungen von Libyens Machthaber Muammar Gaddafi, seinem Sohn Saif und dem Leiter des britisch-libyschen Wirtschaftsrats, wonach die Freilassung Megrahis in Zusammenhang mit britischen Erdölinteressen in Libyen stünden, seien "schockierend", sagte US-Senator Joe Lieberman. "Wir müssen wissen, was es mit diesem Öl-Deal auf sich hat", erklärte auch der demokratische Senator Ben Cardin.

Megrahi will einem Pressebericht zufolge eine Autobiographie schreiben, um seine Unschuld zu untermauern. Megrahi arbeite an einem Buch, in dem er sein Leben hinter Gittern beschreiben und all sein Wissen über das Attentat von 1988 mit 270 Toten enthüllen wolle, berichtete die britische Zeitung "Times" am Montag.

"Er wird ein Buch schreiben, um seine Unschuld zu verkünden", sagte der libysche Gesandte in Schottland, Abdurrhman Swessi. Der Zeitung zufolge sammelten Megrahis Anwälte Informationen für ein Berufungsverfahren in Schottland, bevor ihm vergangene Woche wegen seiner Krebserkrankung im Endstadium aus humanitären Gründen Haftverschonung gewährt wurde.

Megrahi ist der einzige, der wegen des Anschlags auf ein US-Flugzeug über dem schottischen Lockerbie verurteilt wurde. Er war am Donnerstag aus schottischer Haft entlassen worden und noch am selben Tag nach Libyen geflogen. Bei seiner Ankunft in Tripolis winkten hunderte Menschen mit libyschen und schottischen Fahnen. Der begeisterte Empfang hatte vor allem in den USA einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Dank an "Freund" Gordon Brown

Libyens Machthaber Muammar Gaddafi hatte Megrahi am Freitag begrüßt und seinem "Freund" Premier Gordon Brown für Unterstützung im Fall von des Ex-Geheimdienstagenten gedankt. Die Opposition in London verlangte von der Regierung Aufklärung, weil Tripolis die Freilassung in Zusammenhang mit britisch-libyschen Geschäften gestellt hatte. Laut libyscher Nachrichtenagentur Jana lobte dankte Gaddafi außer Brown auch der britischen Queen Elizabeth II. und deren Sohn Prinz Andrew. Alle drei hätten die schottische Regierung ermutigt, ihre "historische und mutige Entscheidung" zur Freilassung Megrahis zu treffen. Dies werde "positive Auswirkungen" auf die Beziehungen beider Länder und alle Bereiche der Zusammenarbeit haben.

Gaddafis Sohn Seif el Islam sagte in einem Interview, dass der Fall Megrahi bei wirtschaftlichen Verhandlungen mit Großbritannien stets eine Rolle gespielt habe. Bei sämtlichen Verhandlungen über Öl- und Gaslieferungen sei auch dieses Thema auf den Tisch gekommen, sagte Islam, der ein wichtiger Unterhändler in den Gesprächen mit der schottischen Regierung war.

Großbritannien wies die Behauptungen entschieden zurück, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Interesse Großbritanniens an den libyschen Öl- und Gasvorkommen und der Freilassung gebe. "Es gibt kein Abkommen", sagte ein Sprecher Browns AFP. Die Entscheidung über die Freilassung sei allein von der schottischen Regierung getroffen worden.

Die Spekulationen erhielten jedoch neue Nahrung durch das Bekanntwerden mehrerer Treffen des britischen Handelsministers Peter Mandelson und dem Gaddafi-Sohn. Mandelson räumte am Samstag ein, Islam während seines Urlaubs auf der griechischen Insel Korfu zweimal getroffen zu haben. Die Mutmaßungen über einen möglichen wirtschaftlichen Hintergrund für die Freilassung Megrahis seien jedoch "beleidigend".

Das bisherige Schweigen von Brown sei "merkwürdig", schrieb der Oppositionsführer David Cameron in einem Brief an den Regierungschef. Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf zu wissen, ob Brown die schottische Entscheidung für richtig oder falsch halte.

(asl/csi)
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